Dr. Christine Ahlheim
?Welche Erwartungen haben Sie an den bevorstehenden Deutschen Apothekertag?
Der Deutsche Apothekertag ist der berufspolitische Höhepunkt eines jeden Jahres, in dessen Verlauf richtungsweisende Entscheidungen für die Zukunft des Berufsstandes getroffen werden. Zugleich ist die Veranstaltung ein großes Diskussionsforum, das Apotheker aus unterschiedlichsten „Welten“ nutzen und ihre Anliegen vorbringen. Als Stimmungsbarometer und Praxistest für bereits getroffene Entscheidungen wird München in diesem Jahr kaum anders sein als die Jahre zuvor. Man muss sich also auch auf viel Unvorhergesehenes einstellen.
Ein Jahr nach der Bundestagswahl, mit einer neuen Koalition und einem neuen Minister, werden die laufenden Gesundheitsreformen natürlich einer besonders harten inhaltlichen Prüfung unterzogen. In den Arbeitskreisen dürfen wir aber nicht vergessen, das große Ganze im Blick zu behalten. So wird im Arbeitskreis 1 die Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung vielfältig diskutiert. Im Arbeitskreis 2 geht es um den Apotheker als Zukunftsberuf in Zeiten von demografischem Wandel und gesundheitlichen Ansprüchen. Auf die politische Debatte über die patientenorientierte Arzneimittelversorgung im Arbeitskreis 3 freue ich mich natürlich auch.
?Welche Rolle werden die Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) und das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) beim Apothekertag spielen?
Um die Apothekenbetriebsordnung gab es im Sommerloch viele Diskussionen, weil offensichtlich unabgestimmte Papiere aus dem Bundesgesundheitsministerium an die Öffentlichkeit gelangt waren. Inzwischen hat sich die Aufregung wieder etwas gelegt. So stehen wir Apotheker jetzt in einem konstruktiven Dialog mit Politikern und Beamten. Aber erst wenn ein offizieller Entwurf einer neuen Apothekenbetriebsordnung vorliegt, kann man darüber öffentlich diskutieren. Der braucht jedoch Zeit, da viele Details betroffen sind. Insofern rechne ich nicht damit, dass Anfang 2011 eine neue Verordnung in Kraft tritt. Deshalb sollten wir auf dem Apothekertag nicht über Gerüchte und Vermutungen diskutieren, sondern die Fakten abwarten.
Diese Fakten gibt es beim AMNOG. Darüber müssen wir in München diskutieren. Entgegen anderslautenden Berichten sind nämlich die Apotheken ganz erheblich vom neuen Gesetz betroffen. Die geplante Umstellung der Großhandelsvergütung bedeutet de facto eine Stärkung von oligopolistischen Pharmahandelskonzernen und eine Schwächung der 21.500 heil- und freiberuflichen Apotheken.
Mit bis zu 500 Mio. € werden die Apotheken demnach belastet – das sind rund 23.000 € pro Apotheke. Hier müssen wir uns gegenüber dem Großhandel klar positionieren, der seine Belastungen eins zu eins an die Apotheken weiterleiten will. Die Politik muss verstehen, dass die Patientenversorgung gefährdet ist, wenn Handelskonzerne immer mehr Macht bekommen.
?Wie wird sich aus Ihrer Sicht das BGH-Urteil zu den Rabatten auf verschreibungspflichtige Arzneimittel auf die öffentlichen Apotheken auswirken?
Verbraucherschützer, Wettbewerbshüter und nicht zuletzt Patienten können zufrieden sein. Der Bundesgerichtshof hat ein richtiges Zeichen für mehr Rechtssicherheit bei der Anwendung der Arzneimittelpreisverordnung gegeben. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe kann nun die Auswüchse bei ausländischen Versandapotheken wieder zurechtstutzen.
Wer Menschen in Deutschland mit Arzneimitteln versorgen will, muss sich an deutsches Recht halten, sagt uns schon der gesunde Menschenverstand. Kranke Menschen kurzfristig mit ein paar Euro ködern zu wollen, kann wohl kaum das Ziel einer soliden Arzneimittelversorgung für ganz Deutschland sein.
Für die Apotheken in Deutschland bringt die BGH-Entscheidung nun die Gewissheit, dass ein Päckchen Taschentücher als Mitgabe zum verschriebenen Erkältungs- oder Grippemittel keinen Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung bedeutet. Bis zu einem Euro ist ein Bonus laut BGH erlaubt. Was weitere Details des Urteils anbelangt, so muss man wohl die schriftliche Begründung zunächst abwarten und sorgfältig analysieren.
Fest steht jedoch, dass der BGH den Wettbewerb um Qualität, Service, Leistung und Kompetenz gestärkt sehen will. Jede Apotheke ist also gut beraten, in diese Instrumente zu investieren, da sie in jedem Fall an Bedeutung gewinnen werden.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(19):3-3