Karin Wahl
In der freien Wirtschaft ist der Begriff „Humankapital“ eine feste Größe. Große Firmen, bei denen der Inhaber bzw. Geschäftsführer nicht mehr alle Angestellten persönlich kennt, machen sich viele Gedanken, wie sie ihre Mitarbeiter „bei der Stange halten“ können. Sie bieten Maßnahmen, um die Belegschaft zu qualifizieren, und machen das Unternehmen durch besondere Arbeitszeitmodelle sowie soziale Einrichtungen wie Kinderbetreuung attraktiv. Für die immer weniger werdenden qualifizierten Bewerber, die sich aussuchen können, wohin sie gehen wollen, werden Angebote unterbreitet, die die Lebenswelt der „Generation Y“ berücksichtigen.
Menschen, die zur Generation Y gehören (zwischen 1977 und 1998 geboren), wollen einen Sinn in ihrer Arbeit erkennen, es soll Freude machen. Dabei sind sie aber nicht mehr bereit, durch lange Arbeitszeiten und übermäßige Überstunden ihre Familie zurückzusetzen. Das Zauberwort dafür heißt: Work Life Balance! Jeder informierte und interessierte Arbeitgeber setzt sich mit diesen geänderten Rahmenbedingungen auseinander. Wirklich jeder?
In etlichen Apotheken herrscht leider immer noch ein patriarchalisches, zuweilen sogar autoritäres Weltbild. Das ist darauf zurückzuführen, dass Apothekeninhaber zwar eine gute akademische Ausbildung haben, ihre Führungs- und Managementqualifikationen sowie kaufmännischen Kenntnisse aber oft überschaubar sind. Ein großer Schwachpunkt, um in der heutigen kommerzialisierten Welt als Dienstleister und Einzelhändler im Gesundheitswesen bestehen zu können! Dabei sehe ich zwischen Führungskräften der älteren und jüngeren Apothekergenerationen keine signifikanten Unterschiede: Es gibt gute und schlechte quer durch die Alters- und Geschlechterstruktur.
Mut für Neues!
In Apotheken, die statistisch durchschnittlich sieben Mitarbeiter beschäftigen, davon drei Viertel als pharmazeutisches Personal, wird die Notwendigkeit einer geeigneten Personalorganisation, das Angebot von abgestimmten, familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen und eine individuelle Förderung der „Talente“ häufig noch abgelehnt. Man hält sich eher an die Empfehlungen einiger Steuerberater: „Kosten runter, koste es, was es wolle!“ Dem ist dann nur der Satz „Totgespart ist auch gestorben!“ entgegenzuhalten.
Der Markt an guten und qualifizierten Apothekenmitarbeitern wird immer enger. Im ländlichen Bereich ist der Notstand offenbar besonders groß, verschärft noch durch die Schließung von PTA-Schulen. Da andere Arbeitgeber im ländlichen Bereich, die offenbar das Konzept des „Humankapitals“ praktizieren, Arbeitnehmer bekommen, scheint dies in etlichen Apotheken nicht zu funktionieren.
Warum? Manche Apotheker sind nicht willens und bereit, Neues auszuprobieren und sich selbst zu ändern. Doch wenn eine derart „heruntergewirtschaftete“ Apotheke dann womöglich in einigen Jahren zum Verkauf steht, will sie niemand mehr haben, nicht einmal als Filiale! Dabei kann man auch nur jeden davor warnen, solche Objekte einem nicht speziell ausgebildeten Filialleiter zu übertragen, denn wie soll er das Wunder vollbringen, diese Apotheke wieder zur Blüte zu bringen nach 20 Jahren Dornröschenschlaf.
Zurück zum Humankapital. Apothekenleiter sehen es inzwischen bei Beratungen ein, eine wirklich gute, aussagekräftige Kundenanalyse zu machen. Kommt man dann auf das Thema „Mitarbeitergespräch“, spürt man häufig Ablehnung: „Wir sind doch nur fünf Hansel, da kennt jeder jeden, fast alle sind langgediente Mitarbeiter, jeder weiß, was er oder sie zu tun hat.“ Ich nenne diese Haltung gerne „Feigheit vor dem Feind!“ Beispiel: Die langgediente PKA, die schon 20 Jahre da ist und den jungen Chef von Kindesbeinen an kennt, ihn noch gewohnheitsmäßig duzt, ist die echte „graue Eminenz“. Und hier beginnt das Dilemma. Söhne und Töchter von Inhabern sollten sich einige Jahre ihre Sporen in einem anderen Betrieb verdienen, nebenher sich zielorientiert qualifizieren, dann müssen sie auch kein Mitarbeitergespräch mit einer solchen PKA scheuen.
