Versicherungen

Profite für den Vermittler


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Ob Kranken-, Lebens- oder Haftpflichtversicherung – deutsche Haushalte sind mit Versicherungspolicen mehr als hinreichend versorgt. Dennoch versuchen clevere Vermittler immer wieder, mit einer sogenannten Umdeckung zu neuen Abschlussprovisionen zu gelangen.

„Katastrophale Fehlberatung“

Als Alternative zur „Vorgesetzten-Masche“ nutzen manche Vermittler auch das schlechte Image, das die „Versicherungsbranche“ in Deutschland – nicht ganz zu Unrecht – immer noch hat: Der neue Anbieter offeriert die kostenlose Prüfung des beste­henden Versicherungsschutzes, stellt eine „katastrophale Fehlberatung“ durch seinen Vorgänger fest und empfiehlt seine Dienste als „einzig sinnvolle Lösung“. Bestehende Verträge sollen gekündigt werden, gleichzeitig erfolgt der Neuabschluss ähnlicher Policen. Und da das Wort „Kündigung“ negative Assoziationen auslösen kann, wird von „Um­gestaltung“, „Umdeckung“ oder „Überarbeitung“ des Versicherungsbestands gesprochen.

Eine weitere Masche treibt diese Methode auf die Spitze: Für die Analyse des Versicherungsbestands wird ein Honorar von meist 100€ bis 300€ verlangt, das bei Vertragsabschluss vollständig zurückerstattet werden soll. Die Folge: Mehr noch als bei der kostenlosen Variante ist der Kunde bereit, auf die Vorschläge des neuen Vermittlers einzugehen, denn er will ja „sein Geld zurück“.

Tatsächlich entpuppt sich diese „Neugestaltung“ jedoch regelmäßig als Kündigung der bisherigen Verträge, verbunden mit dem Abschluss neuer, oft noch wesentlich kundenunfreundlicherer Policen. Um dem Versicherten diese Umdeckung attraktiv scheinen zu lassen, verspricht der Vermittler, persönlich bei der Versicherungsgesellschaft eine großzügige „Abfindung“ aushandeln zu wollen – wobei er den Kunden bewusst nicht darüber aufklärt, dass die Gesellschaft z.B. bei einer Kapitallebensversicherung ohnehin zur Zahlung des Rückkaufswertes verpflichtet ist.

Für den Vermittler rechnet sich ein solches Geschäft auf jeden Fall: Er erhält aus dem neuen Vertrag eine Provision, die sich bei einer Lebensversicherung auf bis zu 4,0% der Versicherungssumme belaufen kann. Aber auch der Vermittler der bisherigen Police wird kaum geschädigt: Da eine solche Umdeckung meist erst dann erfolgt, wenn die Provisionszahlung in vollem Umfang durch die Prämien des Kunden abgedeckt ist, muss er selten Nachteile in Kauf nehmen. Bezahlen muss diese Provisionen letztlich allein der Kunde: Aus dem bisherigen Vertrag erhält er nur den in den ersten Jahren ex­trem niedrigen Rückkaufswert – wobei er ohnehin nicht kontrollieren kann, ob und wie erfolgreich sich der neue Vermittler bei der Gesellschaft für ihn eingesetzt hat. Der neue Vertrag wiederum ist erneut mit hohen Anfangskosten belastet.

Policenbestand von Zeit zu Zeit überprüfen

Sicher ist es sinnvoll, bestehende Versicherungen in regelmäßigem Turnus dahingehend zu überprüfen, ob sie die in sie gesetzten Erwartungen weiterhin erfüllen und ob sie überhaupt noch er­forderlich sind. Oftmals kann es auch vorteilhaft sein, den Ver­sicherer oder nur den Tarif zu wechseln. Interessant ist ein Umsteigen aber nur dann, wenn der neue Vertrag – etwa aufgrund einer reformierten Tarifstruktur – eine wesentlich höhere Rendite oder andere Vorteile erwarten lässt als die bestehende Police. In jedem Fall müssen die Pluspunkte größer sein als die Nachteile, die mit dem Wechsel verbunden sind.

