Helmut Lehr
Zinseinnahmen aus Darlehensverhältnissen unterliegen seit 2009 grundsätzlich der 25%igen Abgeltungssteuer. Davon profitieren insbesondere Steuerpflichtige mit einem deutlich höheren persönlichen Steuersatz. Um einem „Missbrauch“ entgegenzuwirken, kommt der günstige Abgeltungssteuertarif allerdings nicht zum Ansatz, wenn Gläubiger und Schuldner der Zinsen einander nahestehende Personen sind, soweit die Zinsen beim Schuldner als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgesetzt werden können1).
Hinweis: Die Finanzverwaltung legte den Begriff „nahestehende Personen“ bislang sehr weit aus und versteuerte Zinserträge unter nahen Angehörigen bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen mit dem (regelmäßig höheren) persönlichen Steuersatz des Darlehensgebers2).
Steuerzahlerfreundliche Grundsatzentscheidungen
Der Bundesfinanzhof hat sich nun in mehreren Entscheidungen auf die Seite der klagenden Darlehensgeber gestellt und betont, dass nahe Angehörige nicht automatisch „nahestehende Personen“ im Sinne der obigen Regelung zum Ausschluss des Abgeltungssteuersatzes sind3). Geklagt hatten u.a. Steuerpflichtige, die ihren volljährigen Enkeln bzw. ihrer Ehefrau und ihren Kindern Darlehen für die Anschaffung von Mietobjekten gewährt hatten.
Ein Näheverhältnis, das zum Ausschluss der günstigen Abgeltungsbesteuerung führt, liegt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nur vor, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden kann oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen besteht.
Hinweis: Es ist für die Anwendung des regulären Steuertarifs nicht ausreichend, wenn lediglich ein aus der Familienzugehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse an dem Darlehensverhältnis vorliegt.
Steuerliches Gesamtergebnis kann optimiert werden
Der Bundesfinanzhof hat in seinen Urteilsbegründungen ausdrücklich betont, dass die neuen Rechtsprechungsgrundsätze auch dann gelten, wenn aufgrund des Steuersatzgefälles die Entlastung des Darlehensnehmers durch den Schuldzinsenabzug höher ist als die steuerliche Belastung des Darlehensgebers (25%ige Abgeltungssteuer) und sich somit ein Gesamtbelastungsvorteil ergibt. Er ist sich also durchaus bewusst, dass seine Entscheidungen innerhalb einer Familie gezielt zur Verbesserung der steuerlichen Gesamtsituation genutzt werden können.
Die gezielte Darlehensgewährung an Familienangehörige kann sich auch deshalb anbieten, weil aktuell keine nennenswerten Verzinsungen auf herkömmliche Spareinlagen erreichbar sind.
Nebenbei hat der Bundesfinanzhof in den Streitfällen klargestellt, dass die Darlehen nach den Maßstäben des Fremdvergleichs anzuerkennen und der Besteuerung zugrunde zu legen sind, obwohl sie nicht besichert waren und Vereinbarungen über eine Vorfälligkeitsentschädigung fehlten.
Hinweis: Sind die an nahe Angehörige gezahlten Zinsen (=Schuldzinsen) nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar, weil sie beispielsweise in Zusammenhang mit der Finanzierung eines selbst genutzten Wohnhauses stehen, kommt die Abgeltungsbesteuerung unstreitig zur Anwendung!
1) Vgl. § 32d Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a Einkommensteuergesetz.
2) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 23 vom 1. Dezember 2013, Seite 17.
3) Vgl. Urteile vom 29. April 2014, Aktenzeichen VIII R 9/13, VIII R 44/13, VIII R 35/13.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(23):17-17