Gedanken zum Jahreswechsel

Raus aus dem Hamsterrad!


Karin Wahl

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und spätestens jetzt sollte der überwiegende Teil der Apotheker sich einfach einmal einen Schritt neben sich stellen. Was gibt es da zu sehen? Oftmals einen Hamster im Rad auf Hochtouren, für den man Mitleid empfindet!

Bei Kollegenkontakten – sofern sie denn überhaupt Zeit für ein Gespräch haben – höre ich immer wieder die folgenden, sich häufig wiederholenden Aussagen:

  • Ich bin total am Anschlag.
  • Ich hechle nur der Arbeit hinterher.
  • Ich bin genervt von den Kunden, dem Personal und auch von der Familie.
  • Ich werde erdrückt von Auflagen und Bürokratie.
  • Ich habe keine Freude mehr am Beruf.
  • Ich soll etwas Neues machen? Mir reicht schon das, was ich habe!
  • Ich würde am liebsten den Schlüssel rumdrehen und diesen wegwerfen!
  • Mir wächst alles über den Kopf, ich bin ungeduldig und wahrscheinlich auch miesepetrig!
  • Ich muss noch so viel erledigen und habe wirklich keine Zeit!
  • Ich bin der Hamster im Rad!

Hier muss man rechtzeitig die Notbremse ziehen, der Burnout droht, ebenso eine Depression und schlimmstenfalls mannigfaltige Formen des Absturzes. Daher sollte man überlegen, wie man einen Weg aus dem Hamsterrad findet.

Wie kann das gehen? Manche brauchen dafür den „Schuss vor den Bug“ in Form eines Herzinfarkts, Schlaganfalls oder eben der Depression, andere lassen sich vorher aus ihrem Hamsterrad herausholen. Dabei muss jedem zuerst einmal klar gemacht werden, dass es außer dem Wort „Ja“ das noch viel schwerere Wort „Nein“ gibt. Zu einem „Nein“ gehört viel mehr Mut und Courage als zu einem „Ja“!

Ich denke, dass die letzte Dezemberwoche und besonders der Silvesterabend eine gute Gelegenheit ist, sich selbst am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Man braucht nur die richtigen Gedanken und Techniken sowie eine gute Portion Selbstliebe, um einmal im Leben für sich selbst zu kämpfen.

Apotheker haben einen helfenden Beruf, werden in der Apotheke von jung auf zu „Jasagern“ geformt, lernen Unmögliches möglich zu machen und sind im Gegensatz zu anderen Branchen relativ unpolitisch und angepasst. Gesetze und Vorgaben der Krankenkassen und der Politik werden buchstabengetreu ausgeführt. Man will keine Probleme!

Der selbstständige Apotheker lebt weiter seinen Arzneimittelfachmann und setzt darauf noch die ihm fremde Welt der Ökonomie und des Marketings samt des Wettbewerbs. Das geschieht alles häufig nur halbherzig, aber man „muss“ ja mitmachen! Aus 40 werden plötzlich 60 bis 70 Wochenstunden plus Samstagsarbeit und Nacht- und Notdienst.

Man hat zwar Personal, aber man findet nicht immer die Mitarbeiter, die man eigentlich sucht oder gerne hätte. Da Apotheker ungern delegieren, machen sie dann auch noch die Arbeit der Mitarbeiter mit und haben damit noch mehr Arbeitsstunden. Zeit für den Kunden? Diese fehlt oft, weil man sowieso schon am Anschlag ist! Und abends nach der Ausfahrt diverser Medikamente widmet man sich noch den Wünschen und Sorgen der Familie und schläft dann erschöpft vor dem Fernseher ein! Ist das das Leben, welches man sich beim begeisterten Sprung in die Selbstständigkeit vorgestellt hat?

Delegieren schafft Freiräume

Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt, sich an die eigene Nase zu fassen! Erstellen Sie eine Liste mit Dingen, die Sie im Laufe eines Tages oder einer Woche erledigen. Danach markieren Sie diejenigen Arbeiten, die auch andere nach klarer Einweisung machen könnten. Sie werden staunen, wie viele Aufgaben darunter fallen!

Dann überlegen Sie, wer im Team davon welche Tätigkeiten übernehmen könnte. Sie müssen sich selbstverständlich einmalig die Zeit nehmen, diese Person geduldig in die Aufgabe einzuführen. Anschließend machen Sie nur noch „Controlling“ und lassen sich Dinge berichten und zeigen. Mit der Zeit werden auch noch die kleinen Fehler eliminiert und der Mitarbeiter wird immer sicherer und selbstständiger.