Bei entsprechenden Vergleichen sollte man besonders darauf achten, dass die Produkte auch tatsächlich vergleichbar sind: Eine private Rentenversicherung bietet zwar eine höhere Rendite als eine Kapitallebensversicherung, eignet sich jedoch nur sehr eingeschränkt zur Absicherung der Familie bei Tod des Versicherten. Wird also ein entsprechender Wechsel vorgeschlagen und ist eine Familienabsicherung weiterhin erforderlich, wird zusätzlich eine Risikolebensversicherung benötigt – die wiederum Geld kostet und den Umstieg damit meist unrentabel macht. Eine fondsgebundene Lebensversiche­rung kann – zumindest nach den Musterrechnungen der Gesellschaften – durchaus einen zweistelligen Ertrag bringen, jedoch gibt es dafür im Gegensatz zur Kapitallebensversicherung keine Garantien. Entscheidend ist hier allein die Börsenentwicklung zum Ende der Vertragslaufzeit. Die Vermittler legen ihren Beispielen allerdings ausschließlich günstige Börsenjahre zugrunde, sodass die Vorteile auf den ersten Blick zu überwiegen scheinen. Jeder Kunde muss sich aber bewusst sein, dass Renditerechnun­gen bei einer Fondspolice extrem stichtagsabhängig sind und schon morgen oder erst recht in einigen Jahren anders ausfallen können.

Alternativen zur Kündigung

Entscheidet man sich für einen Umstieg, sollte man sich über Alternativen zur Kündigung bestehender Verträge beraten lassen. Oft kann es sinnvoll sein, den Vertrag mit herabgesetzter Versicherungssumme und entsprechend niedrigeren Prämien fortzuführen. Möglich ist es meist aber auch, den bestehenden Vertrag bis zur ursprünglich vereinbarten Fälligkeit ruhen zu lassen. In diesem Fall wird das erreichte Guthaben weiter verzinst, sodass zumindest die Verluste aus den ersten Vertragsjahren reduziert werden.

Aber auch bei einer – seltener angebotenen – Umdeckung anderer Versicherungsarten sollte man vorsichtig agieren: Bei einer privaten Haftpflichtversicherung oder einer Kfz-Versicherung kann die Umdeckung – einen zumindest gleichen Leistungsumfang vorausgesetzt – im Sinne einer Prämiensenkung zwar sinnvoll sein und erhebliche Kosten sparen. Bei einer privaten Krankenversicherung ist hingegen nicht zwingend gewährleistet, dass die mit den bisher gezahlten Prämien gebildete Altersrückstellung in den neuen Vertrag übernommen wird. Vielmehr wird die neue Police oftmals als Neuabschluss behandelt – mit allen Nachteilen durch das höhere Eintrittsalter und einen möglicherweise verschlechterten Gesundheitszustand. Dass eine solche Police dennoch vielfach optisch preiswerter erscheint, liegt meist an den Nebenbedingungen: Erfolgt die Umdeckung aus einem Vollkostentarif z.B. in einen Tarif, in dem nur 80% aller Arztkosten von der Versicherungsgesellschaft übernommen werden, fällt es der Assekuranz leicht, niedrigere Beiträge anzubieten.

Andererseits kann ein Vertragswechsel gerade in der privaten Krankenversicherung in bestimmten Fällen auch durchaus interessant sein: Bringt eine Versicherungsgesellschaft einen neuen Tarif auf den Markt, wird der bisherige Tarif meist „geschlossen“. Die Folge: Junge, gesunde Menschen versichern sich nach dem neuen Tarif, im bisherigen Tarif sind nur noch ältere Menschen versichert – mit höherem Kostenrisiko. Entsprechend muss beim Alt-Tarif mit über­proportionalen Prämiensteigerungen gerechnet werden, die Versicherte nur mit einem rechtzeitigen Wechsel in den aktuell angebotenen Versicherungstarif vermeiden können. Hier ist es zweifellos vorteilhaft, den Tarif unter Beibehaltung des Ver­si­cherers – und damit meist der an­gesparten Altersrückstellungen – zu wechseln.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(12):15-15