Übersteigerte Forderungen

Grenzen setzen bei Kunden und Mitarbeitern


Ute Jürgens

Haben Sie einmal mehr zu viele Aufgaben übernommen, einen größeren Rabatt gewährt als beabsichtigt und hat Ihr Pflichtgefühl, es allen recht machen zu wollen, wieder einmal die Oberhand gewonnen? Die eigenen Grenzen spüren und sich verdeutlichen fällt oft schwer.

Folgen durchspielen

Schon bei den Planungen, die Erleichterungen für andere betreffen, bezieht man daher besser von vornherein die Konsequenzen mit ein: „Wenn auch ich dieses OTC-Präparat 10% billiger verkaufe und mit dem Mitbewerber mitziehe, wie viele Packungen muss ich monatlich mehr verkaufen, um auf denselben Gewinn wie beim ursprünglichen Preis zu kommen? Ist das ganz einfach machbar oder braucht es große Anstrengung und Aufwand wie Extrawerbung, die Zeit und Geld kostet?“ Oder: „Wenn ich einer Mitarbeiterin in einer bestimmten Situation Urlaub gewähre, wird eine andere das auch für sich einfordern; bin ich dann in einer schwierigen Lage oder kann ich ohne Weiteres damit umgehen?“

In der Realität zieht jede unserer Entscheidungen eine andere nach sich. Gewähren Sie einmal einem bestimmten Kunden Rabatt irgendeiner Art, wird er dies beim nächsten Kauf wieder erwarten. Jetzt ist es womöglich schwieriger, seine Forderung abschlägig zu behandeln; das entsteht aus der ursprünglichen Handlung. Es wird nie gelingen, es allen 100% recht zu machen, die oberste Leitlinie heißt daher: „Immer zum Wohl des Betriebs“ – das schließt alle Mit­arbeiter ein, sie sind Teil des Betriebs und profitieren auch von vordergründig unpopulären Entscheidungen.

Ist es immer nötig, sich zu rechtfertigen, wenn Sie den Forde­rungen Ihres Gesprächspartners nicht nachgeben? Sicher nicht. Es ist Ihr Betrieb und Sie dürfen so entscheiden, wie Sie es für richtig halten. Hilfreich ist es, sich genau vorzustellen, wie man sich das nächste Mal in einer typischen Situation verhalten will, sich im Voraus Standardantworten zurechtzulegen und sich gar nicht erst auf eine zeitraubende Diskussion einzulassen. Erst wenn man eine klare Meinung hat, kann man diese deutlich und ohne zu zögern vertreten. Das Gegenüber spürt, dass es keine Chancen mehr hat, einen umzustimmen. Meistens unterbleiben dann auch entsprechende Ver­suche.

Es ist völlig normal und legitim, dass Ihr Gegenüber das Beste für sich erreichen will. Das ist menschlich, umgekehrt geht es Ihnen genauso. Der Pharmaberater möchte Ihnen ein möglichst großes Paket an Produkten verkaufen, der Kunde achtet auf die Preise, die Mitarbeiter erwarten z.B. ein Entgegenkommen bei Gehaltswünschen oder bei den Kosten für die Fortbildung.

Oft hat Ihr Gesprächspartner sich auch genau überlegt, welches Verhalten seinerseits Sie zu der gewünschten Reaktion bringt. Beobachten Sie die Vorzeichen beim Gegenüber und bei sich: Wie wird der Versuch oder der Akt des Überredens eingeleitet? Was kann Ihnen als Vorwarnung dienen? Nehmen Sie wahr, welche Gedanken Ihnen durch den Kopf gehen und was Sie fühlen, bevor Sie einmal mehr zu schnell nachgeben. Vollenden Sie Sätze wie: „Immer dann, wenn ..., bin ich schon kurz vorm Einwilligen.“

Überlegen Sie zudem: Wie stellen Sie selbst es an, wenn Sie jemanden zu etwas bringen wollen, zu dem er nicht freude­strahlend und sofort einwilligt? Die Antwort gibt weitere Hinweise, damit Sie auch bei anderen entsprechendes Verhalten frühzeitig erkennen.

Wie ist Ihre Einstellung zum Bittsteller oder Fordernden? Hat ein Vertreter Sie schon oft überredet statt überzeugt? Dann nehmen Sie sich bereits bei der Besuchs­ankündigung vor, dass das dieses Mal nicht passiert, und malen sich ein Symbol auf Ihre Checkliste für das Gespräch mit ihm. Ist eine bestimmte Mit­arbeiterin in der letzten Zeit besonders erfolgreich und positiv aufgefallen? Wenn sie eine Bitte hat, geben Sie vielleicht hier bewusst nach, sagen ihr aber auch warum und dass es eine Aus­nahme bleibt.

Notfalls einen Schlussstrich ziehen

Grenzen setzen wir nicht nur bei Wünschen und Forderungen anderer Menschen oder beim Blick auf die eigene Kraft. Besonders schwierig wird es, wenn Sie von sich aus einer untrag­baren Situation ein Ende bereiten müssen. Alkoholkranke Mitarbeiter oder Co-Abhängige, psychisch Erkrankte oder Mitar­beiter im Burn-out sind Beispiele für Überforderungen, denen man Einhalt gebieten sollte. Diese Menschen sind oft nicht dauerhaft, sondern nur zeitweise krankgeschrieben. Sind sie am Arbeitsplatz, gelingt es ihnen mehr schlecht als recht, die normale Leistung zu erbringen.

Hier ist ein Gespräch gefordert, in dem Sie klarstellen, dass die Betroffenen sich professionelle Hilfe suchen müssen, es geht nicht, dass Sie als Leiter jahrelang ein Gehalt zahlen, für das keine entsprechende Gegenleistung erbracht wird. Die Nebenwirkungen einer derartigen Situation: Die übrigen Angestellten müssen die Arbeit des Erkrankten mit übernehmen, ihn dauernd kontrollieren und Fehler ausgleichen. Wenn man schweigend über das Ganze hinwegsieht, verkehrt sich eine ursprünglich gut gemeinte Hilfe ins Gegenteil. Sinn und Zweck professioneller Hilfe werden nicht erkannt und als unnötig abgelehnt.

Zum Setzen von Grenzen gehört auch die Frage, wieweit Sie sich selbst mit Ihrer Apotheke identifizieren. Ist alles, was für den Betrieb gut ist, auch automatisch für Sie persönlich förderlich? Wo kommt die Überforderung ins Spiel, das Einsetzen von zu viel Kraft, die zwar zunächst das Unternehmen stärkt, aber nach einiger Zeit Sie selbst so schwächt, dass Sie den Überblick verlieren und damit Ihrer Apotheke am Ende schaden?

Für eine Änderung der Ge­wohnheiten braucht man Konzentration und Entscheidungs­fähigkeit. Auch wenn man mehrere Anläufe benötigt, sollte man sich nicht entmutigen lassen. Scheitern können und das Scheitern erwarten sind jedoch zwei verschiedene Dinge. Wenn Sie es erwarten, ist es schon passiert.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(12):9-9