Apothekenmakler

Fluch oder Segen?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Makler nehmen mit Politikern, Versicherungsvertretern und Bankern stets einen der hinteren Plätze auf der Vertrauensskala der Berufe ein. Gleichwohl kommen gerade expansions- und gründungswillige Apotheker an Maklern oft nicht vorbei – mit welchen Risiken und Chancen?

Aufgrund der bisweilen existenziellen Bedeutung – einige, gerade maklervermittelte Neugründungen sind aus verschiedensten Gründen fulminant gescheitert – werden wir uns in mehreren Beiträgen mit den diversen Facetten dieses Gewerbes auseinandersetzen. Hierbei spielen strategische Erwägungen genauso eine Rolle wie rechtliche Rahmenbedingungen sowie Fragen, wie man einen Betriebsübergang am sinnvollsten gestaltet.

Das Spektrum an „unternehmensvermittelnden Dienstleistern“ ist außerordentlich breit: Wir finden sowohl apothekenaffine bekannte Steuerberatungen als auch den „kleinen Steuerberater“ oder den Rechtsanwalt „um die Ecke“. Nicht wenige Großhandelsvertreter sind als „Feierabendmakler“ unterwegs und Unternehmensberatungen bieten neben anderen Leistungen oft auch ihre vermittelnden Dienste an.

Und dann haben wir die schwerpunktmäßig als Makler agierenden Anbieter. Einige makeln nur, andere offerieren als Standortentwickler, teils offen, teils im Verborgenen arbeitend, „Turn-Key-Projekte“, also die schlüsselfertige Erstellung inklusive der wesentlichen (keinesfalls immer kompletten) Einrichtung.

Gerade Letztere sind bei den Kollegen vor Ort gefürchtet, geht es doch oft darum, noch eine weitere neue Konkurrenzapotheke in den Markt zu drücken. Im Zuge erheblich gesunkener Neugründungszahlen und vielfach bereits besetzter Standorte (insbesondere in der Centerlandschaft und in den neuen Bundesländern) herrscht hier inzwischen eine gewisse Konjunkturflaute, während die Übergaben bestehender Betriebe nicht zuletzt demografisch bedingt zunehmen.

Die Frage ist berechtigt, wie es möglich sein kann, dass eine im Grunde hochsolide Branche ein so breites Spektrum an Anbietern aller Art anzieht, die schon den einen oder anderen Kollegen in den Ruin gestürzt haben (ehrlicherweise meist nicht ohne eigenes Zutun – Gier frisst Hirn oder aber Unbedarftheit und Naivität fordern ihren Preis...). Die Antwort findet sich im Begriff der Niederlassungsfreiheit.

Die Alternative wäre eine bedarfsorientierte Steuerung der Apothekenzahl mit einer Art „Kassenapothekerlichen Vereinigung“ – ebenfalls nicht ohne massive Risiken für die Apothekenwerte einerseits und die Niederlassungs- und Expansionsmöglichkeiten andererseits. Absehbar wird sich an der Lage also nichts ändern. Somit heißt es gerade hier, wie sonst im Leben: Augen auf oder Beutel auf, und drum prüfe, wer sich (wenn auch nur vorübergehend an einen Apotheken-Projektentwickler) bindet.

Übergabe bestehender Apotheken

Inzwischen dürften die Übergaben bestehender Betriebe die Anzahl der Neugründungen um mindestens das Dreifache übersteigen (das war vor fünf bis zehn Jahren noch ganz anders). Damit hat sich auch für Vermittler der Tätigkeitsschwerpunkt verschoben.

Im Bereich der Übergabe sind zudem klassischerweise die Steuerberater ein bevorzugter Ansprechpartner, kennen diese doch die Lage des Betriebes am besten und sollten demzufolge die fundiertesten Aussagen zum Wert, zur Verkaufbarkeit und zur Vorbereitung und Gestaltung des Verkaufsprozesses machen können.

Interessenkonflikte bleiben jedoch hier nicht aus:

  • Einerseits wird die Steuerberatung ihrem oft langjährigen Mandanten natürlich zu einem möglichst hohen, gleichwohl noch marktgerechten Verkaufserlös verhelfen wollen.
  • Andererseits wird verständlicherweise auf den Nachfolger als neuen Kunden und Mandanten geschielt.

Die fairste Lösung ist schlicht ein marktgerechter Preis, der den Wert des Unternehmens vernünftig widerspiegelt, keine Partei erheblich benachteiligt und zudem dem Nachfolger die freie Wahl seiner künftigen Berater lässt. Die Qualität, Fairness und faktenorientierte Objektivität der Beratung zeigt sich im Verkaufsprozess und ist damit die beste Werbung in eigener Sache.

