Helmut Lehr
Seit 2009 unterliegen Kapitaleinkünfte grundsätzlich der Abgeltungsbesteuerung mit einem Steuersatz von 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Begleitend zur Pauschalversteuerung hat der Gesetzgeber ein umfangreiches Werbungskostenabzugsverbot für Ausgaben eingeführt, die mit den Einkünften aus Kapitalvermögen in Zusammenhang stehen. Lediglich der Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801€ bzw. 1.602€ bei zusammenveranlagten Eheleuten wird steuermindernd berücksichtigt.
Bereits bei Einführung der Neuregelung vertraten zahlreiche Steuerexperten die Auffassung, dass das Werbungskostenabzugsverbot verfassungswidrig sein könnte. Es war daher frühzeitig klar, dass die Gerichte früher oder später mit der Sache befasst werden.
Persönlicher Steuersatz unter 25%
Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat bereits mit Urteil vom 17. Dezember 20121) entschieden, dass ein Werbungskostenabzug zumindest dann möglich sein müsste, wenn der (persönliche) tarifliche Steuersatz des Kapitalanlegers unter dem Abgeltungssteuersatz liegt2). Steuerpflichtige müssten in diesen Fällen die Chance haben, im Rahmen einer „Günstigerprüfung“ die tatsächlichen Werbungskosten abzuziehen.
Hinweis: Weil die Finanzverwaltung gegen das Urteil Revision eingelegt hat, können vergleichbare Einspruchsverfahren (persönlicher Steuersatz <25%) zum Ruhen gebracht werden.
Persönlicher Steuersatz übersteigt Abgeltungssteuer
Zwischenzeitlich erreichte ein weiteres Verfahren den Bundesfinanzhof, das für Kapitalanleger von besonderer Bedeutung sein kann, deren persönliche Steuerlast über 25% liegt. In diesem Fall hatten die Kläger 2009 einen Kreditvertrag über 10 Jahre geschlossen und die bereitgestellten Mittel zum Kauf von Wertpapieren verwendet. Die Kreditzinsen machten sie in ihrer Einkommensteuererklärung erfolglos als Werbungskosten geltend. Ihr persönlicher Steuersatz lag mit ca. 27% leicht über dem Abgeltungssteuersatz. Das Finanzamt berücksichtigte lediglich den Sparer-Pauschbetrag, ebenso das Finanzgericht Thüringen3).
Hinweis: Gegen die Entscheidung wurde mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt4). Daher haben nun auch Steuerpflichtige mit einem „höheren“ persönlichen Steuersatz die Möglichkeit, Einspruch einzulegen und erfolgreich auf ein Ruhen des eigenen Verfahrens hinzuwirken, sofern ihnen nennenswerte Werbungskosten zu den Kapitaleinkünften entstanden sind.
Kein automatisierter Vorläufigkeitsvermerk
Zuletzt hat das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 10. Juni 20145) die Liste automatisierter Vorläufigkeitsvermerke aufgrund anhängiger Musterverfahren aktualisiert. Verfahren zum Werbungskostenabzugsverbot sind dort nicht aufgeführt. Das bedeutet: Bis auf Weiteres lässt sich ausreichender Rechtsschutz nur durch einen Einspruch gegen den persönlichen Einkommensteuerbescheid erreichen – Steuerpflichtige können zumindest bislang noch nicht darauf vertrauen, dass die Finanzverwaltung ihre Bescheide „automatisch“ offenhält.
1) Aktenzeichen 9 K 1637/10.
2) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 10 vom 15. Mai 2013, Seite 17.
3) Vgl. Urteil vom 9. Oktober 2013, Aktenzeichen 3 K 1035/11.
4) Aktenzeichen VIII R 18/14.
5) Aktenzeichen IV A 3 – S 0338/07/10010.
Formulierungshilfe für den Einspruch (Kurzfassung)
„Die mit Einführung der Abgeltungssteuer verbundene Abschaffung des tatsächlichen Werbungskostenabzugs im Rahmen der Besteuerung der Kapitaleinkünfte stellt meines Erachtens einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Prinzip der Folgerichtigkeit dar, der nicht durch eine zulässige Typisierung und Pauschalierung gerechtfertigt werden kann (vgl. Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 18/14).“
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(17):17-17