Urlaub der Apothekenmitarbeiter

Urlaubsanspruch zwischen Tarif und Gesetz


Jasmin Theuringer

Kein Mitarbeiter kann das ganze Jahr über Höchstleistungen erbringen. Zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit ist Urlaub daher unabdingbar. Doch mit dem Urlaubsanspruch sind etliche arbeitsrechtliche Probleme verbunden, die Sie als Apothekenleiter kennen sollten.

Das Gesetz sieht für alle Arbeitnehmer einen Mindesturlaub von 24 Werktagen im Jahr vor. Die Realität in den Apotheken sieht meist anders aus: Bei Neueinstellungen richtet sich der Urlaub regelmäßig nach den Bestimmungen des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmit­arbeiter (BRTV), auch dann, wenn der BRTV im Übrigen auf das konkrete Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet. Was einfach klingt, kann in der Praxis aber schnell kompliziert werden.

Urlaubsanspruch

Der derzeit gültige BRTV hat den Urlaub vereinheitlicht: Die in den älteren Tarifver­trägen enthaltene Staffelung nach Lebensjahren ist mit Rücksicht auf das Allgemei- ne Gleich­be­handlungsgesetz aufgegeben worden. So gilt nach dem BRTV seit 2009 für alle Mitarbeiter ein einheitlicher Urlaubsanspruch von 33 Werktagen im Jahr, der sich nach einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren einmalig um einen Werktag erhöht. Damit ist auch der nach der Dauer der Betriebszu­gehörigkeit gestaffelte Mehr­urlaub einem einheitlichen Mehrurlaub gewichen.

Kompliziert wird die Ermittlung des Urlaubsanspruchs bei teilzeitbeschäftigten Mitarbeitern. Der tarifliche Urlaubsanspruch wird in Werktagen ausgedrückt und setzt damit eine Beschäftigung an sechs Tagen in der Woche voraus. Wird der Arbeitnehmer an weniger als sechs Tagen in der Woche beschäftigt, ist dringend zu empfehlen, den Urlaubsanspruch auf die tatsächlichen wöchentlichen Arbeitstage umzurechnen, so wie es §11 Ziffer 13 BRTV auch vorsieht. Die Umrechnung erfolgt nach der Formel: Ur­laubsanspruch geteilt durch 6 (Werktage) multipliziert mit der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage. Das Ergebnis ist kaufmännisch zu runden. So entspricht der Urlaubsanspruch von 33 Werk­tagen für einen Mitarbeiter, der an fünf Tagen in der Woche arbeitet, einem Jahres­urlaub von 28 Arbeitstagen (33 : 6 x 5 = 27,5 – gerundet 28).

Häufig werden Apotheken­mitarbeiter an fünf Tagen in der Woche eingesetzt sowie jeden zweiten Samstag. Das entspricht einer wöchentli­chen Arbeitszeit von 5,5 Tagen, sodass aus dem Jahres­urlaub von 33 Werktagen ein Jahresurlaub von 30 Arbeits­tagen wird (33 : 6 x 5,5 = 30,25 – gerundet 30).

Bei der Umrechnung von Werk­tagen in Arbeitstage werden alle Wochentage, an denen der Mitarbeiter eingesetzt wird, gleich behandelt. Das gilt auch dann, wenn die Apotheke beispielsweise an Samstagen mittags schließt und die Mitarbeiter nur einen halben Tag zu arbeiten haben. Teilzeitbeschäftigte, die sechsmal in der Woche einen hal­ben Tag arbeiten, haben daher unverändert Anspruch auf 33 Werktage Urlaub. Diese Mitarbeiter werden dadurch nicht gegenüber Vollzeitbeschäftigten bessergestellt: Nimmt sich ein Teilzeitmit­arbeiter eine Woche Urlaub, so bekommt er auch nur sechs halbe Tage bezahlte Freizeit.

Teilurlaub

Besteht das Arbeitsverhältnis nicht durchgängig während des gesamten Kalenderjahres, erwirbt der Mitarbeiter einen anteiligen Urlaubsanspruch. Nach der gesetzlichen Regelung gilt dies stets dann, wenn der neu eingestellte Arbeitnehmer die sogenannte Wartezeit von sechs Monaten nicht erreicht hat, also beispiels­weise in der Probezeit wieder ausscheidet. Aber auch ein langjähriger Mitarbeiter kann nur einen Anspruch auf Teil­urlaub für das laufende Jahr erwerben, nämlich dann, wenn er in der ersten Jahreshälfte ausscheidet. In diesen Fällen besteht ein Anspruch von einem Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Beschäftigungsmonat. Ist der Mitarbei­ter dagegen länger als sechs Monate im laufen-den Jahr beschäftigt, beispielsweise vom 1. April bis zum 30. Oktober eines Jahres, hat er Anspruch auf den vollen Jahresurlaub.