Wenn Sie das in den verschiedenen Bereichen umgesetzt haben, werden Sie feststellen, dass Sie plötzlich Kapazitäten frei haben für die stundenweise Betreuung der treuen Stammkunden, die strategischen Überlegungen für die Zukunft der eigenen Person und des Betriebs und nicht zuletzt für die Familie.

Prioritäten setzen

Arbeiten Sie mehr mit Planung und Zeitmanagement. Erstellen Sie dabei Prioritätenlisten, die jedoch terminlich nicht zu eng geplant werden dürfen. Denn Störungen gehören zum täglichen Geschäft. Führen Sie sich immer wieder vor Augen, dass die Welt nicht untergeht, wenn Sie eine nachrangige Aufgabe erst morgen erledigen.

Wann waren Sie zuletzt ohne konkreten Anlass mit Ihrem Partner oder Ihrer Familie einmal abends zum Essen oder bei einem Konzert? Geht nicht wegen Ihrer Öffnungszeiten!? Doch, es geht, wenn Sie es nur wirklich wollen. Das ist alles eine Frage der Organisation! Keiner sollte behaupten, dass er in einem ganzen Monat niemanden findet, der abends einmal die Schließung der Apotheke übernehmen kann! Im Englischen gibt es den Spruch: „Just do it!“

Am Anfang mag es ein komisches Gefühl sein, erst einmal nachzudenken und nicht gleich auf jedes Ansinnen sofort mit „Ja“ zu antworten! Vielleicht versuchen Sie es einfach einmal mit folgender Formulierung: „Grundsätzlich sehr gerne, aber heute geht es leider nicht. Lassen Sie uns einen Termin vereinbaren!“ Sie werden staunen, wie oft das völlig problemlos geht! Das heißt nicht, dass Sie in wichtigen Notfällen nicht auch einmal eine Ausnahme machen. Aber Hand aufs Herz: Wie oft gibt es diese Notfälle, in denen es „um Leben oder Tod“ geht?

Studien haben ergeben, dass alte, oft durch Arbeit kranke Menschen auf die Frage „Was würden Sie in Ihrem Leben anders machen, wenn Sie das Rad zurückdrehen könnten?“ antworten: „Ich würde viel mehr leben!“ Dies sollte Anlass zum Nachdenken geben.

Den Neustart angehen

Nun zum bevorstehenden Jahreswechsel. Zuerst die schlechte Botschaft: Ihre Schulden bleiben! Aber es gibt auch eine gute Botschaft: Alle betriebswirtschaftlichen Zahlen fallen auf Null zurück, Sie haben also die Chance ab dem 1. Januar 2016 alles neu zu starten und zu verändern. Nichts ist in Stein gemeißelt! Lassen Sie 2015 hinter sich und machen Sie es 2016 besser. Das geht aber nicht ohne eine ehrliche, schonungslose Analyse und das Ziehen der richtigen Schlussfolgerungen für Ihr Leben!

  • Was war gut, was war weniger gut, was war schlecht?
  • Was möchte ich wieder tun, was will ich nicht mehr tun?
  • Mit wem will ich im neuen Jahr enger zusammenarbeiten, mit wem will ich weniger zu tun haben? Das gilt übrigens für den Beruf und das Private.
  • Welche Freiräume will ich für mich und meine Familie haben, die nicht verhandelbar sind?
  • Wo gibt es neue Betätigungsfelder, was wird dafür aufgegeben („Mülleimer-Strategie“)?
  • An wen werde ich was delegieren?
  • In welchen Bereichen möchte ich mal wieder etwas in mich investieren?
  • Welche Erfolgskiller habe ich in der Apotheke? Eliminieren!
  • Nehmen Sie sich vor, in Zukunft die richtigen Dinge richtig zu tun, also mehr Effizienz und mehr Effektivität!
  • Der Satz „Das haben wir immer schon so gemacht!“, wird mit einer Geldstrafe in die Kaffeekasse geahndet! Ebenso jeder Satz mit „müssen“. Anmerkung: Das einzige, was wir irgendwann „müssen“, ist sterben!
  • Suchen Sie sich ein Hobby, das nicht zu anstrengend und zeitaufwendig ist, das sich also immer realisieren lässt.
  • Machen Sie Pläne für ein „Leben nach der Apotheke“ und springen Sie nie mehr in ein Hamsterrad!

Denken Sie bei einem guten Glas Wein zum Jahreswechsel darüber nach, wie Sie beim nächsten Jahresende dastehen wollen. Formulieren Sie Ihre persönlichen und beruflichen Ziele, seien Sie konsequent und üben Sie das schwerste aller Wörter: „Nein“!

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und alles Gute für 2016!

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(24):9-9