Steuer-Spartipps

Aktuelle Gesetzesänderung: Rückwirkend mehr Kindergeld und höhere Freibeträge


Helmut Lehr

Der Bundesrat hat am 10. Juli 2015 dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergelds und des Kinderzuschlags zugestimmt. Damit erhöhen sich gleich mehrere Steuerfreibeträge und das Kindergeld rückwirkend zum 1. Januar 2015. Das Bundesfinanzministerium rechnet mit einer Entlastung der Steuerzahler/Familien von insgesamt mehr als 5 Mrd. €/Jahr.

Hinweis: Die Änderungen erfolgten keineswegs „freiwillig“, sondern waren nach den Vorgaben des 10. Existenzminimumberichts verfassungsrechtlich geboten!

Stufenweise Anhebung

Der Grundfreibetrag steigt um 118 € auf 8.472 € in 2015 und in 2016 um nochmals 180 € auf 8.652 €. Der Kinderfreibetrag, den jeder Elternteil erhält, erhöht sich in 2015 um 72 € auf 2.256 € und in 2016 um nochmals 48 € auf 2.304 €. Der daneben zusätzlich gewährte Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf bleibt mit 1.320 € unverändert.

Rückwirkende Anhebungen führen eigentlich zu sofortigem Änderungsbedarf bei den Lohnsteueranmeldungen. Der Gesetzgeber hat sich jedoch entschlossen, die Anhebung des Grundfreibetrags ausschließlich im Abrechnungsmonat „Dezember 2015“ zu berücksichtigen. Geänderte Programmablaufpläne zur Lohnsteuerermittlung werden nun durch die Finanzverwaltung erstellt und rechtzeitig bekanntgemacht. Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter entsprechend informieren.

Hinweis: Generell ist zu beachten, dass sich der erhöhte Kinderfreibetrag im Lohnsteuerabzugsverfahren nur auf die Zuschlagsteuern (Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) auswirkt. Erst im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erfolgt eine Vergleichsberechnung zwischen den steuerlichen Vorteilen durch Kinderfreibeträge und dem unterjährig ausgezahlten Kindergeld.

Weil das (rückwirkend) erhöhte Kindergeld auch tatsächlich bei den Familien bzw. Kindern ankommen und der Verwaltungsaufwand begrenzt werden soll, ist für die daraus resultierenden Nachzahlungen keine Anrechnung auf die Höhe von Sozialleistungen bzw. den Kindesunterhalt vorgesehen. Die Erhöhungsbeträge, die für die Zeit ab Januar 2016 gewährt werden, nehmen dann wieder an der Anrechnung teil.

Entlastungsbetrag für Alleinerziehende

Alleinstehende Steuerpflichtige haben Anspruch auf einen zusätzlichen Entlastungsbetrag, wenn zu ihrem Haushalt ein Kind gehört (Wohnsitzmeldung entscheidend!), für das sie Kindergeld oder den Kinderfreibetrag beanspruchen können. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende betrug bislang 1.308 € und wurde nun auf immerhin 1.908 €/Jahr angehoben. Zusätzlich wurde der Entlastungsbetrag um eine sog. Kinderkomponente ergänzt. Soll heißen: Für jedes weitere gemeldete Kind erhöht sich der Entlastungsbetrag um 240 €/Jahr. Sind also z.B. im Jahr 2015 zwei zu berücksichtigende Kinder im Haushalt des Steuerpflichtigen gemeldet, beträgt der Entlastungsbetrag 2.148 €.

Mit der vergleichsweise deutlichen Anhebung des Entlastungsbetrags honoriert und unterstützt der Gesetzgeber die eigenständige Unterhaltssicherung von Alleinerziehenden, die ohne Unterstützung eines weiteren Erwachsenen im Haushalt den Alltag organisieren müssen1).

Im Lohnsteuerabzugsverfahren wird der Entlastungsbetrag (ohne die Kinderkomponente) durch die Steuerklasse II automatisiert berücksichtigt – für 2015 allerdings erst im Abrechnungsmonat Dezember (siehe oben). Der „Kinderzuschlag“ in Höhe von 240€ kann ab sofort als zusätzlicher Freibetrag auf die Lohnsteuerkarte eingetragen, bzw. richtiger ausgedrückt als Lohnsteuerabzugsmerkmal berücksichtigt werden.

Hinweis: Wer als Selbstständiger Einkommensteuervorauszahlungen leisten muss, ist insoweit nicht an die Sonderregelungen für das Lohnsteuerabzugsverfahren gebunden. Deshalb könnte diesbezüglich „sofort“ eine Anpassung der Vorauszahlungen beantragt werden.

Neuer Unterhaltshöchstbetrag

Unterhaltsleistungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen können unter bestimmten Voraussetzungen bis zu einem Höchstbetrag von 8.354 €/Jahr als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Dieser Betrag erhöht sich nun für 2015 auf 8.472 € und ab 2016 auf 8.652 €.

Hinweis: Auch insoweit können sich Arbeitnehmer nun einen erhöhten Freibetrag als Lohnsteuerabzugsmerkmal eintragen lassen.

Abbau der kalten Progression

Als sog. kalte Progression bezeichnet man die steuerliche Mehrbelastung, die im Laufe der Zeit entsteht, wenn die Grenzwerte des (progressiven) Einkommensteuertarifs nicht an die Preissteigerungsrate angepasst werden. Der Gesetzgeber hat jetzt reagiert und will dem entgegenwirken. Deshalb wird der Einkommensteuertarif ab 2016 neu gefasst. Neben dem erhöhten Grundfreibetrag werden die Tarifeckwerte um die kumulierte Inflationsrate 2014 und 2015 (1,482 %) „nach rechts verschoben“.

Hinweis: Nach Aussage des Bundesfinanzministeriums2) wird damit die in den Jahren 2014 und 2015 entstandene kalte Progression vollständig abgebaut.

1) Vgl. Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums Nr. 26 vom 10. Juli 2015.

2) Vgl. Pressemitteilung Nr. 26 vom 10. Juli 2015.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(15):18-18