Wertpapierkauf auf Kredit

Spekulationen ohne Netz


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Angesichts der niedrigen Zinsen spielt der „Wertpapierkauf auf Kredit“ eine immer wichtigere Rolle. Insbesondere bei Kunden mit Immobilienbesitz refinanzieren Banken und Sparkassen das Depot bereits für unter 2,5% Jahreszins. Unterschätzt werden dabei jedoch die Risiken.

Verlockend sind die Unterschiede allemal: In Südafrika erzielen Anleger derzeit rund 7,5% Rendite, in Ungarn oder Polen bis zu 3,75% und in Mexiko bis zu 5,5%. Selbst US-Dollar-Anlagen bringen mit durchschnittlich 2,5% wieder eine ansehnliche Verzinsung – die zumindest in den vergangenen Monaten mit erheblichen Währungsgewinnen „vergoldet“ wurde. Dem steht ein nach wie vor niedriger Zins in Euroland gegenüber. Wer sein Depot ohne weitere Sicherheiten refinanziert, wird zwar immer noch mit mehr als 6,5% zur Kasse gebeten. Mit einer freien Grundschuld in der Hinterhand lassen sich jedoch Immobilienkreditkonditionen erreichen, die oft weit unter 2,5% liegen.

Hebelwirkung bei deutschen Aktien

Immer mehr Anleger setzen daher jetzt auf die Fremdfinanzierung der Geldanlage. Die Rechnung kann durchaus aufgehen. Wer etwa vor vier Jahren 100.000€ in ein DAX-ähnlich aufgebautes Depot investierte, erzielte einen Ertrag von rund 67.000€. Nahm er gleichzeitig die doppelte Summe als Darlehen auf und legte dies ebenfalls an, erhöhte sich der Ertrag auf 201.000€. Dem stand bei einem angenommenen – hohen – Zinssatz von 6,5% ein Zinsaufwand von 57.200€ gegenüber, sodass aus den ursprünglich investierten 100.000€ stolze 243.800 € geworden sind.

Nicht ganz so ertragreich, aber immer noch rentabel war der fremdfinanzierte Kauf von Rentenwerten. So können sich Anleger, die zu Jahresbeginn 2014 für 100.000€ südafrikanische Anleihen erwarben, über einen Zuwachs von 28% freuen. Wer hier das Geschäft mit einer Finanzierung verband, konnte noch deutlich mehr erzielen: Legt man wiederum eine Fremdfinanzierung im Verhältnis 1:2 zugrunde, ist das Depot nach Abzug aller Kosten mit rund 60.000€ oder 60% im Plus. Ähnliches funktionierte zuletzt auch mit dem US-Dollar, der sich gegenüber dem Euro deutlich stabilisieren konnte.

Kleines, aber nicht unbedeutendes Problem dabei: Niemand garantiert für eine solche Entwicklung. Ebenso wie der Kurs der Fremdwährungsanlage rasant steigen kann, muss eine entsprechende Talfahrt mit einkalkuliert werden. Und dann wirkt sich der Hebel der Fremdfinanzierung entsprechend negativ aus, wie der Vergleich zwischen klassischer Geldanlage und refinanzierter Anlage zeigt: Fällt der Wert des Anlageprodukts z.B. um 40% zurück, büßt der „klassische“ Anleger bei einer 100.000-€-Investition „nur“ 40.000€ ein, d.h. sein Depot hat noch einen Wert von 60.000€. Hat er indes das Doppelte an Kredit aufgenommen und somit 300.000€ investiert, beträgt der Depotwert beim gleichen Verlust nur noch 180.000€. Dem stehen zum einen die aufgenommenen Fremdmittel von 200.000€, zum anderen aber auch die zwischenzeitlich aufgelaufenen Finanzierungszinsen gegenüber. Per saldo hat der Anleger also nicht nur sein Eigenkapital komplett aufgebraucht, sondern es bleiben ihm sogar noch mehr als 20.000€ Schulden.

Nicht zu unterschätzen ist auch das Bonitätsrisiko vieler Auslandsanlagen. So glänzten in den vergangenen Jahren u.a. Anleihen aus Russland und den Nachbarstaaten, aber auch aus Südamerika mit überdurchschnittlich hohen Zinsen, ebenso manche Unternehmensanleihe. Nicht selten sind jedoch Zahlungsausfälle, teilweise wurde auch nur ein Bruchteil des Nennwertes zurückgezahlt. Für den Anleger hat beides fatale Folgen: Er verliert nicht nur eigenes Geld, sondern muss auch noch das aufgenommene Darlehen voll bedienen.

Refinanzierungsgeschäfte eignen sich mithin nur für sehr erfahrene, risikofreudige Anleger bei klarer Börsensituation. In jedem Fall ist eine laufende Überwachung erforderlich, sodass bei einer ungünstigen Entwicklung des Anlageprodukts schnell gegengesteuert werden kann.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(08):12-12