Bei Maklern hingegen ist die Bindewirkung oftmals viel geringer, wobei es aber auch hier durchaus langjährige gute Geschäftsbeziehungen geben kann, beispielsweise im Zuge der Filialisierung oder bei Vorhandensein mehrerer Apotheken in der Familie. Da möchte man gerne „das Ohr am Markt“ haben. Vertrauen muss aber seitens der Vermittler, die nicht nur auf das schnelle Geschäft aus sind, hier viel härter erarbeitet werden, zumal es eben weniger positive Beispiele gibt.

Meist ist ein Festbetrag als Courtage zu entrichten, der bisweilen sogar von beiden Parteien verlangt wird. Manchmal ist es auch ein am Umsatz orientierter Prozentsatz, beispielsweise 2% oder 3%.

Selbst verkaufen als Alternative

In aller Regel bringt ein erfolgreicher Apothekenverkauf einem freien Vermittler einen mehr oder weniger hohen fünfstelligen Betrag ein. Da stellt sich natürlich für den sparsam kalkulierenden Verkäufer die Frage, ob er dieses Geld nicht zumindest zu einem erheblichen Teil selbst vereinnahmen könnte – dazu müsste er einfach nur auch selbst aktiv werden.

Professionell agierende Kollegen können durchaus selbst einen Verkauf erfolgreich betreiben, wenn sie eine Vorstellung von marktgerechten Preisen haben, ihre Apotheke zu präsentieren wissen und sich zudem in die Gepflogenheiten des (zumeist diskreten) Verkaufsgeschäfts von Betrieben einfinden. Sie möchten Ihre Apotheke ja in der Regel nicht offen auf dem Marktplatz (heute gibt es so etwas in elektronischer Form via Internet) feilbieten, wobei ein faires, sauberes und vor fachfremden Blicken geschütztes Portal durchaus etwas für sich hätte.

Tatsache ist aber: Selbst verkaufen macht Arbeit, Sie müssen ggf. Annoncen schalten, sich umhören, Ihre Verkaufsabsichten sehr bedacht in die richtigen Informationskanäle leiten, um dann eine Reihe von Anfragen (von sehr unterschiedlicher Qualität!) zu sichten und eventuell zu beantworten. Das kostet Zeit und Nerven, und um eine steuerliche und eine Rechtsberatung werden Sie vielfach trotzdem nicht herumkommen (was wieder den Steuerberatungen in die Hände spielt).

Profis werden gleichwohl diesen Weg gehen können. Wer in verschiedenen Erfa-Gruppen organisiert und sonst gut vernetzt ist, wird zudem durch „Mund-zu-Mund-Propaganda“ auf diskreten Wegen gerade für einen attraktiven Betrieb schnell einen geeigneten (da im Netzwerk bekannten) Interessenten finden. Viele der Top-Objekte gehen bekanntermaßen „unter der Hand“ weg und erfreuen sich reger Nachfrage.

Top-Apotheken auf dem freien Markt?

Damit bleibt für Kaufinteressenten auf dem „freien Markt“ oft nur der Rest, der in der Tat häufig „Rückenwind“ durch erfahrene Apotheken-Verkaufsexperten braucht. Von einer Resterampe unattraktiver bzw. problematischer Apotheken zu sprechen, wäre sicher weit übertrieben. Aber Sie sollten schon genau nach plausiblen Gründen schauen (die es für die kuriosesten Konstellationen geben kann!), warum ein „attraktiver“, „hochrentabler“ oder „stark steigerungsfähiger“ Betrieb in welcher Form von wem angeboten wird.

Hier zählt wieder die ganze Palette der Standortfaktoren und der Zukunftsperspektiven – und bisweilen tauchen Sie in die verrücktesten Biografien ein, die den Verlauf des Betriebsverkaufs erklären und manchmal auch enorme Chancen beinhalten, die sich erst auf den zweiten Blick erschließen.

Eine gesunde Portion Vorsicht und kluge Übersicht sollten Sie also bei Vermittlerfirmen walten lassen. Von vornherein allerdings Makler insbesondere bei Kaufabsichten außen vor zu lassen, ist sicher ebenfalls übertrieben. Bedenken Sie außerdem den Lerneffekt – Sie können viel Erfahrung sammeln, wenn Sie sich einfach einmal auf Gespräche einlassen und die Arten der vielen Gutachten und Exposés kennen- und kritisch beurteilen lernen. Angefragt und verhandelt ist noch nicht gekauft.

