Claudia Mittmeyer
AWA: Wie können Apotheker erreichen, dass Kunden auf den Besuch ihrer Apotheke keinesfalls verzichten?
Meyer: Zunächst müssen Apotheker ihrerseits das Verständnis dafür entwickeln, dass Kundenbeziehungen essenzielle Vermögenswerte innerhalb ihres Unternehmens sind. Das sich daraus entwickelnde Wertschöpfungspotenzial über die gesamte Kundenbeziehung hinweg, ist einer der wesentlichen Differenzierungsfaktoren gegenüber Wettbewerbern. Damit dies erfolgreich gelingt und Kunden langfristig an ihre Apotheke gebunden werden, müssen der Service innerhalb sowie „rund um die Apotheke“ und eine individuelle Kundenbetreuung als die zentralen Erfolgsfaktoren verstanden werden.
Dem Kunden muss bei jeder Interaktion mit der Apotheke ein überlegener Kundennutzen zuteilwerden, der ihn dazu bewegt, genau jene Apotheke erneut zu besuchen. Dies impliziert neben hoher Qualität und Wertigkeit der angebotenen Produkte eine exzellente Betreuung und Beratung, die es dem Kunden ermöglicht, Vertrauen gegenüber der Apotheke aufzubauen.
Die Erlebnisse innerhalb der Apotheke sollten aus Kundensicht einzigartig und begeisternd sein, damit sich an diese Erlebnisse erinnert wird. Darüber hinaus ist es von substanzieller Bedeutung, dass sich Image und Vision der Apotheke in allen Berührungspunkten mit dem Kunden wiederfinden. So gelingt eine eindeutige Positionierung und Profilierung gegenüber dem Wettbewerb.
AWA: Auf welchem Weg können Apotheker jüngere – in der Regel meist gesunde – Menschen frühzeitig an ihre Apotheke binden?
Meyer: Die Ansprache der jüngeren Generation, wie sie die Generation Y (aktuell 18- bis 35-Jährige) darstellt, gestaltet sich für viele Unternehmen anspruchsvoll. Da diese Kundengruppe hohe Erwartungen und ein geringeres Maß an Loyalität gegenüber Unternehmen aufweist, ist deren Wechselbereitschaft erhöht und die Bindung der Kunden besonders schwierig. Kerncharakteristika dieser Generation sind eine hohe Technologie-Affinität, eine gesunde Lebensweise sowie die Forderung nach hoher Lebensqualität (inklusive einer adäquaten Work-Life-Balance). Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist es sinnvoll, dieser Kundengruppe mobile Applikationen (Apps) für Smartphones und andere Mobile Devices zur Verfügung zu stellen. Dies trifft den Geist dieser und zukünftiger Generationen, spart dem „ständig gehetzten Kunden“ Zeit und liefert ihm einen Zusatznutzen, den er womöglich mit Kundentreue honoriert. Hierbei sind u.a. Fitness-Apps, Cardio-Apps sowie Apps für eine gesunde Ernährung empfehlenswert, da diese die generationsspezifischen Anforderungen bedienen.
Des Weiteren sollte das Sortiment der Apotheke nicht nur die „klassischen“ Apotheken-Produkte enthalten. Da der Generation Y die Themen Beauty und Wellness sehr wichtig sind, sollte das Sortiment entsprechende Pflegeprodukte sowie „Wohlfühl-Produkte“enthalten; u.a. auch alternative medizinische Produkte aus beispielsweise anderen Kulturen (z.B. eine „Asian Corner“ mit Salben, Ölen etc. aus Asien).
Damit dem Kunden deutlich wird, dass die Apotheke mehr als nur ein Point of Sale ist, ist es notwendig, Serviceangebote weiter auszubauen, indem z.B. Vorträgezu den Themen Gesundheit, Fitness, Stressabbau etc. regelmäßig in den Apotheken stattfinden. Diese Events haben das Potenzial, bestehende Kunden zu binden und neue Kunden zu gewinnen.
Zusammenfassend ist es also die Aufgabe der Apotheke von morgen, ein modernes, integriertes Gesundheits-, Beauty- und Wellnesszentrum zu werden, das dem (jungen) Kunden ermöglicht, gemeinsam mit der Apotheke das eigene Wohlbefinden zu erhöhen.
AWA: Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Marketingmaßnahmen, auf die keine Apotheke verzichten kann?
Meyer: Wie bereits erwähnt, beruhen die Erfolgsfaktoren der Apotheke von morgen auf dem bereitgestellten Service, der individuellen Kundenbetreuung sowie einer leichten Modifikation des Sortiments. Spezifische Top-/Kundenprogramme (z.B. für Diabetiker) sind ein absolutes Muss. Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der Services mit Fokus auf einer umfassenden Kundenorientierung werden für die gesamte Belegschaft benötigt, da die Mitarbeiter die maßgebliche Rolle in der Bereitstellung der Services spielen und jede Kundeninteraktion einen Teil zum Kundenerlebnis beiträgt.
Im Bereich des Produktsortiments können Produktbündelungen, wie z.B. „Urban Essentials Kits“ oder „Wellness Kits“ (Kombinationen unterschiedlicher Produkte und Services zu einem „Wohlfühl-Paket“) Erfolg versprechend sein. Um das holistische Serviceangebot der Apotheken umsetzen zu können, sowohl technisch als auch inhaltlich, ist es sinnvoll, Kooperationen mit anderen professionellen Dienstleistern einzugehen. So ist es denkbar, eine Zusammenarbeit mit einem Start-up-Unternehmen aus dem Bereich der IT anzustreben, um eine zeitgemäße App zu entwickeln, oder eine Kooperation mit Ärzten einzugehen, die im Rahmen von Gastvorträgen oder „Sprechstunden in der Apotheke“ das Serviceangebot aus Kundensicht erweitern.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Apotheken besonders ihre angebotenen Services als zentrales Element zur erfolgreichen Profilierung auf dem Markt begreifen müssen und darüber hinaus ihr Produktportfolio stärker auf den Wohlfühlfaktor (Steigerung des Wohlbefindens) ausrichten. So können die Kunden von morgen begeistert und zu treuen Kunden transformiert werden.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(19):3-3