Dr. Andreas Nagel
Die Ursachen für das Fernbleiben bisheriger Kunden können sehr unterschiedlich sein: Neben nicht beeinflussbaren Gründen wie Umzug oder weggefallener Bedarf sind Unzufriedenheit mit der Produkt- oder Beratungsqualität, mehrfach nicht vorrätige Arzneimittel oder unfreundliche Mitarbeiter die häufigsten Gründe. Vielleicht ist Ihr Kunde aber auch zufällig oder durch Empfehlungen aus dem Freundeskreis auf eine andere Apotheke aufmerksam geworden, die aus seiner Sicht fachlich besser, preislich günstiger oder menschlich sympathischer ist.
Identifizierung inaktiver Kunden
Anhand Ihrer Kundenkartei können Sie feststellen, welche Kunden ungewöhnlich lange nicht mehr in der Apotheke waren. Sichten Sie die Kundenkartei daher in regelmäßigen Abständen (z.B. quartalsweise), um inaktive und vermutlich verlorene Kunden systematisch zu identifizieren. Ordnen Sie die Namen nach Häufigkeit der Einkäufe oder nach Datum des letzten Kaufs. Viele Kunden haben eine typische Kaufhäufigkeit und Kaufsumme und jeder Kunde, der nicht mehr im bisherigen Umfang kauft, ist möglicherweise „inaktiv“ geworden. Konzentrieren Sie sich bei Ihrer Auswertung auf diejenigen Kunden, mit denen in der Vergangenheit hohe Umsätze erzielt wurden und auf Kunden, die sehr häufig in die Apotheke gekommen sind („A-Kunden“). Schnäppchenjäger, Querulanten und menschlich schwierige Kunden werden Sie bei dieser Analyse vermutlich im eigenen Interesse ausklammern.
Maßnahmen zur Kundenreaktivierung
Die einfachste Maßnahme zur Kundenrückgewinnung ist es, (unter Beachtung der entsprechenden rechtlichen Vorschriften) einen Einkaufsgutschein an alle Kunden zu schicken, die seit einem bestimmten Zeitraum nicht mehr bei Ihnen gekauft haben. Viele Kunden werden den Gutschein nicht verfallen lassen und kaufen dann oft sogar für einen höheren Betrag als den Gutscheinwert. Wenn Sie außerdem erfahren möchten, aus welchem Grund bestimmte Kunden nicht mehr in die Apotheke gekommen sind, so müssen Sie direkten Kontakt zu ihnen aufnehmen. Je schneller Sie inaktive Kunden ansprechen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie diese wieder für sich gewinnen. Die Kontaktaufnahme kann persönlich, telefonisch oder schriftlich erfolgen.
Wenn Sie außerhalb der Apotheke noch persönlichen Kontakt zu diesen Kunden haben (z.B. in Vereinen oder bei gesellschaftlichen Veranstaltungen), so können Sie den Kunden durchaus auf nette Art und Weise ansprechen und nach den Gründen für sein Fernbleiben fragen. Fragen Sie, ob etwas nicht stimmt, ob Sie einen Fehler gemacht haben oder ob er durch ein bestimmtes Verhalten verärgert wurde und drücken Sie ggf. Ihr Bedauern aus.
Bei Kunden, zu denen keinerlei persönlicher Kontakt besteht, wird sich ein Brief anbieten, in dem Sie darstellen, dass Sie das Fernbleiben des Kunden registriert haben und bedauern. Bezeichnen Sie den Kunden dabei als guten und wichtigen Kunden und weisen Sie auf die langjährige Kundenbeziehung hin. Fragen Sie ihn in Ihrem Brief: „Haben wir etwas falsch gemacht oder haben wir Sie ungewollt verärgert?“ Wenn Sie bereits wissen, dass er wegen eines zurückliegenden Fehlers oder Unzufriedenheit mit einer bestimmten Leistung nicht mehr in die Apotheke kommt, so können Sie im Brief Ihr Bedauern über den Fehler zum Ausdruck bringen.
