Warenbewirtschaftung

Automatisierung in der Apotheke


Karin Wahl

Die Warenbewirtschaftung ist die zentrale Aufgabe für den reibungslosen Ablauf der Abverkäufe in der Offizin. Nur das, was als Artikel da ist, wird auch verkauft. Ein Kommissionierautomat kann hier unterstützen und optimieren, weil er die Einlagerung routiniert übernimmt.

Als Maschine ist ein Kommissionierautomat naturgemäß jedoch nur so gut wie die Menschen, die ihn bedienen. Denn ganz ohne Mensch geht es auch bei dieser Automatisierung nicht.

Die Warenannahme und das mehrmalige tägliche Wegpacken der vielen Arzneimittelschachteln gehören in keiner Apotheke zur Lieblingsbeschäftigung der Mitarbeiter. Im Handverkauf ist das fehlerfreie Zusammensuchen der vielen Rabattarzneimittel aus den Ziehschränken für den Bediener eine Herausforderung. Nicht selten kommen zu Stoßzeiten multimorbide Patienten mit drei bis vier Rezepten mit je drei Medikamenten in die Apotheke. Alles muss einzeln eingegeben werden, um das Rabattarzneimittel für die spezifische Krankenkasse zu ermitteln. Dabei kommt es immer wieder vor, dass kein einziges Präparat identisch mit den verordneten Präparaten ist, sondern Präparate anderer Hersteller abzugeben sind.

Immer mehr Apotheken arbeiten mit immer weniger Stammpersonal, was in Zeiten von Grippeepidemien, die auch vor dem Personal nicht haltmachen, die Lage noch verschärft. Aushilfskräfte sind dann oft mit der komplexen Bearbeitung und Belieferung der Rezepte fast überfordert. Denn ist die bereits schwierige Auswahl der Präparate gelungen, die häufig noch dadurch erschwert wird, dass das Rabattmedikament gar nicht lieferbar ist und man eine adäquate Substitution braucht, kommt dann der schwierige Part, diverse Präparate aus dem Generalalphabet zusammenzutragen. Manche Kassensysteme haben eine Art „Packzettel“ als Hilfe, bei anderen muss der Bediener die Arzneimittel konzentriert zusammensuchen.

Finanzielle Überlegungen

Somit liegt der Gedanke nahe, sich mit der Anschaffung eines Automaten zu befassen. Wie bei allen Investitionen kommt auch hier zuerst die Analyse. Kann ich die Investition finanziell tätigen? Die Investitionskosten allein für den Automaten liegen je nach Größe und Ausstattung zwischen 70.000 € und 125.000 €. Folgekosten für Handwerker und eventuelle Umbauten sind separat anzusetzen.

In einen Automaten passen als Anhaltspunkt ca. 9.000 bis 17.000 Artikel. Also sollten die in der Apotheke geführten Packungszahlen ermittelt werden. Die Kernidee zum Automaten war, dass man die vielen Einserpositionen und die wenig gebrauchten Artikel platzsparend unterbringt. Manche Kollegen sind aber so fasziniert von den Möglichkeiten ihres Automaten, der zusätzlich noch über einen Kühlbereich verfügt, dass sie darin alles einlagern – inklusive ihrer Vesperbox.

Da die Arzneimittel im Automaten platzsparend nach dem „Chaosprinzip“ eingelagert werden und der Automat viel weniger Platzbedarf hat als die üblichen Ziehschränke, kann man die gewonnene Fläche in der Apotheke für andere Aufgaben nutzen. Einschränkend muss man aber sagen, dass nicht alles in den Automaten gepackt werden sollte. Besonders schwere Flaschen und sperrige Packungen werden nach wie vor in Regalen oder Schubschränken gelagert. Ebenso sollten in Standardapotheken die Sichtwahlartikel nicht unbedingt sofort durch Attrappen oder Folienwände ersetzt und alles im Automaten verstaut werden. Was in der Fußgängerzone einer Großstadt oder einer Flughafenapotheke gut funktioniert, kann in einer Stadtrand- oder Landapotheke beim Publikum auf Befremden stoßen. Manches lässt sich ja auch sukzessive etablieren.

Die Standortfrage

Ist die finanzielle Seite geklärt, muss nach dem besten Standort für den Automaten gesucht werden. Ist der Quadratmeter-Mietpreis sehr hoch, wird der Kommissionierer einen Platz im Unter- oder Obergeschoss finden müssen. Über Transportbänder kommt die Ware dann an die jeweilige Ausgabestelle hinter der Kasse, die den Artikel angefordert hat. Somit entfällt das zeitaufwendige Zusammensuchen der Packungen, da der Automat jeden angeforderten Artikel zeitnah anliefert. Die Zeiteinsparung lässt sich dann für die Kommunikation mit dem Kunden nutzen. Dabei ist es von großem Vorteil, wenn man über kontaktfreudige und kommunikative Mitarbeiter verfügt. Denn wenn in Stoßzeiten alle Kassen ausgelastet sind und zudem noch die Einlagerung der frisch angelieferten Ware stattfindet, muss der Greifarm Höchstleistung erbringen und die Anlieferzeit an den Ausgabeschacht kann sich verlängern. Diese Zeit muss überbrückt werden.

