Helmut Lehr
Buchführungspflichtige Unternehmen haben die Möglichkeit, für die Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen eine gewinnmindernde Rückstellung zu bilden. Genau genommen handelt es sich hierbei nicht nur um eine „Möglichkeit“, sondern vielmehr um eine Verpflichtung, weil insoweit eine öffentlich-rechtliche Aufbewahrungspflicht besteht1). Die Pflicht zur Passivierung besteht sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz.
Bei der Bildung dieser Rückstellung ist zu berücksichtigen, welche Unterlagen tatsächlich aufbewahrungspflichtig sind und wie lange die Aufbewahrungspflicht für einzelne Unterlagen noch besteht.
Hinweis: Zehn Jahre lang aufzubewahren sind insbesondere Jahresabschlüsse mit allen dazugehörenden Unterlagen und Buchungsbelegen. Handels- und Geschäftsbriefe, sowie sonstige Unterlagen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, müssen grundsätzlich sechs Jahre lang aufbewahrt werden. In der Regel werden solche Unterlagen freiwillig länger aufbewahrt, dann fehlt es insoweit allerdings an einer gesetzlichen Verpflichtung, sodass – streng genommen – auch insoweit eine Rückstellungsbildung nicht in Betracht kommt.
Berücksichtigungsfähige Kosten
Die Rückstellung ist mit dem Betrag zu passivieren, der nach den Preisverhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags für die Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich notwendig ist. Für die Bewertung sind die Einzelkosten und ein angemessener Anteil der Gemeinkosten heranzuziehen. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind auch anteiligeFinanzierungskosten für EDV und Archivräume zu berücksichtigen2). Eine Auflistung, welche Kosten anzusetzen sind, kann der Checkliste entnommen werden.
Verschiedene Berechnungsmethoden
Unternehmer haben die Möglichkeit, die jährlichen Kosten für die Unterlagen eines jeden aufzubewahrenden Jahres gesondert zu ermitteln. Dieser Betrag ist dann jeweils mit der Anzahl der Jahre bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu multiplizieren.
In der Praxis wird allerdings üblicherweise eine „vereinfachte“ Methode angewandt. Danach können die jährlich anfallenden Aufwendungen mit dem Faktor 5,5 (arithmetisches Mittel der Jahre eins bis zehn) multipliziert werden. Insoweit kann auch eine Unterscheidung zwischen den zehn und sechs Jahre lang aufzubewahrenden Unterlagen unterbleiben3).
Hinweis: Die Aufwendungen für das Einscannen, die Einlagerung und Datensicherung fallen nur einmal an und sind deshalb nicht zu vervielfältigen. Nach Ansicht der Finanzverwaltung muss keine Abzinsung vorgenommen werden, da insoweit grundsätzlich der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung maßgebend ist, die Aufbewahrungspflicht aber bereits mit dem Entstehen der Unterlagen beginnt.
Abschlag für freiwillig aufbewahrte Unterlagen
Aus Sicht der Finanzverwaltung kann eine solche Rückstellung natürlich nur einzelfallabhängig überprüft werden. Da regelmäßig nicht ohne größeren Aufwand feststellbar sein wird, inwieweit der jeweilige Unternehmer in seinen Ordnern bzw. auf seinen Datenträgern auch nicht aufbewahrungspflichtige Unterlagen freiwillig aufbewahrt, wird hier ggf. ein Abschlag von 20 % der Gesamtkosten vorgenommen.
1) Vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. August 2002, Aktenzeichen VIII R 30/01.
2) Vgl. Urteil vom 11. Oktober 2012, Aktenzeichen I R 66/11.
3) Vgl. Oberfinanzdirektion Niedersachsen, Verfügung vom 5. Oktober 2015, S 2137 – 106 – St 221/St 222.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(24):18-18