Neugründung

Etliche Vermieter, insbesondere Center- und Ärztehausbetreiber, wissen um die Schwierigkeiten, einen Standort direkt zu vermarkten. Nicht nur, dass die Suche nach geeigneten Gründungswilligen aufwendig sein kann – auch die direkten Verhandlungen mit den lieben Kollegen gestalten sich nicht selten zäh und unprofessionell. Oftmals liegen einfach Welten zwischen der durchregulierten Apothekenrealität und dem Alltag eines Centerbetreibers, der 50, 100 oder noch mehr Mietparteien „zu bändigen“ hat, darunter eben eine Apotheke.

Weiterhin wird häufig der Ausbauaufwandunterschätzt – standardmäßig erhalten Sie von professionellen Ladenvermietern einen „nackten Betonboden“. Böden, Innenwände, Sanitäreinrichtung, Schaufenster – das ist in vielen Fällen alles Ihre Sache. Ohne einen guten Architekten und Bauleiter sind Sie in der Regel „aufgeschmissen“, es sei denn, Sie haben fundierte Erfahrungen am Bau. Nur manchmal gelingt es, eine „Luxusvariante“ des Mietvertrags mit Innenausbau der unbeweglichen Einrichtung und Ausstattung durchzusetzen, sodass Sie gleich mit Ihrem beweglichen Mobiliar einziehen können.

Diese Sachlage ist u.a. der Grund dafür, weshalb etliche Vermieter sich bequemerweise an Makler wenden, die das Objekt sogar gleich anmieten (insoweit also für den Mietvertrag erst einmal geradestehen) und das Ganze dann als „Turn-Key-Projekt“ zu Ende bringen, sich also um den kompletten Ausbau kümmern. Es liegt auf der Hand, dass hier eine hübsche Marge eingerechnet und auf den dann gerne abgeschlossenen Untermietvertrag teils noch ein Mietzuschlag erhoben wird (Differenzmiete).

Der Vermieter ist damit doppelt abgesichert: Scheitert die Apotheke, steht der Makler in der Pflicht – sofern dieser seine Verträge nicht in einer eigenen GmbH „geparkt“ hat, die dann eben pleitegeht (alles schon dagewesen!). Insoweit trägt also auch der Standortentwickler ein hohes Risiko: Zum einen kann er von vornherein auf dem Objekt sitzen bleiben, weil er keinen Apotheker findet, zum anderen kann der Kollege den Betrieb an die Wand fahren.

Auch deshalb werden heute gerne Filialisten bevorzugt, denn mit einer oder mehreren starken Apotheken im Hintergrund ist das Risiko für den (Unter-)Vermieter minimiert. Andererseits ist ein fester Mietvertrag das sicherste Faustpfand des Projektentwicklers, nicht „ausgebootet“ zu werden, indem Sie als Apotheker selbst einen Vertrag mit dem Hauptvermieter abschließen (zu den rechtlichen Fallstricken, der Wirksamkeit von den meist verlangten Diskretionsvereinbarungen etc. erfahren Sie in einem eigenen Beitrag mehr).

Allerdings gibt es auch die Fälle, in denen der Hauptmietvertrag ohne Wenn und Aber durchgereicht wird und lediglich eine feste Courtage und teilweise – auch das nicht immer – ein Ihnen natürlich nicht bekannter Zuschlag auf den Einrichtungspreis erhoben werden. Bisweilen sind Sie jedoch sogar in der Wahl Ihres Inneneinrichters frei und bezahlen nur einen festen Abstand für den Standort – im Grunde die fairste Methode. Selbst wenn hier ein auf den ersten Blick hoch wirkender, deutlich fünf- oder gar sechsstelliger Betrag erscheint, kann dies trotzdem die „günstigste“ Lösung sein.

Sie sehen: Es gibt viele Varianten mit sehr unterschiedlichen Preis-Leistungs-Relationen. Wer nach vorne schaut und auf Expansion aus ist, wird jedoch nüchtern kalkulieren und sich vor allem darauf konzentrieren, ob der Standort das wert ist, was versprochen wird. Winkt tatsächlich beispielsweise eine rentable Center- oder Ärztehausapotheke der Umsatzklasse „3 Mio.€ plus x“, dann kommt es auf 100.000€ mehr oder weniger bzw. ein paar Euro Zusatzmiete je Quadratmeter nicht an, selbst wenn es einen natürlich ärgern mag, dass jemand einfach so mitverdient. Diese Summen sind nämlich in wenigen Jahren „verstoffwechselt“, und so ticken nun einmal die kapitalistischen Uhren.

Taugt ein Standort hingegen nichts, wird er nicht besser, nur weil die Miete etwas niedriger ist oder Sie die Maklercourtage sparen können. Schauen Sie also auf die (realen!) Chancen und nicht vorderhand auf die Kosten, auch wenn Ihnen natürlich das gesamte Projektvolumen nicht völlig entgleiten darf. Das Motto lautet wie so oft: „Leben und leben lassen...“

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(10):4-4