Beratungs- und Verkaufsgespräch

Aller Anfang ist schwer


Andreas Kinzel

Viele Ratgeber für Beratungs- und Verkaufsgespräche legen den Schwerpunkt auf den erfolgreichen Abschluss des Gesprächs. Dieser entscheidet sich jedoch oft schon vor Beginn und zu Anfang des Gesprächs. Wie beim Flirt zählt hier häufig der erste Eindruck.

Wann entsteht der erste Eindruck?

Zunächst entsteht dieser immer bereits beim Betreten der Apotheke. Dabei entwickelt der Kunde durch viele Sinneseindrücke seine ersten Emotionen, beispielsweise durch Geruch, Einrichtung, Farben, Kittel oder „keine Uniform“. Diese können Erinnerungen an frühere Einkäufe, an andere Apotheken oder auch an ganz persönliche Erfahrungen hervorrufen. In jedem Fall steuern Emotionen das Verkaufsgespräch maßgeblich.

Um dies nachzuempfinden, lohnt es sich, einmal in einer ruhigen Minute (z.B. im Nachtdienst) ganz bewusst die Apotheke aus Sicht des Kunden zu betrachten und das ganze Ensemble auf sich wirken zu lassen. Was empfindet man dabei? Ordnung? Klare Strukturen? Ist die Apotheke in sich stimmig? In jedem Fall muss sich der Kunde schon beim Betreten wohlfühlen. Dazu tragen ein einladendes Lächeln und der erste Blickkontakt erheblich bei, auch wenn man sich dem Kunden nicht sofort zuwenden kann.

Wie kann man den ersten Kontakt positiv beeinflussen?

Beim Start ins Verkaufsgespräch ist entscheidend, Feingefühl zu entwickeln, wann und wie man den Kunden anspricht. Grundsätzlich kann das je nach Ausrichtung der Apotheke förmlich oder auch ein lockeres „Hallo“ sein. Ein zu frühes Zugehen auf den Kunden lässt ihn nicht richtig ankommen oder sich in Ruhe umsehen. Andererseits wirkt ein zu langes Warten wie Desinteresse am Kunden. Eine entsprechende Frage, z.B. „Darf ich Ihnen behilflich sein?“ oder „Möchten Sie sich erst einmal umsehen?“, kann die Situation klarstellen.

Der Apotheker sollte in jedem Fall aktiv auf den Kunden zu­gehen. Ist der direkte Weg zum Kunden durch den HV-Tisch versperrt, kann man dies durch Zuwenden mit dem Oberkörper andeuten. Eine dem Kunden ab­gewandte Position si­gnalisiert schnell einen Fluchtgedanken und wirkt unhöflich.

Ein Muss ist immer ein freundliches, aber auch echtes Lächeln. Bestenfalls hält man den Kopf dabei leicht schräg. Zusammen mit einem angedeuteten Nicken lässt man so Interesse und Anteilnahme am Gesprächspartner erkennen. Das echte Lächeln unterscheidet sich vom höflichen, indem sich die Mundwinkel nach außen und oben bewegen, nicht nur in Richtung der Ohren. Gleichzeitig heben sich beim echten Lächeln die Augenbrauen. Wenn die Augen so ein freudiges Ereignis signalisieren, sollte man den Kunden auch direkt ansehen, um das Interesse an ihm zu bekunden. Vorsicht ist geboten, wenn man anfängt, ihn zu fixieren, oder verlegen zur Seite sieht und sich z.B. hinter dem Computer „versteckt“. Wenn die Freude einmal nicht so groß sein sollte, kann man sich vorstellen, es ginge tatsächlich um einen Flirt. Letztlich ist auch hier das Ziel die „Eroberung“ des Gegenübers.

Wie kann man den Gesprächseinstieg optimieren?

Wichtig ist dabei das Auftreten von Apotheker bzw. PTA:

  • Gute Eigenschaften als Verkäufer bringen extravertierte Menschen mit. Sie zeichnen sich durch Selbst­bewusstsein, Offenheit und Geselligkeit aus. Allerdings reden sie manchmal zu viel, hören nicht richtig zu, sind zu direkt und durchsetzungsstark. Vereinfacht gesagt: zu aktiv.
  • Im Gegensatz dazu sind introvertierte Verkäufer oft schüchtern, leicht nervös und zurückhaltend beim Abschluss. Sie bringen allerdings meist eine gute Beobachtungsgabe, Feingefühl und eine angemessene Empathie mit. Diese Eigenschaften sind besonders bei der Beratung im Gesundheitswesen gefragt.
  • Eine Mischung aus beiden ist der ambivierte Typ. Idealerweise hat er eine aufrechte, selbstbewusste Körperhaltung, die aber durch eine leichte Beugung und das zur Seite legen des Kopfs Zuneigung und Sympathie si­gna­lisiert. Im Gespräch ist er offen und souverän, aber auch mitfühlend und kann gut zuhören.

