Pflegezeit

Freistellung von Arbeitnehmern


Jasmin Theuringer

Am 1. Januar 2015 ist das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf in Kraft getreten. Es soll diejenigen Arbeitnehmer entlasten, die neben ihren familiären und beruflichen Pflichten zusätzlich die Pflege eines nahen Angehörigen organisieren oder selbst leisten.

Gesetzliche Regelungen zur häuslichen Pflege von Angehörigen gab es bereits seit einigen Jahren im Pflegezeitgesetz und im Familienpflegezeitgesetz. Beide Gesetze wurden zuletzt umfassend geändert, wobei sowohl die Rechte des pflegenden Arbeitnehmers gestärkt als auch die finanziellen Belastungen auf den Staat verlagert wurden.

Um den verschiedenen Herausforderungen Rechnung zu tragen, denen sich ein Arbeitnehmer mit einem pflegebedürftigen Angehörigen ausgesetzt sehen kann, werden drei individuelle Ansprüche gewährt:

  • Kurzzeitige Freistellung von der Arbeitspflicht bei akutem Handlungsbedarf,
  • Pflege eines Angehörigen bis zu sechs Monate,
  • Pflege eines Angehörigen bis zu 24 Monate.

Freistellung von der Arbeitspflicht bei akutem Handlungsbedarf

Entsteht plötzlicher Handlungsbedarf durch die akut eingetretene Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen, kann ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber verlangen, zur Organisation einer bedarfsgerechten Pflege oder auch um diese selbst zu leisten, von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden (Akutpflege). Die Dauer der Freistellung hängt von deren konkreten Erforderlichkeit im Einzelfall ab, ist aber auf höchstens zehn Arbeitstage begrenzt.

Einen Anspruch auf Lohnfortzahlung gibt das Gesetz nicht, sondern verweist insoweit auf „andere gesetzliche Vorschriften oder Vereinbarungen“. In Betracht kommt zunächst einmal § 616 BGB. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen unverschuldet seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Diese Vorschrift ist zum Beispiel auch einschlägig bei der Pflege eines erkrankten Kindes oder bei der unaufschiebbaren Wahrnehmung behördlicher Termine.

Wird nun ein Arbeitnehmer durch äußere Umstände gezwungen, sich um die Pflege eines nahen Angehörigen zu kümmern, so stellt dies ebenfalls eine unverschuldete Verhinderung im Sinne des § 616 BGB dar. Ein Lohnfortzahlungsanspruch besteht für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“, was in der Regel etwa fünf Arbeitstage sind. Bei einer längeren Freistellung entfällt der Lohnfortzahlungsanspruch vollständig.

Weiterhin kann ein Anspruch auf Lohnfortzahlung bei der Akutpflege in einem Tarifvertrag vereinbart werden, was aber im Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter nicht geschehen ist. Lohnfortzahlungsansprüche von Apothekenmitarbeitern werden also nur bestehen, wenn sie bis zu etwa 5 Arbeitstagen wegen der Akutpflege von der Arbeit fernbleiben müssen. Für die Zeit, in der kein Anspruch auf eine bezahlte Freistellung besteht, kann der Arbeitnehmer von der Pflegeversicherung der zu pflegenden Person ein Pflegeunterstützungsgeld erhalten.

Pflege eines Angehörigen bis zu sechs Monaten

Übernimmt der Arbeitnehmer selbst die häusliche Pflege des nahen Angehörigen, so kann er eine vollständige Freistellung von der Arbeitspflicht oder eine Reduzierung der Arbeitszeit für die Dauer von bis zu sechs Monaten verlangen (Pflegezeit). Dieser Anspruch besteht nur in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten. Handelt es sich bei der zu pflegenden Person um einen minderjährigen Angehörigen, so besteht der Anspruch auf teilweise oder vollständige Freistellung auch dann, wenn der Pflegebedürftige „außerhäuslich“, also beispielsweise in einer Pflegeeinrichtung, gepflegt wird.

Während der Pflegezeit besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Der Lohnausfall der pflegenden Person wird bei der Pflegezeit dadurch abgemildert, dass gleichzeitig ein Anspruch auf Gewährung eines zinslosen, staatlichen Darlehens besteht.

Pflege eines Angehörigen bis zu 24 Monaten

Übernimmt ein Arbeitnehmer die Pflege eines nahen Angehörigen, so kann er für die Dauer von höchstens zwei Jahren seine Arbeitszeit reduzieren (Familienpflegezeit). Er muss aber trotz der Übernahme der häuslichen Pflege daneben mindestens fünfzehn Wochenstunden arbeiten, eine vollständige Freistellung ist bei der Familienpflegezeit nicht vorgesehen.

Der durch die Freistellung entstehende Lohnausfall kann auch hier durch ein zinsloses Darlehen aufgefangen werden, ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht nicht. Anspruch auf teilweise Freistellung im Rahmen der bis zu zweijährigen Familienpflegezeit besteht nur in Betrieben mit mehr als 25 Beschäftigten.

Nahe Angehörige

Für jede Art der Freistellung ist stets erforderlich, dass der Arbeitnehmer die Pflege eines nahen Angehörigen übernimmt. Den Begriff des nahen Angehörigen hat das Gesetz recht weit definiert. Dazu gehören neben nahen Verwandten wie Großeltern, Eltern, Kinder und Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner und dessen Eltern, Geschwister und Kinder auch der Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft.

Pflegebedürftigkeit

Die zu pflegende Person muss pflegebedürftig sein, also die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Pflegestufeerfüllen. Um eine Pflegezeit zu beanspruchen, muss die Pflegebedürftigkeit durch eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des medizinischen Dienstes der Krankenkassen nachgewiesen werden.

Kombinationen

Es besteht die Möglichkeit, die verschiedenen Freistellungen zu kombinieren. So kann sich beispielsweise an eine Akutpflege eine Familienpflegezeit anschließen. Dabei darf die Höchstdauer der Freistellung von insgesamt 24 Monaten jedoch nicht überschritten werden.

Kündigungsschutz

Ab der Inanspruchnahme der Pflegezeit bis zu deren Beendigung genießt der Arbeitnehmer besonderen Kündigungsschutz. Das bedeutet, eine Kündigung ist nur – wie bei einer Kündigung von Schwangeren oder Schwerbehinderten – mit vorheriger behördlicher Zustimmung möglich. Eine Erleichterung dagegen gibt das Gesetz für die Einstellung und Entlassung einer Vertretungskraft für den freigestellten Arbeitnehmer. Die Vertretung kann befristet für die Dauer der Freistellung eingestellt werden und auch bei vorzeitiger Beendigung der Freistellung mit einer kurzen Frist von zwei Wochen gekündigt werden, ohne dass ein Berufen auf Kündigungsschutz möglich ist.

Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin, Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater, 40212 Düsseldorf, E-Mail: theuringer@bellinger.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(04):15-15