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Verärgerte Kunden
Eine Versöhnung verärgerter Kunden gelingt oft durch eine ehrliche Entschuldigung und eine „Wiedergutmachung“ (z.B. durch einen Gutschein für den nächsten Einkauf oder durch zusätzliche Bonuspunkte). Wenn ein Kunde signalisiert, dass er trotz Ihrer Bemühungen nicht wieder zu Ihnen zurückkommen wird, so sollten Sie dennoch nicht verstimmt reagieren. Bedanken Sie sich bei ihm für seine langjährige Treue und dafür, dass er Ihnen den Grund für sein Fernbleiben so offen und ehrlich mitgeteilt hat.
Sagen Sie, dass Sie mit seiner Hilfe Verbesserungsmöglichkeiten erkannt haben, die Sie sofort umsetzen werden und bieten Sie auch diesem Kunden ein „Wiedergutmachungsgeschenk“ an. (Tenor: „Wir bedauern, dass wir Sie als langjährigen und wichtigen Kunden verloren haben. Für die entstandenen Unannehmlichkeiten möchten wir uns mit einem Einkaufsgutschein entschuldigen. Auch wenn Sie nur unser Wiedergutmachungsgeschenk annehmen und danach nicht mehr bei uns kaufen, so ist es uns sehr wichtig, dass unser letzter Kontakt positiv und zufriedenstellend für Sie verläuft. Geben Sie uns Gelegenheit dazu und lösen Sie den Einkaufsgutschein ein. Natürlich würden wir uns freuen, Sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu unseren Kunden zählen zu dürfen.“). Bei einer derart großzügigen Vorgehensweise kann Ihnen eigentlich kein Kunde mehr böse sein. Diese positive Verhaltensweise kann in einzelnen Fällen sogar dazu führen, dass ein bereits verloren geglaubter Kunde doch noch zu Ihnen zurückkommt.
Abgewanderte Kunden
Bei Kunden, die ohne bestimmten Grund nicht mehr in Ihre Apotheke kommen oder zu einer anderen Apotheke gewechselt haben, können Sie bei konkreten Anlässen (z. B. ein neues Beratungsangebot, neue Präparate oder Hilfsmittel, eine Kundenveranstaltung oder eine Aktion zu einem für den Kunden interessanten Thema) zu einem erneuten Apothekenbesuch anregen. Auch in diesem Fall schaffen Sie durch einen beigefügten Einkaufsgutschein einen zusätzlichen Anreiz.
Kunden mit weggefallenem Bedarf
Wenn Sie feststellen, dass der Kunde Ihre Produkte tatsächlich nicht mehr benötigt (z. B. wegen Heilung seiner Krankheit), so bedanken Sie sich unbedingt für die langjährige Treue. Falls es zu diesem Kunden und in die Situation passt, können Sie in Einzelfällen versuchen, auf diplomatische Art und Weise Empfehlungen von ihm zu erhalten (z. B. wenn der Kunde wichtige Personen in Heimen oder bei großen Bedarfsträgern kennt). Zufriedene Kunden werden Ihnen in dieser Richtung sicher gerne behilflich sein.
Rückgewinnungskosten
Die Kosten von Rückgewinnungsmaßnahmen sind im Vergleich zur anderen Marketingaktivitäten relativ gering. Sie investieren lediglich etwas Zeit für die Auswertung der Kundenkartei und für die Formulierung eines individuellen Kundenbriefs. Ein Risiko ist damit nicht verbunden: Wenn der Kunde verzogen oder verstorben ist, so kommt der Brief zurück. Ist der Kunde verärgert, so ignoriert er schlimmstenfalls das Schreiben. Im Idealfall kommt er als Kunde zurück. Die Rückkehr eines reaktivierten Kunden sollte unbedingt in der Kundenkartei vermerkt werden. Die nächsten Kontakte müssen dann natürlich zu seiner vollen Zufriedenheit ablaufen.
Präventive Maßnahmen
Kundenverluste können Sie durch präventive Maßnahmen so gering wie möglich halten. Dazu gehört die gezielte Früherkennung möglicher „Abwanderungsgründe“ durch Kundenbefragungen sowie ein professionelles Beschwerdemanagement. Wenn Beschwerden kulant und zur Zufriedenheit des Kunden bearbeitet werden, so bleibt er der Apotheke meist weiterhin treu. Betrachten Sie außerdem alle „Abwanderungsgründe“, die Kunden anlässlich der Kontaktaufnahme nennen, als kostenlose Verbesserungsvorschläge, durch die Sie zukünftige Kundenverluste vermeiden können.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(08):10-10