Mitarbeitergesundheit

Wie steht es um die Gesundheit des Apothekenteams?


Karin Wahl

Apothekenteams sind täglich intensiv mit der Gesundheit der Kunden befasst. Sie kümmern sich um deren Belange und Bedürfnisse von der Wiege bis zur Bahre. Darüber sollte die eigene Gesundheit der Mitarbeiter allerdings nicht in Vergessenheit geraten.

Der tägliche Umgang mit den gesundheitlichen Problemen der Apothekenkunden kann sehr belastend sein, besonders in einem „auf Kante genähten“ Team. Dabei sind die Vollzeitkräfte mit oft mehr als acht Arbeitsstunden am Tag und ggf. der Verantwortung für das gesamte Team besonders im Stress. Jemand, der nur Teilzeit an wenigen Tagen arbeitet, erträgt und verarbeitet diese physischen und psychischen Belastungen oft leichter, da er in seiner freien Zeit andere Herausforderungen hat wie die Betreuung der Kinder oder von Familienmitgliedern. Dabei kann dies ebenso herausfordernd sein wie die Tätigkeit in der Apotheke, aber durch den Wechsel der Schwerpunkte können diese Mitarbeiter das oft besser bewältigen.

Tägliche Stressfaktoren

Was belastet in der täglichen Routine in der Apotheke das Team besonders?

  • Personalengpässe;
  • Kunden kommen selten nacheinander, sondern gehäuft und das meistens noch zu zwei bis drei Zeitphasen (Rushhour) am Tag;
  • langes Stehen auf einer Stelle, befördert durch die Technisierung mit Kommissionierautomaten, die den Mitarbeitern Wege sparen und mehr Zeit für den Kunden bringen sollen;
  • Kommunikationsprobleme mit älteren Kunden oder Kunden mit Migrationshintergrund ohne Sprachkenntnisse;
  • Lieferengpässe bei Rabattvertragsarzneimitteln, die oft wochenlang nicht lieferbar sind und bedingen, dass aufwendig bei Großhandel, Hersteller und schließlich dem Arzt nachgefragt werden muss, welche Lösung des Problems gewählt werden soll;
  • Furcht, dass durch Austausch im Sinne des Kunden das Rezept von den Kassen auf Null retaxiert werden könnte, also Dilemma zwischen Helfenwollen und Vertragserfüllung bei den Krankenkassen;
  • Einarbeitungvon neuen Mitarbeitern, die neben dem eigenen Patienten mitbetreut werden müssen;
  • Lärmbelästigung durch Bauarbeiten vor der Apotheke, was sowohl die Kunden nervös und ungeduldig macht, wenn sie dann auch noch warten müssen, als auch das Nervenkostüm der Bediener sehr strapaziert;
  • dauernde Störungen durch Telefonanrufe, wenn im Backoffice niemand ist oder durch die Putzfrau, die während der Öffnungszeit allen mit dem Mopp oder Staubsauger zwischen den Füßen herumfuhrwerkt;
  • physische Belastung durch Mütter mit schweren Kinderwagen oder Senioren mit Rollatoren in nicht barrierefreien Apotheken mit steilen Treppen zur Offizin;
  • Mitbediener, die nicht stressresilient sind und schnell nervös und unsicher werden, womit die Fehleranfälligkeit steigt.

Einige Mitarbeiter kennen diese Situationen nur in der Urlaubszeit oder in den Wintermonaten, bei anderen ist das aber ein Dauerzustand, der ganz schnell zum Abwandern von Mitarbeitern führt, die diese physische und psychische Belastung einfach nicht mehr aushalten. Unter dem Aspekt, dass es immer schwieriger wird, ausreichend Personal für die öffentliche Apotheke zu finden, ist es somit allerhöchste Zeit für die Chefs, sich dieser Probleme anzunehmen. Denn jeder weiß, dass unter physischer und psychischer Dauerbelastung die Konzentration nachlässt, das freundliche Lächeln irgendwann „gefriert“ und die Fehleranfälligkeit exponenziell steigt:

  • Falschabgaben bei Arzneimitteln, mit womöglich dramatischen Folgen für einen Kunden und natürlich auch für die Apotheke, wenn sie dies zu spät bemerkt,
  • falsche Eingaben bei den modernen Kassensystemen und damit Erzeugung von Fehlern im Warenlager,
  • fehlerhafte Kassiervorgänge mit dem Ergebnis, dass abends die Kasse nicht stimmt.

