Know-how richtig nutzen

Wissensmanagement in der Apotheke


Dr. Andreas Nagel

Eine hohe Fach- und Beratungskompetenz ist für jede Apotheke ein wichtiger Erfolgsfaktor. Es bedeutet aber eine permanente Herausforderung, das dazu erforderliche Wissen stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Jede Apotheke sollte hier über eine individuelle Strategie verfügen.

Klären Sie zunächst in einer Teambesprechung, wie derzeit in der Apotheke mit dem Thema „Wissen“ umgegangen wird. Wie wird (neues) Wissen erworben, archiviert und für alle Mitarbeiter verfügbar gemacht? Wie werden Informationen im Team weitergegeben und die Anwendung durch alle Mitarbeiter sichergestellt? Gibt es Schwächen und Verbesserungspotenziale (z. B. Wissensdefizite in bestimmten Bereichen, Defizite bei der Fortbildung oder bei der internen Weitergabe von Informationen)?

Bei der Diskussion dieser Fragen müssen Sie nicht unbedingt das kompliziert klingende Wort „Wissensmanagement“ verwenden. Stattdessen können Sie davon sprechen, dass Sie die Kommunikation im Team oder die Weitergabe von Informationen zwischen den Filialen verbessern möchten.

Wissensbedarf definieren

Den individuellen „Wissensbedarf“ Ihrer Apotheke sollten Sie ebenfalls gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern festlegen. Fragen Sie sich daher: „Welches Wissen ist heute und in Zukunft für das Leistungsangebot unserer Apotheke erforderlich?“ Klassische „Wissensbereiche“ sind meist: pharmazeutisches Fachwissen, Produktkenntnisse, Kenntnisse über gesetzliche Vorschriften, Informationen über Kunden und Lieferanten, über Marktentwicklung und Wettbewerber sowie über interne Abläufe.

Wissen aneignen

Für jeden Wissensbereich werden nun geeignete Informationsquellen definiert. Für den erstmaligen Erwerb von Fachwissen und für die regelmäßige Fortbildung bietet sich die folgende Vorgehensweise an:

Alle Fachbücher werden an einem zentralen Ort zu einer Bibliothek zusammengefasst. Dort werden die Bücher nach Sachgebieten sortiert, mit einer Nummer versehen und katalogisiert. Über Neuanschaffungen sollten alle Mitarbeiter zeitnah informiert werden. In Einzelfällen kann es auch sinnvoll sein, Fachbücher für Mitarbeiter zu einer „Kurzinfo“ mit den wichtigsten Aussagen zusammenzufassen.

Bei Fachzeitschriften wird gemeinsam entscheiden, wie eine regelmäßige und zeitnahe Auswertung sichergestellt werden kann. Variante 1: Fachzeitschriften werden durch die Apothekenleitung ausgewertet und wichtige Artikel an die Mitarbeiter weitergegeben. Variante 2: Fachzeitschriften werden zentral ausgelegt (z. B. im Pausenraum). Die Kenntnisnahme wird von den Mitarbeitern durch Namenszeichen und Datum auf dem Titelblatt der Zeitschrift dokumentiert. Variante 3: Die Auswertung der Fachliteratur wird nach Tätigkeitsschwerpunkten oder nach Fachzeitschriften auf die Mitarbeiter verteilt. Auf jeder Mitarbeiterbesprechung berichtet der zuständige Mitarbeiter jeweils kurz über wichtige Informationen aus „seiner“ Zeitschrift.

Für die Fortbildung durch Seminare (Präsenzseminare und Onlineseminare) werden die Seminarprogramme an einem zentralen Ort ausgelegt (z. B. im Pausenraum oder im Backoffice). Alle Mitarbeiter können dort ihre „Wunschseminare“ in eine Liste eintragen. Die Genehmigung und Anmeldung zum Seminar erfolgt durch die Apothekenleitung. Der Fortbildungsplan mit den gebuchten Seminaren aller Mitarbeiter wird ebenfalls an einem zentralen Ort ausgelegt, damit alle Mitarbeiter erkennen, welche Seminare von den Kollegen besucht werden. Bei Bedarf können vor dem Seminarbesuch vom jeweiligen Teilnehmer aktuelle Fragen der Kollegen zum Vortragsthema gesammelt und dann im Seminar mit den Referenten geklärt werden.

Inhouse-Schulungen eignen sich insbesondere zur Vermittlung von Produktwissen (z. B. über neue Arzneimittel einzelner Hersteller). Hier kann im Team auch sofort entschieden werden, welches von mehreren geeigneten Präparaten vorrangig angeboten werden soll.