Mitarbeitergespräche – ohnehin
– sind wunderbare Führungsinstrumente, mit denen man nur gewinnen kann. Wer sie nicht bereits routinemäßig einsetzt, sollte sich natürlich auf diese Gespräche gründlich vorbereiten:
- Zuerst sollte man Personalakte und Arbeitsvertrag studieren: Hat sich da inzwischen etwas geändert? Hat das Aufgabengebiet gewechselt?
- Wie ist die aktuelle Bezahlung? Immer noch Tarif oder sogar darunter?
- Welche Fortbildungsmaßnahmen hat der Mitarbeiter auf Kosten der Apotheke oder auf eigene Rechnung absolviert?
- Wie sehen die Fehlzeiten aus?
- Gibt es noch jede Menge alten Urlaub und warum? Betriebsbedingt?
- Hatte der Mitarbeiter inzwischen z.B. 10-jähriges Jubiläum und keiner hat es gemerkt?
- Sollte man als Chef etwas zur persönlichen oder familiären Situation wissen?
- Was macht der Mitarbeiter gerne? Was sind seine Schwerpunkte?
- Was macht er überhaupt nicht gerne und warum?
- Ist er zufrieden oder nur noch da, weil es in der Nähe keinen anderen passenden Arbeitgeber gibt?
- Wie kann ich als Chef die Motivation heben?
- Wie kann ich Fähigkeiten spezifisch fördern?
Heute schon gelobt?
Und dann die Gretchenfrage, die sich jeder Chef stellen muss: „Anerkenne und lobe ich die Arbeit meines Teams?“ Oder halte ich mich an den schwäbischen Spruch: „Nicht geschimpft ist genug gelobt!“
Ein richtig ehrliches Lob freut jeden und spornt an! Chefs meinen oft, dass die Mitarbeiter nur an Geld interessiert sind – das stimmt aber nicht! Nach dem Motto „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“, kann man sein Team mit Lob bei Laune halten und auf eine sympathische Art motivieren.
Allerdings sollte eine angemessene, leistungsorientierte Bezahlung für jeden Arbeitgeber eine Selbstverständlichkeit sein. Dabei kann man zusätzlich Einzel- oder noch besser Teamprämien ausloben, um den „Teamspirit“ – wie wir jüngst bei der Fußballweltmeisterschaft erlebt haben – zu befeuern.
Wollen Sie Mitarbeitergespräche künftig als Führungsinstrument nutzen, sollten Sie dies bei der nächsten Teamsitzung im Rahmen des QMS ankündigen. Da beide Seiten dieses Instrument noch nicht kennen und beide natürlich vor Neuem Angst haben, sollten Sie klarstellen, dass dies weder ein Tribunal noch ein Verhör werden wird. Sie können das Team auch bitten, dass jeder sich zu ausgewählten Sachverhalten der obigen Aufzählung schon einmal Gedanken macht.
Am besten blockt man für die Gespräche jeweils eine halbe bis eine Stunde, damit man nicht gestört wird. Bei größeren Apothekenteams kann man die Gespräche mit den Stellvertretern oder Filialleitern beim ersten Mal in einen Restaurantbesuch einbetten, um die Wertschätzung der Person zu signalisieren. Selbst wenn auch unangenehme Themen zur Sprache kommen sollten, ist der Rahmen eines schönen Restaurants gut für das Niveau der Aussprache.
Im Verlauf der Mitarbeitergespräche können selbstverständlich auch Zielvereinbarungen getroffen werden, bis wann was umgesetzt sein soll. Festgehalten werden diese in einer Gesprächsnotiz, die beide Parteien unterschreiben.
Ein Mitarbeitergespräch, besonders das erste, sollte nicht gleich zum Kritikgespräch ausarten, bei dem man dem Mitarbeiter allzu offen die Meinung sagt. Das vergiftet die Atmosphäre und führt dazu, dass weitere Gespräche unter keinem guten Stern stehen. Das heißt aber nicht, dass man nicht etwas „anmerken“ darf.
Apotheker, die Mitarbeitergespräche nach fairen Spielregeln eingeführt haben, sind erstaunt, wie positiv sich das auf die Motivation des Einzelnen und das Betriebsklima als Ganzes auswirkt. Nur Mut, wagen Sie den ersten Schritt!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(17):10-10