Jasmin Theuringer
Beispiel: Apothekenleiter A beschäftigt eine Approbierte in Vollzeit, die anfallenden Nacht- und Notdienste nehmen beide jeweils im Wechsel wahr. Nachdem das Arbeitsverhältnis mehrere Jahre ungetrübt verlief, erklärt die Approbierte nun, ihr Arzt habe ihr Nachtarbeit verboten. A kündigt daraufhin das Arbeitsverhältnis, da er der Meinung ist, seine Approbierte sei vertraglich zur Übernahme der hälftigen Nachtdienste verpflichtet.
Auch wenn das Bundesarbeitsgericht der Krankenschwester Recht gegeben und den Arbeitgeber verpflichtet hat, sie tagsüber einzuteilen, kann dieses Urteil nicht ohne Weiteres auf jede Apotheke übertragen werden. Es sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgericht hatte zu entscheiden, ob die Krankenschwester arbeitsunfähig erkrankt oder weiter zu beschäftigen sei. Die Klinik war der Auffassung, die Arbeitnehmerin sei tariflich verpflichtet, auch Nachtschichten zu übernehmen, könne sie dies nicht mehr, sei sie arbeitsunfähig. Das sahen die Richter anders: Schließlich sei die Arbeitnehmerin nach wie vor in der Lage, sämtliche Tätigkeiten einer Krankenschwester zu erfüllen. Daher müsse die Klinik sie weiterbeschäftigen, bei der Einteilung auf die gesundheitlichen Einschränkungen Rücksicht nehmen und die Arbeitsbedingungen der Krankheit anpassen.
Auch wenn das Urteil sicherlich eine Richtung vorgibt, so ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem betreffenden Arbeitgeber um eine Klinik mit mehr als 2.000 Arbeitsplätzen handelte. In Betrieben dieser Größenordnung ist eine solche Anpassung ohne größere Schwierigkeiten umzusetzen.
Auch im Beispielsfall wird A zunächst versuchen müssen, seinen Apothekenbetrieb so zu organisieren, dass er seine Approbierte für Notdienste an Samstagen oder Sonntagen tagsüber einsetzt, denn auch seine Approbierte ist nicht arbeitsunfähig erkrankt im Sinne des Arbeitsrechts. Erst wenn er dringend auf eine Vertretung auch für die Nachtdienste angewiesen ist und diese anderweitig nicht organisieren kann, wird er unter Umständen das Arbeitsverhältnis beenden können, um einen anderen Apotheker einzustellen.
Variante: Bei der Approbierten im Beispielsfall handelt es sich um eine geringfügig Beschäftigte, die ausschließlich die in der Apotheke anfallenden Nachtdienste übernehmen sollte.
In diesem Fall gehört ausschließlich die Wahrnehmung der Nachtdienste zu der vertraglich geschuldeten Tätigkeit. Kann die Approbierte diese krankheitsbedingt nicht mehr wahrnehmen, so ist sie arbeitsunfähig erkrankt und nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Ob ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist, hängt also stets von zwei Faktoren ab, nämlich einmal von der Feststellung, dass eine Erkrankung vorliegt und zum Zweiten, dass aufgrund dieser Erkrankung die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann.
Soweit es sich um eine dauerhafte Unmöglichkeit der Arbeitsleistung handelt und keine andere Beschäftigungsmöglichkeit für die Approbierte besteht, wird A das Arbeitsverhältnis kündigen können.
Schwangere Mitarbeiterinnen genießen besonderen Schutz
Beispiel:C beschäftigt eine Approbierte in Vollzeit. Als diese schwanger wird, setzt C sie nach wie vor für Notdienste an Samstagnachmittagen sowie abends bis 20.00 Uhr ein. Die Approbierte weigert sich, mehr als 8,5 Stunden am Tag zu arbeiten.
Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) verbietet eine Beschäftigung werdender oder stillender Mütter an Sonn- und Feiertagen sowie zwischen 20.00 und 6.00 Uhr. Die Ableistung von Notdiensten ist einer schwangeren oder stillenden Approbierten während dieser Zeiten also nicht möglich. Daraus folgt aber nicht, dass diese Mitarbeiterinnen keine Notdienste mehr übernehmen müssen bzw. dürfen.
Der Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV) definiert die Notdienstbereitschaft als die Zeit, in der die Apotheke außerhalb ihrer Öffnungszeiten notdienstbereit und entsprechend gekennzeichnet ist. Es kommt also auch auf die individuellen Öffnungszeiten der Apotheke an. Schließt eine Apotheke üblicherweise an Mittwoch- oder Samstagnachmittagen, ist die Dienstbereitschaft während dieser Zeiten als Notdienst anzusehen. Das MuSchG steht einer Beschäftigung außerhalb der Apothekenöffnungszeiten jedoch nicht entgegen. B kann seine Approbierte also während dieser Nachmittage einsetzen, ebenso wie auch eine anteilige Übernahme der Nachtdienste zwischen dem Schließen der Apotheke um 18.30 Uhr und 20.00 Uhr zulässig bleibt. Seine Approbierte kann also nicht verlangen, generell von Notdiensten ausgenommen zu werden.
Beispiel: B beschäftigt eine Approbierte im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung ausschließlich für Notdienste. Die Mitarbeiterin wird schwanger und verlangt, künftig nicht mehr für Notdienste, sondern während der allgemeinen Apothekenöffnungszeiten beschäftigt zu werden.
Das MuSchG schränkt zum Schutz von Schwangeren und Stillenden zudem die Möglichkeit des Arbeitgebers ein, Mehrarbeit anzuordnen. Mehrarbeit im Sinne des MuSchG sind Arbeitszeiten von mehr als 8,5 Stunden werktäglich bzw. von mehr als 90 Stunden in zwei Wochen. Bei der Einteilung einer schwangeren oder stillenden Mitarbeiterin sind also nicht nur die Beschäftigungsverbote an Sonn- und Feiertagen sowie in der Nacht zu beachten, sondern auch die zulässigen Höchstarbeitszeiten. Bei vollzeitbeschäftigten schwangeren bzw. stillenden Mitarbeiterinnen ist die Einteilung zu Notdiensten an Werktagen bis 20.00 Uhr zwar grundsätzlich möglich, jedoch je nach bereits abgeleisteter Arbeitszeit eingeschränkt.
Variante: C zahlt seiner Approbierten ein Gehalt von 13 % über dem Gehaltstarifvertrag. Nachdem diese aufgrund ihrer Schwangerschaft nur noch eingeschränkt zu Notdiensten herangezogen werden kann, möchte er ihr Gehalt auf das tarifliche Grundgehalt zurückführen.
Nach dem Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter sind Notdienste mit einem Gehalt, das mindestens 13% über dem Gehaltstarifvertrag liegt, finanziell abgegolten. Die mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote dürfen jedoch nicht zu einer Gehaltseinbuße der Mitarbeiterin führen. Eine Kürzung des übertariflichen Teils des Gehalts, auch wenn dieser ausdrücklich zur Abgeltung der Notdienste vereinbart wurde, kommt daher nicht in Betracht.
Es besteht für den Arbeitgeber jedoch unter Umständen die Möglichkeit, sich den für die Notdienste gezahlten Teil der Vergütung über die Umlage U2 von der Krankenkasse erstatten zu lassen. Eine entsprechende Verpflichtung der Krankenkassen ist im Aufwendungsausgleichsgesetz geregelt. Problematisch in der Abwicklung kann im Einzelfall die Darlegung sein, welcher Teil der Vergütung auf die Notdienste entfällt – insbesondere dann, wenn im Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Regelung dazu enthalten ist.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(13):10-10