Helmut Lehr
Wer die Umsatzsteuer aus Eingangsrechnungen beim Finanzamt als Vorsteuer geltend machen möchte, muss von wenigen Ausnahmen abgesehen über eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes verfügen. Rechnungen, die nur elektronisch übermittelt wurden, z.B. per E-Mail oder im Rahmen eines Online-Abrufs, berechtigen derzeit in der Regel nur zum Vorsteuerabzug, wenn sie über eine elektronische Signatur verfügen und vom Empfänger entsprechend identifiziert werden können1).
Hinweis: Weil das Umsatzsteuerrecht umfangreiche Verifikationen bei elektronischen Rechnungen fordert und der Vorsteuerabzug deshalb teils mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist, haben sich elektronische Rechnungen zumindest in der mittelständischen Wirtschaft noch nicht durchgesetzt.
Steuervereinfachungsgesetz sieht Erleichterungen vor
Im Rahmen des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 sollen durch Änderung des Umsatzsteuergesetzes mit Wirkung ab dem 1. Juli 2011 die bisher auch laut Bundesfinanzministerium sehr hohen Anforderungen an die elektronische Übermittlung von Rechnungen deutlich reduziert werden. Man erwartet dadurch einen Abbau der Bürokratiekosten in Milliardenhöhe.
Hinweis: Konkret ist beabsichtigt, dass künftig Papierrechnungen und elektronische Rechnungen im Hinblick auf die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gleichbehandelt werden. Insbesondere sollen elektronische Rechnungen auch ohne elektronische Signatur zum Vorsteuerabzug berechtigen.
Neue Voraussetzungen
Papierrechnungen und elektronische Rechnungen werden künftig umsatzsteuerlich für den Vorsteuerabzug anerkannt, wenn
- die Echtheit der Herkunft,
- die Unversehrtheit des Inhalts und
- die Lesbarkeit
gewährleistet sind und die Rechnungen alle weiteren formalen Anforderungen (z.B. Angabe von Rechnungsnummer, Leistungszeitpunkt, Steuernummer) erfüllen.
Hinweis: In der Praxis herrscht derzeit Verunsicherung, weil im Entwurf des Gesetzestextes nicht eindeutig steht, wie die oben genannten Voraussetzungen erfüllt werden können.
Klarstellung durch Bundesfinanzministerium
Die Finanzverwaltung hat sich zwischenzeitlich der dringlichsten Fragen angenommen und bereits vor Inkrafttreten des Steuervereinfachungsgesetzes Stellung bezogen2). Danach gilt Folgendes:
- Die Neuregelung der elektronischen Rechnungsstellung wird technologieneutral ausgestaltet. Es wird also kein bestimmtes Übertragungsverfahren vorgeschrieben. Eine Übermittlung kann insbesondere per E-Mail (ggf. mit PDF- oder Textdateianhang), über Computer-Fax, Faxserver oder Web-Download erfolgen. Auch DE-Mail oder E-Post können künftig für die elektronische Übermittlung einer Rechnung verwendet werden.
- Verwendet der Unternehmer keine qualifizierte elektronische Signatur, hat der Rechnungsempfänger durch ein „innerbetriebliches Kontrollverfahren“ einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung zu schaffen und sicherzustellen, dass die oben genannten drei Voraussetzungen erfüllt sind. Wie das geschehen soll, muss jeder selbst festlegen.
Anforderungen an das „innerbetriebliche Kontrollverfahren“
Bereits der Begriff „innerbetriebliches Kontrollverfahren“ klingt nicht gerade nach Bürokratieabbau. Die Finanzverwaltung will jedoch offenbar schnell allen Bedenkenträgern den Wind aus den Segeln nehmen und weist darauf hin, dass hierfür keine speziellen Verfahrensweisen innerhalb eines Betriebs geschaffen werden müssen. Bereits ein entsprechend eingerichtetes Rechnungswesen kann als geeignetes Kontrollverfahren dienen, das die Zuordnung der Rechnung zur empfangenen Leistung ermöglicht.
Hinweis: In kleinen Unternehmen, die über kein kaufmännisches Rechnungswesen verfügen (z.B. Apotheken), können ebenfalls „innerbetriebliche Kontrollverfahren“ angewendet werden. In der einfachsten Form kann dies laut Bundesfinanzministerium z.B. durch einen manuellen Abgleich der Rechnung mit der Bestellung und ggf. dem Lieferschein geschehen. Das ist ein Vorgang, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung ohnehin immer erfolgen sollte.
Elektronische Aufbewahrung
Unternehmer müssen unbedingt beachten, dass sie die elektronisch empfangenen Rechnungen auch dauerhaft elektronisch aufbewahren und die Rechnungen auf dem Datenträger jederzeit lesbar gemacht werden können. Es reicht nicht aus, die Rechnungen auszudrucken und in Papierform aufzubewahren.
Ausblick
Es ist damit zu rechnen, dass das Gesetz im Juli verabschiedet und rückwirkend zum 1. Juli 2011 umgesetzt wird. Anschließend werden Unternehmen verstärkt dazu übergehen, elektronische Rechnungen zu versenden, um die internen Verwaltungskosten zu senken. Wer den Vorsteuerabzug aus solchen Rechnungen nicht gefährden will, sollte zeitnah mit seinem steuerlichen Berater besprechen, in welcher Weise die Anforderungen der Finanzverwaltung möglichst einfach, aber dennoch ausreichend umgesetzt werden können. Bleiben danach noch Zweifel bestehen, ist eine Abstimmung mit der Finanzverwaltung anzustreben oder hilfsweise mit dem Rechnungsaussteller bis auf Weiteres die Zusendung einer Rechnung in Papierform zu vereinbaren.
1) Vgl. AWA- Ausgabe Nr. 10 vom 15. Mai 2007, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 19.
2) Vgl. Bundesfinanzministerium vom 19. April 2011, Frage-Antwort- Katalog zur Vereinfachung der elektronischen Rechnungsstellung.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(12):18-18