Insbesondere am Gesprächsanfang kann eine erhebliche Steigerung der Sympathie durch Spiegeln von Sprache und Verhalten erreicht werden. Dies bedeutet, dass der Apotheker Verhaltensweisen und eine bestimmte Wortwahl des Kunden subtil übernimmt, wie bei einem Spiegel. Dazu muss man den Kunden gut beobachten und anschließend etwas abwarten, um dann zu beginnen, seine Verhaltensweise, Körperhaltung und Worte zu übernehmen. Ein Muss ist ein feinfühliges Verhalten von Apotheker/PTA, kein reines Imitieren oder gar Nachäffen.

Meist wird bereits zu Beginn des Gesprächs die Rollenverteilung festgelegt. Sie entsteht aus Persönlichkeit, Auftreten sowie Wortwahl und Stimmlage der beteiligten Personen. Dabei spricht man grundsätzlich von einer symmetrischen oder asymmetrischen Rollenverteilung. Bei Letzterer besteht schon am Anfang eine Hierarchie, d.h., es ist klar, wer das Gespräch lenkt. Ist der Kunde der „Bestimmer“, dehnt sich das Gespräch oft unnötig aus, läuft in eine unkontrollierbare Richtung und verliert die Beratungsfunktion. Dominiert der Apo­theker das Gespräch, werden die Bedürfnisse des Kunden nicht immer zufriedengestellt.

Der Kunde ist König, der Apotheker stellt die Weichen

Auch wenn der Kunde manchmal Hilfestellungen wünscht, sollte man ihm das Gefühl geben, der „Bestimmer“ zu sein. Man sollte ihm die endgültige Entscheidung nicht abnehmen, weder im Gesprächsverlauf noch bei der Produktauswahl. Ansonsten entstehen schnell Enttäuschungen. Anzustreben ist eine gleichberechtigte symmetrische Balance, bei der sich der Kun­de als „König“ fühlt, der Apotheker jedoch in den entscheidenden Momenten die Weichen stellt.

Fragen signalisieren dabei – anders als Aussagen – meist keine Dominanz und geben dem Kunden das Gefühl, selbst der „Bestimmer“ des Gesprächs zu sein. Beim Einstieg und auch während des aktiven Zuhörens eignen sich offene Fragen wie beispielsweise „Kann ich Ihnen behilflich sein?“. Diese ermöglichen dem Kunden, sein Anliegen offen anzusprechen und darzulegen.

Im weiteren Verlauf sollte man vermehrt geschlossene Fragen nutzen. Dabei muss der Kunde nur eine Antwort auswählen. Eine solche Frage, z.B. „Haben Sie nur Husten oder auch Halsweh?“, ermöglicht es dem Apotheker, das Gespräch abzukürzen und auf das gewünschte Ziel zu lenken. Eine Sonderform lässt nur die Antworten „Ja“ und „Nein“ zu. Dabei sollte die Frage so formuliert sein, dass der Kunde mit „Ja“ antworten kann, was ihm in der Regel leichter fällt. „Möchten Sie das Medikament kaufen?“ ist für den Gesprächsabschluss das, was „Können Sie mir Ihre Beschwerden schildern?“ für den Gesprächseinstieg ist.

Auch wenn man das Gespräch flexibel lenken muss, ist es sinnvoll, sich bereits am Anfang Ziele und Richtungsverläufe zu setzen. Dazu muss der Apotheker dem Kunden gut zuhören, die richtigen Fragen stellen sowie durch geeignete Wortwahl und Körpersprache ausreichend Sym­pathie aufbauen.

Fazit: Der Einstieg ist der „Anfang vom Ende“. Wer erfolgreich ein Beratungs- und Verkaufsgespräch führen möchte, muss sowohl seinen Umsatz als auch die Zufriedenheit des Kunden berücksichtigen. Für beides muss man den richtigen Einstieg ins Gespräch finden, der nicht unterschätzt werden darf. Die Sympathie und die Kompetenz, die am Beginn des Gesprächs vermittelt werden, begleiten die Gesprächspartner wäh­rend der gesamten Beratung und tragen damit auch wesentlich zum erfolgreichen Abschluss bei. So ist ein Verkaufsgespräch wie ein Flirt. Allerdings verkauft man hier nicht sich selbst optimal, sondern dem Kunden ein Stück Gesundheit.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(14):9-9