Hat der Mitarbeiter bereits seinen vollen Jahresurlaub erhalten und kündigt er unmittelbar nach der Rückkehr, so hat er möglicherweise mehr Urlaub bekommen, als ihm im Grunde für das bis dahin laufende Jahr zustand. Der zuviel gewährte Urlaub kann in diesem Fall nicht in der Form rückabgewickelt werden, dass die während des Urlaubs gezahlte Vergütung zurückverlangt wird. Ein Rückzahlungs­anspruch des Arbeitgebers wird durch das Gesetz ausgeschlossen.

Ein Ausgleich soll dadurch erfolgen, dass der Arbeitgeber bei Been­digung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubs­bescheinigung ausstellt. Der Folgearbeitgeber kann sich dann darauf berufen, dass der Mitarbeiter seinen Urlaub für das laufende Jahr bereits vollständig erhalten hat. Diese Regelung ist jedoch in der Praxis weitgehend unbekannt. Entsprechend selten wird davon Gebrauch gemacht.

Keine Kürzung wegen Krankheit

Arbeitnehmer erwerben auch dann ihren vollen Urlaubsanspruch, wenn sie während des Jahres lange arbeitsunfähig erkrankt sind. Das gilt selbst dann, wenn sie während des gesamten Jahres keinen einzigen Tag gearbeitet haben. Das Bundesarbeitsgericht begründet diese auf den ersten Blick unverständliche Rechtsprechung damit, dass alleinige Voraussetzung für den Erwerb des Urlaubsanspruchs der Bestand des Arbeitsverhältnisses sei. Dieses wird durch Krankheit nicht unterbrochen. Wird ein Arbeitnehmer nach einjähriger un­unterbrochener Krankheit zum 1. April des Folgejahres wieder arbeitsfähig, kann er seinen Urlaubsanspruch aus dem Vorjahr erfolgreich geltend machen.

Der Arbeitgeber kann diesem Urlaubswunsch auch nicht entgegenhalten, der Urlaub sei am Jahresende, spätestens aber am 31. März, verfallen. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein Urlaubsanspruch spätestens mit dem 31. März des Folgejahres verfällt, ist vom Europäischen Gerichtshof für den Fall gekippt worden, dass der Arbeitnehmer bis zum 31. März wegen einer Krankheit den Urlaub des Vorjahres nicht nehmen konnte. Ob dies auch gilt, wenn ein Arbeitnehmer nach mehrjähriger Krankheit zurück in den Betrieb kommt, wurde nicht entschieden. Wendet man die neue Rechtsprechung jedoch konsequent an, würde ein Arbeitnehmer nach einer etwa dreijährigen Krankheit zunächst einmal wenigstens den gesetzlichen Mindesturlaub für die vergangenen drei Jahre, also zwölf Wochen Urlaub, be­anspruchen können.

Urlaub in der Probezeit

Hinter dem häufig gehörten Satz „Urlaub gibt es erst nach der Probezeit!“ verbirgt sich die gesetzliche Regelung, dass der volle Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erstmals nach einer sogenannten Wartezeit von sechs Monaten entsteht. Das bedeutet aber nicht, dass in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung kein Urlaub verlangt werden kann. Bereits in der Probezeit entsteht ein anteiliger Urlaubs­anspruch von 1/12 pro Monat. Eine entsprechende Klarstellung findet sich auch in §11 Ziffer 3 BRTV. Dieser anteilige Urlaub kann auch in der Probezeit genommen werden. Beginnt das Arbeitsverhältnis beispielsweise am 1. Januar eines Jahres und wurde vertraglich ein Jahresurlaub von 33 Werktagen ver­einbart, so hat der Arbeitnehmer bis zum 31. März einen Anspruch auf 8 Urlaubstage erworben, die er im April antreten kann.

