Helmut Lehr
Die Vermietung von bebauten Grundstücken ist dem Grunde nach umsatzsteuerfrei. Unter besonderen Voraussetzungen kann jedoch auf die Umsatzsteuerfreiheit verzichtet werden (sogenannte Option1) ), um in den Genuss des Vorsteuerabzugs aus der Anschaffung, Herstellung oder Renovierung zu gelangen. In der Praxis werden insbesondere Geschäftsgrundstücke bzw. gemischt genutzte Objekte (Wohn- und Geschäftshaus) zumindest teilweise umsatzsteuerpflichtig vermietet.
Weil der Vorsteuerabzug allerdings nur vom „richtigen“ Leistungsempfänger geltend gemacht werden kann und gerade Ehegattengemeinschaften die Rechtsbeziehungen häufig nicht klar auseinanderhalten, kommt es immer wieder zu bösen Überraschungen.
Beispiel
Die Eheleute Klaus und Gaby Langwald (Grundstücksgemeinschaft) vermieten ein ihnen gemeinsam gehörendes Geschäftshaus umsatzsteuerpflichtig. Im Vorfeld dringend notwendiger Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen tritt allein Klaus Lang-wald sowohl im Baugenehmigungsverfahren als auch gegenüber Architekten und Handwerkern auf, allerdings nie ausdrücklich für die Gemeinschaft. Seine Frau hält sich in diesen Dingen völlig zurück. Infolgedessen werden sämtliche Korrespondenz- und Rechnungsunterlagen ausnahmslos an Klaus Langwald adressiert. Weil die Eheleute intern davon ausgehen, dass der Ehemann in Vollmacht für die Grundstücksgemeinschaft gehandelt hat, machen sie den Vorsteuerabzug in Höhe von rund 30.000 € als Grundstücksgemeinschaft beim Finanzamt geltend.
Falscher Leistungsempfänger
Die Finanzbehörde versagt den Vorsteuerabzug mit Hinweis auf die „falsch“ adressierten Rechnungen; immerhin sei nach außen ausschließlich der Ehemann in Erscheinung getreten. Weil aber der Ehemann als solcher gar kein Vermietungsunternehmer ist, sondern die Eheleute als Grundstücksgemeinschaft, stehe ihm ein Vorsteuerabzug nicht zu.
Hinweis: Es hilft nach Auffassung des Finanzamts auch nicht, wenn die Rechnungen nachträglich umgeschrieben, also an die Grundstücksgemeinschaft adressiert werden. Schließlich kann nur derjenige als umsatzsteuerrechtlich maßgebender Leistungsempfänger angesehen werden, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist.
Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs
In seiner Entscheidung vom 23. September 20092) hat der Bundesfinanzhof die Auffassung des Finanzamts im Ergebnis bestätigt. Danach ist grundsätzlich nur der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt – und dies ist in aller Regel der Auftraggeber. Keine Rolle spielt insoweit, wer zivilrechtlich Eigentümer der bezogenen Leistungen wird, wem die Leistung wirtschaftlich zuzuordnen ist und wer die Rechnungen bezahlt. Ist die Grundstücksgemeinschaft – wie in unserem Beispiel – durch ihre Vermietungsleistungen selbst unternehmerisch tätig, darf nach Ansicht des Bundesfinanzhofs von diesen strengen formalen Anforderungen nicht abgewichen werden.
Hinweis: Der Bundesfinanzhof hat bestätigt, dass der Vorsteuerabzug nicht durch nachträglich auf die Grundstücksgemeinschaft „umgeschriebene“ Rechnungen gerettet werden kann, weil diese in vergleichbaren Fällen insbesondere nicht Auftraggeber der Leistungen ist.
Bedeutung einer Vollmacht
In der Praxis können derartige Fehler vermieden werden, wenn der nach außen in Erscheinung tretende „Gemeinschafter“ offenkundig von der Gemeinschaft bevollmächtigt wurde und ausdrücklich für diese handelt. Dies setzt eine Offenlegung des Vertretungsverhältnisses gegenüber dem jeweiligen leistenden Unternehmer (z.B. Architekt, Bauunternehmer) voraus.
Lediglich Korrektur falscher Rechnungen
Hat der Vertreter offenkundig mit offener Vollmacht agiert, wurden die Rechnungen aber dennoch fälschlicherweise auf ihn allein ausgestellt, sind nachträgliche Rechnungsberichtigungen zulässig, weil dann lediglich ein Fehler bei der Rechnungsausstellung vorliegt. In diesen Fällen kann der Vorsteuerabzug nachträglich, also zeitverzögert, mit Eingang der ordnungsgemäßen, auf die Grundstücksgemeinschaft lautenden Rechnungen erreicht werden.
Hinweis: Für solche Fälle müssen die Beteiligten allerdings Beweisvorsorge treffen. Der Vertretene (die Gemeinschaft) sollte dann be-reits bei der Auftragsvergabe als Leistungsempfänger benannt werden („Beauftragung für die Grundstücksgemeinschaft XY…“).
Bargeschäfte des täglichen Lebens
Auf die Offenlegung der Vertretung bzw. die ausdrückliche Bevollmächtigung (sogenanntes Offenheitsprinzip) kann nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nur in Ausnahmefällen verzichtet werden. Zu diesen Ausnahmen gehören Situationen, in denen der Gegenpartei die Person des Vertragspartners gleichgül-tig ist, was bei den Bargeschäften des täglichen Lebens der Fall sein wird3). Was das genau bedeutet, zeigt die Fortführung des obigen Beispiels.
Fortführung des Beispiels: Herr Langwald kauft auch Baumaterial jeweils in geringem Umfang (Kleinbetragsrechnungen bis 150 €) im Baumarkt. Er handelt hierbei nach dem Willen der Eheleute ebenfalls für die Grundstücksgemeinschaft, jedoch ohne dies ausdrücklich offenzulegen.
Der Vorsteuerabzug für die Grundstücksgemeinschaft bleibt erhalten, da Kleinbetragsrechnungen nicht an den Leistungsempfänger adressiert sein müssen und eine Offenlegung des Vertreterverhältnisses bei Geschäften des täglichen Lebens nicht zwingend notwendig ist.
1) Vgl. §9 Umsatzsteuergesetz.
2) Aktenzeichen XI R 14/08.
3) Vgl. §164 Bürgerliches Gesetzbuch: Geschäft für den, den es angeht.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(12):18-18