Prof. Dr. Reinhard Herzog
Mehrere Verlustverrechnungstöpfe
Doch längst nicht jede Kapitalanlage ist erfolgreich, vielmehr wird manches Investment mit negativem Ergebnis abgeschlossen. Und dieser Verlust ist steuerlich relevant. Banken und Sparkassen führen zur Berechnung der Abgeltungssteuer für jeden Kunden mindestens zwei Verlustverrechnungstöpfe, in denen die Gewinne und Verluste aller Kapitalanlagen erfasst und fortlaufend innerhalb der jeweiligen Töpfe gegeneinander saldiert werden:
- Im Verlustverrechnungstopf Aktien werden alle Veräußerungsverluste aus Aktiengeschäften erfasst. Bei einem anschließenden Aktiengewinn wird bis zur Höhe dieses Verlustes keine Kapitalertragsteuer einbehalten. Die Verrechnung erfolgt ausschließlich beim Verkauf von Aktien, die ab dem 1. Januar 2009 angeschafft wurden.
- Im allgemeinen Verlustverrechnungstopf werden alle Verluste aus anderen Wertpapiergeschäften, z.B. gezahlte Stückzinsen, Kursverluste beim Anleiheverkauf usw., zusammengefasst. Bei anschließenden Erträgen wird bis zum Ausgleich dieser Verluste im allgemeinen Verlustverrechnungstopf keine Abgeltungssteuer erhoben. Nicht verrechnete Verluste aus diesem Verlustverrechnungstopf können mit Gewinnen aus dem Aktien-Verlustverrechnungstopf verrechnet werden. Aktienverluste dürfen hingegen nur mit Aktiengewinnen, nicht jedoch mit anderen Kapitalerträgen verrechnet werden.
Wurden zunächst Gewinne erzielt und kommt es dann zu einem Verlust, wird das depotführende Institut unmittelbar nach der Abrechnung einen Ausgleich vornehmen, d.h., der Anleger bekommt bereits bezahlte Abgeltungssteuer zurückerstattet. Zum Jahreswechsel werden beide Verlustverrechnungstöpfe in das Folgejahr übertragen. Allerdings ist eine solche Fortschreibung realisierter Verluste nicht immer vorteilhaft: Hat der Anleger z.B. bei einer Bank Verluste realisiert und bei einer anderen Bank Gewinne erzielt, kann er bis 15. Dezember eines jeden Jahres bei seiner Bank eine Verlustbescheinigung beantragen und so die beiden Salden im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung verrechnen lassen. In diesem Fall werden die Verlustverrechnungstöpfe zum Jahreswechsel auf Null gestellt, der Anleger erhält ggf. zuviel gezahlte Abgeltungssteuer vom Finanzamt zurückerstattet.
Problematisch ist die weitgehend automatische Verrechnung von Gewinnen und Verlusten jedoch in Hinblick auf die bis 2008 realisierten und vom Finanzamt dokumentierten Altverluste aus Spekulationsgeschäften. Diese können zwar mit Kursgewinnen z.B. aus Aktien, festverzinslichen Wertpapieren oder Fondsanteilen (nicht jedoch z.B. mit Zinserträgen) verrechnet werden. Jedoch hat die interne Verrechnung während des laufenden Jahres Vorrang, sodass Altverluste nur für den verbleibenden Saldo aus Gewinnen und Verlusten genutzt werden können. Und da die meisten Anleger derzeit auch immer wieder mit ihren Kapitalanlagen Verluste erzielen, bleibt zur Verrechnung der Altverluste wenig Spielraum.
Und nun kommt der Zeitfaktor ins Spiel: Bei Einführung der Abgeltungssteuer wurde die „Gültigkeit“ eines ausgewiesenen Altverlustvortrags auf den 31. Dezember 2013 befristet. Ab 2014 kann er nur noch mit Gewinnen aus privaten Veräußerungen verrechnet werden, z.B. aus dem Verkauf einer privaten Immobilie innerhalb von zehn Jahren. Die bisher mögliche Berücksichtigung bei der Abgeltungssteuer entfällt hingegen ersatzlos.
Jedoch gibt es Möglichkeiten, Altverluste steuerlich noch in diesem Jahr zu nutzen. Bekannt ist hier z.B. die sog. Stückzinsstrategie. Dabei erwirbt der Anleger hochverzinste Wertpapiere mit hohen aufgelaufenen Stückzinsen. Diese werden von der Bank automatisch mit anderen Kapitalerträgen wie etwa Zinseinnahmen saldiert. Beim Verkauf vor der nächsten Zinsfälligkeit errechnet sich der steuerliche Kursgewinn aber aus der Differenz vom reinen Kaufpreis (ohne Stückzinsen) und dem erzielten Verkaufspreis inklusive der bis dahin aufgelaufenen Stückzinsen. Dieser Veräußerungsgewinn kann – wenn das Finanzamt die Transaktionen anerkennt und der Gewinn mit keinen anderweitigen Verlusten verrechnet wird – grundsätzlich mit den ausgewiesenen Altverlusten verrechnet werden.
Damit sind jedoch mehrere Probleme verbunden: Zum einen entstehen durch die beiden Transaktionen nicht unerhebliche Spesen in Form der Bankgebühren und des Spreads, also der Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskurs. Zum anderen ist nicht jedes festverzinsliche Wertpapier jederzeit problemlos handelbar, was zu Problemen bei der Terminierung bzw. der Liquidität führen kann. Im Übrigen erfordern solche Transaktionen in Zeiten niedriger Zinsen einen hohen Kapitaleinsatz.
Gewinne auslagern
Eine elegantere Lösung stellt die Eröffnung eines zweiten Depots bei einer anderen Bank dar. Dorthin werden zunächst alle Positionen übertragen, die einen hohen Kursgewinn aufweisen. Im nächsten Schritt werden diese Positionen veräußert. Da bei der neuen Bank bis dahin noch keine steuerlichen Verluste gespeichert sind, wird aus dem Gewinn die Abgeltungssteuer in voller Höhe einbehalten und in der zu beantragenden Jahressteuerbescheinigung entsprechend ausgewiesen.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung kann der Anleger nun die Gewinne aus diesem Depot mit den Altverlusten verrechnen lassen. Die gezahlte Abgeltungssteuer wird rückerstattet. Im bisherigen Depot bleiben indes alle Positionen, die sich im Minus befinden, da der negative Saldo in die Folgejahre vorgetragen wird. Wichtig ist lediglich, dass im neuen Depot keine Verluste produziert werden, denn dies würde letztlich die Anrechnungsmöglichkeit der Altverluste reduzieren bzw. vereiteln. Im Gegensatz zur Stückzinsstrategie entstehen hier allenfalls geringe Kosten in einer Größenordnung von unter 10€ für einen Wechsel der Depotbank.
Allerdings muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass es einige Tage bis Wochen dauern kann, bis die Wertpapiere und die für die Berechnung der Abgeltungssteuer notwendigen Daten in vollem Umfang bei der Empfängerbank zur Verfügung stehen, sodass entsprechende Transaktionen rechtzeitig vor Jahreswechsel vorgenommen werden sollten. Im Übrigen ist auch der Aufwand – von der Auswahl der entsprechenden Papiere über die Übertragung bis hin zur Deklaration in der Steuererklärung – nicht zu unterschätzen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(10):15-15