Prof. Dr. Reinhard Herzog
„Die Sterne stehen günstig“, hört man immer wieder in den Diskussionen rund um den Aktienmarkt. Doch meist ist diese Aussage eher doppeldeutig gemeint, gilt sie doch als Synonym für ein wirtschaftlich günstiges Börsenumfeld. Manche Anleger nehmen den Rat aber durchaus wörtlich: Speziell in den USA investieren immer mehr Sparer nach ihrem aktuellen Horoskop. Überzeugend klingen die Argumente der Sterne-Fans jedoch nicht, denn schließlich spielen an der Börse Faktoren wie Wirtschaftsentwicklung, fundamentale Ergebnisse und Geld die entscheidenden Rollen. Der „Aktienkauf nach Horoskop“ sollte mithin die große Ausnahme darstellen und – wenn man daran glaubt – stets durch entsprechende solide Fakten untermauert werden.
Gefahr des Verfalls
Wesentlich chancenreicher erscheinen Anlagen in „Turnaround-Kandidaten“, also in Aktien von Unternehmen, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Sie kosten oftmals nur wenige Euro und weisen nicht selten kräftige Kursschwankungen nach beiden Seiten auf. Gelingt dem Unternehmen die Wende, also der Turnaround, und werden wieder Gewinne erzielt, steht einem steilen Kursanstieg nichts im Weg.
Sparer sollten sich jedoch der Risiken bewusst sein. Wenn eine Aktie beispielsweise bei 0,30€ notiert, bedeutet dies, dass der Markt nur noch wenig Hoffnung für das Unternehmen hat. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass es alsbald den Gang in die Insolvenz ansteuern muss. Und in der Mehrzahl der Fälle wird dies über kurz oder lang zutreffen, sodass die Aktie dann nahezu wertlos wird. Die Spekulation mit Turnaround-Kandidaten ist damit nur etwas für hartgesottene Anleger, die sich des Risikos eines Totalverlusts bewusst sind. Das hier investierte Kapital sollte also in sehr überschaubarem Rahmen bleiben.
Gleiches gilt für Turnaround-Werte am Anleihemarkt. Auch hier geraten immer wieder Unternehmen, aber auch ganze Länder in Schieflage, sodass die Rückzahlung ganz oder teilweise gefährdet ist. Gerade bei Bekanntwerden negativer Meldungen zeigt der Markt oft eine Überreaktion, d.h., der Kurs fällt binnen kürzester Zeit von beispielsweise 97% auf 30% zurück. Wer dann einsteigt, kann möglicherweise ein gutes Schnäppchen machen, denn nicht selten beruhigt sich die Situation wieder und das Papier notiert bald schon erneut bei über 80%. Das Risiko liegt auch hier in der Insolvenz: Ist die Rückzahlung tatsächlich gefährdet, war selbst ein Kurs von 30% noch viel zu hoch.
Ebenfalls als exotisches Investment gilt die Spekulation um „Börsenmäntel“, also Aktien von Unternehmen, die insolvent und/oder nicht mehr aktiv tätig sind. Diese Papiere kosten meist nur wenige Cent und so genügt schon ein minimaler Kursanstieg um z.B. 0,02€, um bereits einen hohen prozentualen Gewinn einzufahren. Manche dieser Papiere werden zu wahren „Zockertiteln“, die täglich um 20, 30 oder mehr Prozent schwanken. Den größten „Reibach“ machen Anleger jedoch dann, wenn sich ein anderes Unternehmen für den Börsenmantel interessieren sollte, um sich so z.B. die Kosten des eigenen Börsengangs zu sparen oder sogar einen Verlustvortrag zu nutzen. Ist dies der Fall, wird der Aktienkurs sprunghaft steigen. Doch auch hier gibt es enorme Risiken: Kommt es zu einer Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung, muss der Anleger ggf. sehr hohe Kapitalbeträge nachschießen. Zudem droht das Damoklesschwert „Delisting“: Nimmt der Insolvenzverwalter die Aktie von der Börse, ist das Papier mangels Handelbarkeit in der Regel wertlos.
Fazit: Ob Kauf nach astrologischen Methoden oder selektive Auswahl von Pleite-Kandidaten – eine solche Anlage ist nur etwas für hartgesottene Spekulanten, die hohe Risiken durchaus in Kauf nehmen und finanziell verkraften können.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(13):14-14