Wertschöpfungsmöglichkeiten für Apotheken

Drei Fragen an Prof. Dr. Dieter Benatzky


Dr. Christine Ahlheim

Prof. Dr. Dieter Benatzky ist Leiter des Instituts für Gesundheitswirtschaft in Bad Endorf und emeritierter Professor für Marketing an der Fachhochschule Rosenheim.

? Welche Wertschöpfungsmöglichkeiten sollten die öffentlichen Apotheken nutzen, um ihre wirtschaftliche Situation wieder zu verbessern?

Zunächst einmal generell: Öffentliche Apotheken haben überall dort Chancen, wo sie ihre Fachkompetenz im Rahmen der Gesundheitsvorsorge, der Therapie sowie der Nachsorge einsetzen können. Das ist ein weites Feld. Entscheidend ist es, dass die Apotheken Leistungen erbringen, welche dem Patienten einen Mehrwert in Form von subjektiver Lebensqualität und/oder Therapieförderung schenken.

Hierzu gehört zunächst die richtige Zusatzempfehlung im Handverkauf. Hinter den Zusatzempfehlungen sollten Beratungskonzepte stehen, welche die Beratungsqualität der Apotheke auf Dauer sichern. Im rezeptpflichtigen Bereich gehört das Medika­tionsmanagement zu den vordringlichen Aufgaben der Apo­theken. Hierzu zählen alle Maßnahmen zur Verhinderung von Nebenwirkungen sowie zur Verbesserung der Com­plian­ce. Naturgemäß richten sich diese Maßnahmen an multimorbide Patienten, chronisch Kranke und Ältere.

Profil gewinnen Apotheken durch die Entwicklung besonderer Kompetenzen für besondere Patienten- bzw. Kun­dengruppen. Wenn diese Kom­petenzen von den relevanten Wettbewerbern nicht geboten werden können, handelt es sich um Alleinstellungsmerkmale. Damit kann die Apotheke ihren Einzugsbereich und somit die Zahl der Patienten wesentlich erweitern. Dies kön­nen z.B. Betreuungsprogramme für chronisch Kranke, Prä­ven­ti­ons­program­me für Be­rufstätige oder Serviceangebote für Ältere sein.

Die Zunahme des Gesundheitsbewusstseins sowie die Erhöhung der Lebenserwartung führen zum Wunsch, die eigene Gesundheit vermehrt selbst zu kontrollieren bzw. überwachen zu lassen. Hierfür gibt es inzwischen viele medizinische Messinstrumente und telemedizinische Möglichkei­ten. Apotheker können dabei als Vermittler, Berater und Dienst­leister eine wichtige Rolle zugunsten der Patienten ausfüllen.

Apotheken haben die einzigartige Möglichkeit einer eigenen Herstellung. Dies kann wieder stärker genutzt werden. Ein gutes Beispiel ist die Schönheitspflege bei Problemhaut. Hier können personalisierte Cremes verbunden mit einer entsprechenden Beratung angeboten werden.

Wertschöpfungsmöglichkei­ten gibt es auch außerhalb der Apotheke, z.B. im Gesundheitsmanagement entsprechend dem Setting-Ansatz in Unternehmen, kommunalen Ver­waltungen, Schulen, Kindergärten etc.

Wenn es darum geht, die wirtschaftliche Situation zu verbessern, sollte man nach folgenden Grundsätzen hande

  • Immer nur auf das konzen­trieren, was man wirklich besser kann als andere.
  • Im Mittelpunkt muss der Patienten- bzw. Kundennutzen stehen, das Geld folgt dem Nutzen.
  • Zusatzleistungen mit Zusatznutzen kosten Geld und wer­den auch bezahlt – genau das meint die neudeutsche Formel Pay for Performance.

? Wie können sich die Apotheken auf dem Gebiet der Prävention profilieren?

Prävention dient der Steigerung der Lebensqualität sowie der Vorbeugung von Krankheitsrisiken. Die Profilierung im Bereich Prävention bindet kaufkräftige Gesunde an die Apotheke. Hierzu gehören Dienstleistungen und Produktangebote z.B. in den Bereichen Schönheit/Pflege und Ernährung/Nahrungsergänzung.

Dienstleistungen auf dem Sektor Prävention sind Vorträge in der Apotheke oder in Institutionen wie Schulen, Kindergärten, Altenheimen, Unternehmen, kommunalen Institutionen etc. Damit sichert sich der Apotheker Kompetenz und Bekanntheit. Des Weiteren bietet die profilierte Apotheke Präventions-Checks mit entsprechender Beratung an, die zu Produktempfehlungen und Hinweisen für gesunde Er­nährung, Kochkursen oder Be­wegungsprogrammen führen kann. Es gibt Apotheken, die selbst Fitnessaktionen durchführen und diese auch medien­wirksam inszenieren.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Profilbildung auf dem Gebiet der Prävention ist ein für die ganze Apotheke verbindliches Präventions-, Beratungs- und Kommunikationskonzept, welches alle Mitarbeiter verinnerlicht haben.

Prävention kann die generelle Vorsorge ohne spezifisches Ri­siko umfassen, aber auch die Vorsorge bei bestimmten Risi­ken bzw. Indikationen wie Metabolisches Syndrom, Darmkrebs, Fettstoffwechselstörungen oder Lebererkrankungen. Zu diesen Themen gibt es vom WIPIG der Bayerischen Landesapothekerkammer umfangreiche Materialien.

? Wo sehen Sie generell die Zukunft der öffentlichen Apotheken?

Es ist schwierig, in die Zukunft zu schauen. Aber eines ist sicher: Die öffentliche Apotheke hat Zukunft. Ihre Funktion in der therapeutischen Wertschöpfungskette ist unbestritten. Unsicher jedoch ist, wie viele Apotheken keine wirtschaftliche Chance mehr haben. Sicher wiederum ist, dass umsatzschwache Apotheken ohne Profil keine Chancen besitzen. Sicher ist auch, dass Apotheken in leistungsfähigen Kooperationen bessere Zukunftschancen haben.

Sicher ist aber auch, dass die Kosten für die Gesunderhaltung der Bevölkerung und somit die Krankenkassenkosten steigen. Die Kassen werden auf alle Leistungsträger weiter Druck ausüben. Unsicher ist, welche Maßnahmen sie einsetzen werden, um ihre Ziele durchzusetzen. Insbesondere ist die Frage, in welchem Maß Selektivverträge auch mit Apotheken – so wie in den USA – möglich sein werden.

Gute Zukunftsperspektiven haben die folgenden – als Extremposition gekennzeichneten – Apothekentypen:

  • Die Apotheke mit einem umfassenden Leistungs- und Produktsortiment mit einem oder mehreren klaren Profilen, die im regionalen Umfeld sowie im Internet gut vernetzt ist.
  • Die auf Rezepte fokussierte Apotheke mit einem umfassenden Medikations- und Betreuungsprogramm für unterschiedliche Patientengruppen.

Selbstverständlich gibt es hier Mischtypen und immer auch Platz für völlig andere Sonderfälle. Generell gilt jedoch: Klare Geschäftsmodelle sind Garanten für Erfolg.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(12):3-3