Aktuelle Informationen können insbesondere über die Newsletter und Faxe der Berufsorganisationen (Kammern, Verbände, ABDA) bezogen werden. Diese sollten an einem zentralen Ort zugänglich gemacht werden (z. B. im Pausenraum). Die Kenntnisnahme wird von den Mitarbeitern durch Namenszeichen auf dem Fax dokumentiert.

Zur schnellen Klärung von aktuellen Zweifelsfragen können Online-Datenbanken oder Auskunftsstellen der Kammern und Verbände herangezogen werden. Alle Mitarbeiter sollten die verfügbaren Recherche- und Auskunftsmöglichkeiten kennen und nutzen können.

Wissen archivieren

In einem zentralen „Facharchiv“ können Informationen nach einem übersichtlichen Ablageplan bzw. nach Themengebieten archiviert und für alle Mitarbeiter zugänglich gemacht werden. Typische Bestandteile des Facharchivs sind Fachbücher, Fachaufsätze, Seminarbroschüren, Produktinformationen, Firmenordner mit Produktübersichten des betreffenden Herstellers, Patienten-Informationsblätter zu bestimmten Erkrankungen und wichtige Internetadressen.

In Einzelfällen können auch selbst erstellte „Erklär-Videos“ über schwierige Arbeitsabläufe oder über Tätigkeiten verfügbar gemacht werden, die derzeit nur von einem Mitarbeiter beherrscht werden und für die es im Urlaubs- oder Krankheitsfall keinen erfahrenen Vertreter gibt (z. B. über die Herstellung seltener Rezepturen). Ein kurzes Video, das den Arbeitsablauf in Bild und Ton mit erklärenden Worten darstellt, ist mit einer Handy-Kamera meist schnell erstellt und für einen Vertreter vielfach eine wertvolle Hilfe.

Neben diesem „Faktenwissen“ sollten Sie auch prüfen, ob „Erfahrungswissen“ von Mitarbeitern dokumentiert werden soll. Langjährige Mitarbeiter verfügen oft über einen wertvollen „Erfahrungsschatz“, der sich auf ihren individuellen Arbeitsplatz bezieht (z. B. spezielle Arbeitstechniken, Tipps und Tricks, die die Arbeit erleichtern oder Stolpersteine und Fettnäpfchen, die unbedingt vermieden werden sollten). Wenn dieses Erfahrungswissen nicht dokumentiert wird, so geht es beim Ausscheiden des Mitarbeiters oft endgültig verloren. Dieses Erfahrungswissen kann durchaus als unterhaltsamer und leicht lesbarer „Praxisbericht“ formuliert werden oder den Titel „Erfahrungen, die Sie an diesem Arbeitsplatz nicht unbedingt selbst machen müssen“ erhalten. Eine lockere Form der Darstellung erhöht auch die Bereitschaft der anderen Mitarbeiter, diese „Erfahrungsberichte“ tatsächlich zu lesen.

Wissen weitergeben

Klären Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern, welche Informationen innerhalb des Teams und zwischen den Filialen weitergegeben werden müssen und auf welche Weise dies erfolgen soll. Der Informationsaustausch wird sich in den meisten Fällen auf die Weitergabe von neuem Fachwissen und auf rechtliche oder personelle Veränderungen beziehen. Das Weiterreichen dieser Informationen kann durch Mitarbeiterbesprechungen, Mitarbeiter-Rundschreiben, Aushänge am „Schwarzen Brett“, E-Mails oder ein eigenes Intranet erfolgen. Mitarbeiterbesprechungen eignen sich in besonderem Maße zur Vermittlung von neuem Fachwissen aus kürzlich besuchten Seminaren. Wenn der Teilnehmer die wichtigsten Seminarinhalte in einem kurzen Vortrag für alle Kollegen zusammenfasst, wird mit wenig Zeitaufwand ein hoher Wissenstransfer erreicht. Alternativ können die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Seminar schriftlich fixiert und an die Kollegen verteilt werden. Detailfragen können dann bei Bedarf in der Seminarbroschüre nachgelesen werden.

Wissen zuverlässig anwenden

In den meisten Fällen wird die schriftliche oder mündliche Weitergabe von Informationen ausreichen, um die Anwendung im Apothekenalltag zu gewährleisten. Bei komplexen Vorgängen kann es aber im Einzelfall sinnvoll sein, Checklisten oder Formulare als Arbeitshilfen zu erstellen, die dann von allen Mitarbeitern einheitlich genutzt werden. So wird ein Vergessen wichtiger Informationen oder Arbeitsschritte vermieden und zudem eine einheitliche Arbeitsweise aller Mitarbeiter sichergestellt.

Dr. Andreas Nagel, 31535 Neustadt, E-Mail: dr.andreasnagel@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(04):11-11