Das Personal muss sehr diszipliniert arbeiten, da nicht verkaufte Ware, die der Kunde nur einmal anschauen wollte, umgehend wieder in den Automaten einzulagern ist. Denn sonst kann es zu Verwirrung im System kommen: Ein Bestand ist zwar vermerkt, der Artikel kann aber nicht ausgelagert werden, da im Automaten kein Bestand mehr ist. Ebenso müssen vor dem Einlagern der Artikel die Packungen dahingehend geprüft werden, ob sie auch automatentauglich sind oder ob sie nur in einem separaten Karton verpackt eingelagert werden dürfen. Beispiele dafür: Glas- oder Plastikflaschen ohne Umkarton, in dünnes Cellophan verpackte Bündelpackungen, die leicht aufgehen können, beschädigte Packungen usw.

Das prüfende Auge und der wache Verstand der Mitarbeiter wird also weiter gebraucht werden. Immer wieder versprochene Einsparungen beim Personal und somit bei den Personalkosten als Gegenrechnung zu den Anschaffungskosten sind kritisch zu hinterfragen, wenn der Personalbestand bereits reduziert wurde.

Der richtige Zeitpunkt

Ebenso sollte sehr gut überlegt werden, in welcher Jahreszeit man die Umstellung plant. Am besten lässt sich diese durchführen, wenn keine Hochsaison und der Übervorrat an z.B. Erkältungspräparaten abgebaut ist. Denn die Herkulesarbeit liegt in der Einlagerung der geplanten Packungen, die auf jeden Fall ein- bis zweimal in die Hand genommen werden müssen. Parallel dazu sollten dann die frei gewordenen Ziehschränke abgebaut und entsorgt oder anderweitig im Unternehmen aufgebaut werden. Der Aufbau des Automaten durch die Firmenmonteure ist mit ca. einer Woche anzusetzen. Dabei sollte die Fläche, auf die der Automat aufgebaut wird, bereits vorher freigeräumt worden sein.

Die gute Vorplanung und Vorarbeit erspart später Zeit, Arbeit, Stress und Nerven aller Beteiligten. Ebenso sollte schon im Vorfeld mit dem EDV-Anbieter die zeitliche Anbindung an das System besprochen werden, damit der Lagerort „Automat“ für die Einlagerung angelegt ist. Zudem ist die gründliche Schulung des Teams in kleinen Gruppen Voraussetzung für die spätere reibungslose Arbeit. Ob man Kühlartikel ebenfalls einlagern will oder ob man beim separaten Kühlschrank bleibt, ist apothekenintern zu klären und auch eine Frage des finanziellen Aufwands. Bei Apotheken mit einem hohen OTC-Anteil und Stoßzeiten hat es sich bewährt, eine gut bestückte Sichtwahl zu behalten. Denn wenn der Artikel direkt hinter dem Bediener steht, ist dieser allemal schneller als der Automat.

In der Regel laufen die Automaten bei guter Pflege und überlegter Bestückung reibungslos. In Leerlaufzeiten organisiert sich der Automat so um, dass die eingelagerten Artikel platzsparend gelagert werden. Sollte ein Fehler auftreten, der den Automaten zum Stillstand bringt, kann der gesuchte Artikel im Notfall über ein Koordinatensystem manuell ausgelagert werden. Jedoch ist so ein Stillstand in der Rushhour mit vielen Rezepten eine belastende Situation für Personal und Kunden, denn die Wartezeiten werden dann lang. Deshalb ist noch einmal zu betonen, dass menschliches Versagen in Form von Einlagerung ungeeigneter Packungen „bei Strafe“ vermieden werden muss und fast eine Sabotage des Systems darstellt!

Der Automat kann eine große Hilfe bei Platz-, Zeit- und Organisationsproblemen sein, er ersetzt jedoch nicht fehlenden Sachverstand, Disziplin und Umsicht. Alle Waren im Automaten können und müssen über Listen bestens verwaltet werden, wie z.B. die permanente Inventur, um Fehlbestände zu ermitteln. Ist das Projekt gut geplant und der Bedarf tatsächlich vorhanden, kann der Automat aber zu einem guten „Mitarbeiter“ werden.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(07):9-9