Jeder Bediener weiß, zu welch katastrophalem Arbeits- und Betriebsklima solche Fehler führen, da oft nicht sofort erkennbar ist, wer der „Übeltäter“ war. Man bemüht sich um Fehlerklärung, was häufig zu unnötigen Überstunden führt und natürlich zu Wut im Bauch, da der Übeltäter ggf. schon lange zu Hause ist.

Der gesetzlich geregelte Arbeitsschutz gilt nicht nur für große Betriebe, produzierende Gewerbe, Dienstleister und den sonstigen Handel. Er gilt auch ganz besonders für Apotheken! Viele Apothekenleiter meinen, da ihr Betrieb weniger als zehn Mitarbeiter hat und alles eher familiär zugeht, gehe sie das nichts an. Doch jedem Chef sollte das Wohl seiner Mitarbeiter am Herzen liegen. Er sollte sich also mit den einschlägigen Vorschriften befassen: der Betrieblichen Gesundheitsfürsorge (BGF), dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM; siehe zu den Möglichkeiten, das auch Firmen als Dienstleistung der Apotheke anzubieten, die AWA-Ausgabe vom 1. Mai 2015, S. 7/8) und der Gefährdungsbeurteilung physischer und psychischer Belastungen im Betrieb. Denn man merkt dann schnell, wo es hakt und wie man Probleme lösen kann.

„Bestandsaufnahme“

Wie geht man die Probleme im eigenen Betrieb an? Im Rahmen einer Betriebsbesprechung, die beim QMS gefordert ist, sammelt man alle physischen und psychischen Belastungen der Mitarbeiter. In kleinen Teams geht das mit einer Liste, die eine Person erstellt. Jeder Mitarbeiter benennt nacheinander seine Probleme. Bei größeren Teams sollten alle Mitarbeiter schriftlich gefragt werden, getrennt nach physischen und psychischen Problemen.

Häufig lassen sich körperliche Belastungen schnell beheben, wie z. B. im Sommer belastende Hitze, im Winter Kälte mangels geeigneter Heizung oder Klimaanlage oder weil die Eingangstür offengehalten wird. Ebenso kann das Tragen schwerer Gewichte –sei es ein Kinderwagen der Kunden oder schwere Warenkisten für den Übervorrat – geregelt werden. So sollten entweder immer zwei Personen diese Gewichte heben oder man schafft entsprechende Hilfsmittel an.

Das lange Stehen hinter dem HV, das nach vielen Dienstjahren oder bei Schwangeren ganz schnell zu Venenproblemen führt, lässt sich durch eine Personaleinsatzplanung mit wechselnden Tätigkeiten, mal stehend in der Offizin, mal sitzend oder gehend im Backoffice, entschärfen. Wichtig ist, dass diese Einteilung selbst bei kleinen Teams schriftlich festgehalten und auch umgesetzt wird. Dazu werden bei vier bis sechs Bedienern zwei oder drei als A-Gruppe und zwei oder drei als B-Gruppe für bestimmte Zeiträume festgelegt. Nach Ablauf der Zeit wird ein „Schichtwechsel“ vorgenommen, nach dem dann vom Handverkauf ins Labor, in die Rezeptur oder zur Waren- oder Rezeptkontrolle gewechselt wird. Dort können dann auch die Stresshormone, die immer wieder im HV ausgeschüttet werden, abgebaut werden.

Man muss erworbene Hightech- Scannerkassen und Kommissionierautomaten so in den Betrieb integrieren, dass sie nicht die Abläufe diktieren, sondern vielmehr das Team entlasten! Zu oft wird der Mensch dem Computer oder Automaten untergeordnet, das ist falsch und rächt sich langfristig.

Positives Arbeitsklima

Um Mitarbeiter zu halten und damit diese zudem auch noch jeden Tag gerne in die Apotheke kommen, müssen die Arbeitgeber den Mitarbeitern angenehme Arbeitsbedingungen und ein gutes Arbeitsklima bieten. Das ist viel leichter, als es viele Arbeitgeber vermuten.

Man führt beispielsweise regelmäßig unverkrampfte Mitarbeitergespräche bei einer Tasse Kaffee oder bei persönlichen Stellvertretern auch einmal abends bei einer Pizza. Dabei wird gefragt, was der Mitarbeiter über seine Aufgaben, die Apotheke und das Umfeld denkt, was ihm gefällt und wo er gerne etwas ändern würde. Man hakt als Chef auch nach, womit man den Mitarbeiter fördern kann, damit er seinen Job noch begeisterter ausübt. Kritikgespräche sollten hier nicht geführt werden.

Mitarbeiter wollen eine angemessene Bezahlung, aber noch mehr wünschen sie sich Anerkennung, ein gesundes Arbeitsumfeld sowie Förderung und Loyalität vom Chef!

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(04):13-13