Steuer-Spartipp

Einspruch gegen den Steuerbescheid: Ausgewählte Musterverfahren


Helmut Lehr

Werbungskostenabzug bei der Abgeltungssteuer

Seit 2009 unterliegen Kapitaleinkünfte in der Regel der 25%igen Abgeltungssteuer. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung besteht dennoch die Möglichkeit, durch Abgabe der vollständig ausgefüllten Anlage KAP eine Günstigerprüfung anzustoßen. Das Finanzamt vergleicht dann, ob die 25%ige Abgeltungssteuer oder der Ansatz des persönlichen Steuersatzes für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Jedoch werden seit Einführung der Abgeltungssteuer Werbungskosten, die über dem Sparerpauschbetrag liegen, generell nicht mehr berücksichtigt. Ob dies mit dem im Steuerrecht zu beachtenden „objektiven Nettoprinzip“ in Einklang steht, ist umstritten.

Hinweis: Übersteigen die Werbungskosten für Kapitaleinkünfte den Sparerpauschbetrag (801€ bzw. 1.602€ bei zusammenveran­lagten Ehegatten), sollten diese in der Einkommensteuererklärung geltend gemacht und ablehnende Bescheide offengehalten werden. Ein Klageverfahren, das auch vom Bund der Steuerzahler unterstützt wird, ist nach wie vor beim Finanzgericht Münster (Aktenzeichen 6 K 607/11 F) anhängig1) .

Steuererstattungszinsen

Der Bundesfinanzhof hat 2010 entschieden, dass vom Finanzamt gezahlte Erstattungszinsen zur Einkommensteuer nicht als Kapitaleinkünfte zu versteuern sind. Diese steuerzahlerfreundliche Rechtsprechung hat der Gesetzgeber ausgehebelt. So wurde bereits im Jahressteuergesetz 2010 „klargestellt“, dass Steuererstattungszinsen zur Einkommensteuer in allen noch nicht bestandskräftig gewordenen Fällen Kapitaleinkünfte darstellen2). Zur Frage der generellen Verfassungs­mäßigkeit der Besteuerung von Erstattungszinsen ist beim Bundesfinanzhof ein Verfahren unter dem Aktenzeichen VIII R 36/10 anhängig. Des Weiteren ist die rückwirkende Besteuerung nach dem Jahressteuergesetz 2010 höchst umstritten (Aktenzeichen des anhängigen Verfahrens: VIII R 1/11). Die Finanzverwaltung hat bereits klargestellt, dass sie Einsprüche in vergleichbaren Fällen ruhen lässt.

Hinweis: Zwischenzeitlich hat der Bundesfinanzhof hinsichtlich der im Jahressteuergesetz 2010 angeordneten Rückwirkung bereits in mindestens zwei Verfahren konkrete Zweifel geäußert (Beschlüsse vom 22. November 2011 und vom 9. Januar 2012, Aktenzeichen VIII B 190/11 und VIII B 95/11). Deshalb setzt die Finanzverwaltung bei entsprechenden Anträgen der Steuerpflichtigen sogar die Vollziehung der strittigen Steuerbeträge aus3).

Vermietungseinkünfte: Nachträgliche Schuldzinsen

Wer sich entschließt, eine bislang vermietete Immobilie selbst zu nutzen oder zu veräußern, stellt sich meist die Frage, ob die Schuldzinsen für die Finanzierung des Objekts weiterhin abzugsfähig bleiben. Nach derzei­tiger Verwaltungsansicht ist der Werbungskostenabzug für sog. nachträgliche Schuldzinsen nur dann weiter möglich, wenn mit dem zugrunde liegenden Darlehen ursprünglich sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen (z.B. Dachsanierung, Heizungs­erneuerung) bezahlt wurden. Wurden hingegen Anschaffungs- oder Herstellungskosten finanziert, ist ein Werbungskostenabzug nach Aufgabe der Vermie­tungsabsicht nicht mehr möglich.

Hinweis: Auch wenn diese Sichtweise nach neuerer Rechtsprechung fraglich erscheint4), hält die Finanzverwaltung an ihrer Auffassung fest5). Da nach wie vor ein entsprechendes Musterverfahren vor dem Bundes­finanzhof anhängig ist (Akten­zeichen IX R 67/10), sollten einschlägige Fälle offengehalten werden. Es muss auch entschieden werden, ob die Kosten für den nachträglichen Ausbau eines Öltanks noch den Werbungskosten für die Vermietungszeit zuzurechnen sind, wenn der Käufer des Objekts den Ausbau vom vormaligen Eigentümer/Vermieter verlangt (Aktenzeichen des anhängigen Revisionsverfahrens: IX R 16/11).

Krankheitskosten: Zumutbare Belastung umstritten

Obwohl Krankheitskosten dem Grunde nach typische außergewöhnliche Belastungen darstellen, wirken sie sich in der Praxis sehr oft gar nicht steuermindernd aus. Schuld daran ist die Berücksichtigung der sog. zumutbaren Belastungsgrenze, die sich nach Einkommen, Familienstand und Anzahl der Kinder staffelt. Es werden daher nur diejenigen (allgemeinen) außergewöhnlichen Belastungen tatsächlich angesetzt, die die zumut­bare Belastung übersteigen.

Hinweis: Das Niedersächsische Finanzgericht hält die zumutbare Belastung zwar für verfassungsgemäß6), dennoch sind weitere Klageverfahren anhängig, z.B. beim Hessischen Finanzgericht (Aktenzeichen 13 K 1936/11) und beim Sächsischen Finanzgericht (Aktenzeichen 1 K 764/11). Das wohl bekannteste Verfahren in dieser Sache beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 4 K 1970/10) soll dem Vernehmen nach zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden worden sein. Es ist aber davon auszugehen, dass sich alsbald die obersten Gerichte mit der Thematik befassen werden. Die Finanzverwaltung wird entsprechende Einsprüche daher mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin ruhen lassen.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(15):18-18