Prof. Dr. Reinhard Herzog

Das Wertpapier
Die Anleihe wurde 2003 von der Munich Re Finance B.V. herausgegeben, einer Tochtergesellschaft der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG. Bei der Verzinsung sind zwei Perioden zu unterscheiden. In den ersten zehn Jahren, also bis zum 21. Juni 2013, beträgt der Zinssatz fest 6,75%. Legt man den aktuellen Kurs von 105,00% zugrunde, errechnet sich eine Jahresrendite von 4,11% für die kommenden beiden Jahre. Danach geht der Emittent zu einer variablen Verzinsung auf Basis des 3-Monats-EURIBOR über, also dem Zinssatz, der unter Banken für kurzfristige Ausleihungen mit drei Monaten Laufzeit bezahlt wird. Auf diesen Zinssatz wird ein Aufschlag von 345 Basispunkten, also 3,45 Prozentpunkten, vorgenommen. Bei einem aktuellen 3-Monats-EURIBOR von 1,44% würde die Verzinsung also 4,89% betragen. Die Zinsanpassung erfolgt dabei in vierteljährlichem Turnus. Der Vorteil: Selbst bei größeren Veränderungen der Kapitalmarktzinsen sollte der Kurs des Papiers nahe dem Nennwert (100%) notieren, denn schließlich wird die Anleihe stets marktgerecht verzinst.
Allerdings stehen dem Emittenten mehrere Kündigungsmöglichkeiten zu: Das Papier kann zum 21. Juni 2013 und an jedem danach folgenden Zinszahlungstag jeweils zum Nennwert mit einer Frist von mindestens 30 Tagen gekündigt werden. Erfolgt die Kündigung also zum 21. Juni 2013, erzielt der Anleger bis dahin die genannte Rendite, denn der Kurs wird auf 100% nachgeben. Bei späterer Kündigung bzw. Rückzahlung bei Endfälligkeit liegt die Rendite aufgrund der laufenden Anpassungen auf Marktniveau. Weiterhin hat der Emittent die – bereits genutzte Möglichkeit des vorzeitigen Rückkaufs über die Börse, sodass auch ein Eigenhandel angeboten werden kann. Schließlich bestehen die bei Anleihen durchaus üblichen Sonderkündigungsmöglichkeiten im Fall eines „Gross-up-Ereignisses“ (rechtliche Änderungen bei der Haftung des Garanten), eines „Steuer-Ereignisses“ (rechtliche Änderungen bei der Anerkennung von Zinszahlungen als abzugsfähige Betriebsausgaben) oder eines „aufsichtsrechtlichen Ereignisses“ (rechtliche Änderung bei der Anerkennung des Anleihekapitals als Eigenmittel der Gesellschaft), wobei die Rückzahlung je nach Kapitalmarktsituation zum Nennwert oder zu einem nach festgelegten Formeln angepassten Marktpreis erfolgt.
Bei dem Papier handelt es sich nicht um eine „klassische“ Anleihe, sondern um einen nachrangigen Titel, der beim Emittenten nicht als Fremdkapital, sondern als Eigenmittelersatz eingestuft wird. Für den Anleihekäufer bedeutet dies, dass er im Fall der Insolvenz des Emittenten bzw. der Münchener Rück, die für das Papier eine Garantie abgegeben hat, nicht bevorrechtigt bedient wird, sondern dass seine Forderungen mit allen anderen nicht besicherten und nachrangigen Verbindlichkeiten des Emittenten gleichgestellt sind. Er muss sich also ggf. mit einer vergleichsweise niedrigen Konkursquote begnügen oder geht im ungünstigsten Fall sogar leer aus. Darüber hinaus kann die Zinszahlung bei einem Ausfall der Dividende der Münchener Rückversicherung aufgeschoben werden oder ganz ausfallen. Vom Markt wird dieses Risiko jedoch zumindest momentan gering bewertet, erkennbar an dem nur minimalen Kursrückgang nach dem Erdbeben in Japan im März.
Der Emittent
Die Münchener Rück gilt als eine der weltgrößten Rückversicherungsgesellschaften und mit der ERGO-Versicherungsgruppe als bedeutender Erstversicherer. Die Tochtergesellschaft MEAG Munich Ergo Asset Management GmbH ist in der Vermögensverwaltung engagiert. Im Geschäftsjahr 2010 erzielte das Unternehmen ein Konzernergebnis von 2,4 Mrd. €, die Dividende wurde von 5,75 € auf 6,25 € je Aktie erhöht und das Aktienrückkaufprogramm in einer Größenordnung von 500 Mio. € fortgesetzt. Auch Anleihen wurden zurückgekauft. Das Eigenkapital lag per Ende 2010 bei 23,0 Mrd. €. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Gefahren eines Ausfalls – selbst nach dem Erdbeben in Japan – relativ gering, auch die führenden Rating-Agenturen geben dem Unternehmen hervorragende Bewertungen. Der Renditeaufschlag gegenüber z.B. Bundeswertpapieren von aktuell mehr als 3,0% deckt dieses Risiko durchaus adäquat ab.
Der Chart
Die Anleihe ist aktuell als zunächst festverzinsliches Wertpapier mit rund zwei Jahren Restlaufzeit einzustufen, sodass sich auch der Kurs analog zu vergleichbaren Titeln entwickelt. Nach einer anfänglich stabilen Phase gab die Notierung im Zuge der Finanzkrise 2007/2009 massiv nach und im März 2009 wurden „Ausverkaufspreise“ um 80% bezahlt. Mit der Stabilisierung der Wirtschaft erfolgte dann eine schnelle Erholung. Bis zum Auslaufen der Zinsfestschreibung ist damit zu rechnen, dass sich der Kurs der 100%-Marke annähert. In der Folge dürfte es aufgrund der regelmäßigen Zinsanpassungen zu keinen bedeutenden Schwankungen mehr kommen.
Gesamtmarktentwicklung
In den letzten Monaten kam es am europäischen Rentenmarkt zeitweise zu einem markanten Zinsanstieg, der die durchschnittliche Umlaufrendite von 1,8% auf über 3,0% ansteigen ließ. Entsprechend ausgeprägt waren die Kursverluste bei umlaufenden Papieren. In den kommenden Monaten ist mit einer Stabilisierung auf aktuellem Niveau zu rechnen. Kapitalmarktzinsbedingte Zinsschwankungen dürften die vorgestellte Anleihe aufgrund der vorgegebenen Eckdaten aber kaum tangieren.
Fazit
Als nachrangige Anleihe gilt dieses Papier einerseits als „Risikotitel“. Problematisch könnten insbesondere weitere große Naturkatastrophen in versicherungstechnisch gut abgedeckten Ländern sein, wobei ein schneller Verkauf der Anleihe vor möglichen Rückschlägen schützen kann. Andererseits ist die Rendite so attraktiv, dass sie sich auch bei eher konservativ ausgerichteten Strategien zur Depotbeimischung eignet. Positiv ist auch die vergleichsweise gute Kalkulierbarkeit zu bewerten.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(12):12-12