Prof. Dr. Reinhard Herzog
Selbst wenn für Griechenland wieder etwas Zeit gekauft wurde, läuft es bei Weitem nicht nur rund in der Welt. Zudem sind die Bewertungen von allem, was attraktiv und zukunftsträchtig erscheint, recht hoch, ob Immobilien oder Qualitätsaktien. Bei Letzteren beobachten wir vielfach seit einiger Zeit eine Stagnation der Kurse auf hohem Niveau. Bei Immobilien wachsen die Bäume ebenfalls nicht in den Himmel. Und Anleihen wird auf dem jetzigen Niveau niemand anfassen, zumindest niemand, der eine solide, sorgenfreie Langfristanlage sucht, um die er sich dann nicht mehr kümmern muss.
Hexenkessel Asien?
Bei all dem Euro-Hype wird zudem übersehen, dass sich am anderen Ende der Welt möglicherweise ein viel größerer Sturm zusammenbraut. Die Rede ist von Asien, speziell China, gefolgt von Japan. Bei rund 10Billionen US-Dollar jährlicher chinesischer Wirtschaftsleistung macht bereits 1%-Punkt mehr oder weniger Wachstum satte 100 Mrd.$ aus – das ist die Größenordnung des 3. Griechenland-Rettungspaketes. Japan, mitnichten wirtschaftlich dauerhaft genesen und fast 5 Bio.$ Wirtschaftsleistung schwer, ist hier ebenfalls adressiert. Eine Krise in Asien – siehe die jüngsten Turbulenzen an den China-Börsen – lässt unsere politischen „Homestorys“ in Europa geradezu zwergenhaft erscheinen. Indes ist unsere Exportindustrie sehr wohl tangiert.
All dies legt momentan eher eine defensiv-abwartende Haltung bei neuen Kapitalanlagen nahe. Gleichwohl lohnt es, die Augen offen zu halten für die Sektoren, die zurzeit nicht auf Höchstkursen, sondern deutlich unter ihren langjährigen Niveaus notieren. Hier stechen besonders etliche Rohstoffe hervor, ein Sektor, der freilich eng mit dem Erfolg Asiens, v.a. Chinas, verbunden ist.
Platin notiert mit rund 1.000 US-$ je Feinunze so günstig wie seit fast zehn Jahren nicht mehr – vom kurzzeitigen Einbruch während der Wirtschaftskrise 2008 abgesehen. Gut ein Drittel des Platinverbrauchs hängt an der Autoindustrie, ein verlangsamtes Wachstum in China und Einbrüche in Russland drücken den Preis. Mit rund 200 Tonnen Jahresförderung (= etwa ein Zehntel von Gold, 70% kommen aus Südafrika) ist Platin rar, die reinen Produktionskosten sind höher als der derzeitige Preis. Es ist recht wahrscheinlich, dass wir auf längere Sicht wieder deutlich höhere Kurse sehen werden.
Ähnlich die Lage bei Silber (um 15 US-$ je 31,1 g), wenn auch nicht ganz so deutlich wie bei Platin. Da beim Direktkauf dieser Metalle Mehrwertsteuer anfällt, sind entsprechende Zertifikate eine mögliche Alternative zur „Hardware“. Die einzelnen Bedingungen sollten jedoch sorgfältig eingesehen werden.
Eine weitere Wette gilt der längerfristigen Entwicklung des Ölpreises sowie davon abhängiger Gesellschaften, insbesondere der Vorleistungsindustrien (z.B. Explorationsunternehmen, die teils drastisch im Wert gefallen sind). Kurzfristig dürfte Öl weiter fallen, doch wie lange noch? Zu den „Fallen Angels“ zählen zudem die lange hochgelobten „BRIC“-Länder, wobei v.a. Brasilien wieder interessant werden dürfte – auf kurze Sicht (Rohstoffe!) noch problembehaftet, langfristig jedoch mit guten Perspektiven.
Abwarten und lauern
Somit erleben wir eine Zeit der Lauerjäger. Für einige der oben genannten Geldanlagen könnte die Jagdsaison bald beginnen.
Es gibt zudem eine Anlagealternative, die in Phasen der Orientierungslosigkeit stets besonders hervorsticht: Die Investition in eigene, unternehmerische Aktivitäten. Mit Vernunft, Übersicht und Branchenkenntnis angegangen, sind hier die Renditen am höchsten, allerdings macht das auch am meisten Arbeit.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(15):16-16