Urlaubsgewährung

Entgegen eines weit ver­breiteten Irrtums kann der Arbeitnehmer den Urlaub nicht „nehmen“, er ist vielmehr vom Arbeitgeber zu gewähren. So ist ein Eintrag in den Urlaubskalender nicht mehr als ein Urlaubsantrag des Mitarbeiters. Über diesen muss der Apothekenleiter sodann entscheiden. Stimmt er dem Urlaubswunsch nicht zu, darf der Mitarbeiter den Urlaub nicht eigenmächtig antreten. Tut er dies dennoch, kann diese Selbstbeurlaubung durchaus eine frist- lose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Kommt keine Einigung über den Zeitpunkt des Urlaubs zustande, bleibt dem Mitarbeiter nur der Weg zum Arbeitsgericht, um dort seinen Urlaubswunsch im Wege einer einstweiligen Verfügung durchzusetzen.

Der Apothekenleiter muss grundsätzlich den Urlaub zum Wunschtermin gewähren. Ausnahmen sind nur möglich, wenn dringende betriebliche Belange oder vorrangig zu berücksichtigende Urlaubswünsche von Kollegen einer Urlaubserteilung entgegenstehen. Die Tatsache, dass es während der Urlaubssaison Personalengpässe geben wird, ist nicht überraschend und kann für sich allein die Ablehnung eines Urlaubswunsches nicht rechtfertigen. Dringende betriebliche Belange im Sinne des Gesetzes sind solche, auf die sich der Betrieb nicht vorbereiten kann, wie zum Beispiel der krankheitsbedingte Ausfall von mehreren Mitarbeitern während der Urlaubssaison.

Vorrangig zu berücksichtigende Urlaubswünsche können insbesondere von Mitarbeitern mit schulpflichtigen Kindern stammen, die auf die Schulferien angewiesen sind. Aber auch andere soziale Gesichtspunkte, wie eine besondere Erholungsbedürftig-keit nach einer Krankheit oder der Wunsch, gemeinsam mit dem Ehepartner Urlaub zu machen, sind zu beachten.

Krank im Urlaub

Der Urlaub dient der Erholung. Wer während seines Urlaubs erkrankt, erholt sich nicht. Urlaub und Krankheit schließen sich also gegen­seitig aus. Deshalb werden Krankheitstage während des Urlaubs gutgeschrieben. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Tage einfach an den Urlaub angehängt werden dürfen, auch das wäre eine unzulässige Selbstbeurlaubung. Entsprechend schreibt §11 Ziffer 5 BRTV vor, dass der Arbeitnehmer sich auch im Fall einer Erkrankung unmittelbar nach dem Urlaub wieder dem Betrieb zur Verfügung stellen muss. Es liegt dann in der Entscheidungsbefugnis des Apothekenleiters, wann die gut­geschriebenen Urlaubstage nachgeholt werden.

Erwerbstätigkeit während des Urlaubs

Eine Erwerbstätigkeit widerspricht dem Erholungszweck des Urlaubs. Dem Arbeitnehmer wird daher durch das Bundesurlaubsgesetz das Arbeiten während des Urlaubs untersagt. Eine identische Regelung findet sich auch in §11 Ziffer 11 BRTV. Dieses Verbot ist jedoch keine Verpflichtung zum Müßiggang. Mancher erholt sich vom Apothekenalltag durch leichte körperliche Arbeit. Unzulässig ist eine Erwerbstätigkeit erst ab einem gewissen Ausmaß, die Grenze ist stets im konkreten Einzelfall zu ermitteln.

Urlaubsabgeltung

Endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass der Erholungsurlaub vollständig genommen werden konnte, ist er finanziell abzugelten. Ein „Abkaufen“ des Urlaubs im laufenden Arbeitsverhältnis ist grundsätzlich nicht zulässig, denn das würde den Erholungszweck vereiteln. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer mit der Abgeltung seines Urlaubs einverstanden ist.

Dieses Verbot bezieht sich aber nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen im Jahr. Ein darüber hinaus durch eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag gewährter Mehrurlaub darf hingegen ausgezahlt werden. Ist der BRTV wegen beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis zwingend anwendbar, so darf der tariflich gewährte Mehrurlaub nur in den Grenzen der tariflichen Regeln finanziell abgegolten werden. Dort heißt es in §11 Ziffer 6 BRTV, dass bis zu drei Urlaubstage pro Jahr abgegolten werden dürfen. Der in jedem Fall zu gewährende tarifliche Mindesturlaub beträgt daher 30 Werktage im Jahr.

Jasmin Theuringer,
Rechts­anwältin, Bellinger Rechts­-
anwälte und Steuerberater,
40212 Düsseldorf,
E-Mail: theuringer@bellinger.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(12):8-8