Personalplanung mit KAPOVAZ

Arbeit auf Abruf


Jasmin Theuringer

Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit, kurz KAPOVAZ – hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich eine in der Apothekenpraxis sinnvoll einsetzbare Möglichkeit der flexiblen Personalplanung: die Arbeit auf Abruf.

Üblicherweise wird bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters im Arbeitsvertrag eine feste wöchentliche Arbeitszeit vereinbart. Kommt es zu einem vermehrten Arbeitsanfall, werden die Arbeitnehmer gebeten, Überstunden zu machen und können dies – je nach den Umständen des Einzelfalls – auch ablehnen.

Herrscht dagegen gerade Flaute in der Apotheke und sollen Arbeitnehmer mangels Bedarfs an der Arbeitsleistung gar nicht oder in geringerem Umfang eingesetzt werden, wird es deutlich komplizierter: Genauso wie der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit zu erbringen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese anzunehmen und zu vergüten.

Keine Gehaltskürzung und kein Nachholen

Verzichtet der Arbeitgeber wegen fehlenden Bedarfs auf die Arbeitsleistung, befindet er sich im sogenannten Annahmeverzug und kann die Vergütung des Arbeitnehmers nicht kürzen. Das ergibt sich aus § 615 BGB, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, die ausgefallene Arbeitszeit zu vergüten, und gleichzeitig keinen Anspruch darauf hat, dass die nicht erbrachten Stunden nachgeholt werden. Der Annahmeverzug des Arbeitgebers stellt eine der häufigsten Durchbrechungen des Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn“ dar.

Um eine solche Situation zu vermeiden, bietet es sich an, mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zum Umfang und zur Lage der geschuldeten Arbeitsleistung zu treffen, die sich an dem betrieblichen Bedarf orientiert. Dieses Arbeitszeitmodell tritt unter den Bezeichnungen KAPOVAZ, Arbeit auf Abruf und auch gelegentlich BAVAZ (bedarfsorientierte variable Arbeitszeit) in Erscheinung.

Kontingent wird im Arbeitsvertrag vereinbart

Gemeint ist stets das Gleiche: Zwischen den Parteien wird im Arbeitsvertrag vereinbart, dass der Arbeitnehmer ein bestimmtes Kontingent an Arbeitsleistung schuldet, das der Arbeitgeber für eine von ihm zu bestimmende Dauer und zu einem von ihm zu bestimmenden Zeitpunkt abrufen kann. Hierbei kann weiterhin vereinbart werden, dass sich die monatlich zu zahlende Vergütung nach der Dauer des tatsächlichen Arbeitseinsatzes richtet.

Die Schranken dieses Arbeitszeitmodells ergeben sich aus § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung, insbesondere aus dem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts vom 7. Dezember 2005 (Aktenzeichen: 5 AZR 535/04). Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, dass ein angemessener Ausgleich zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an einer Flexibilisierung von Arbeitszeiten und dem Interesse des Arbeitnehmers an einer fest vereinbarten Dauer der Arbeitszeit und der damit einhergehenden Vergütung herzustellen ist.

Es ist nicht möglich, im Arbeitsvertrag den Umfang der geschuldeten Arbeitszeit offenzulassen und lediglich zu vereinbaren, dass der Arbeitnehmer nach dem tatsächlichen Einsatz vergütet wird. Mit einer solchen Vereinbarung ist einem Arbeitnehmer wenig geholfen, er weiß nicht, womit er kalkulieren kann. Eine solche Vereinbarung hätte keinen rechtlichen Bestand.

Mindestarbeitszeit darf über- und unterschritten werden

Erforderlich ist vielmehr, den Umfang der wöchentlich geschuldeten Arbeitszeit zu vereinbaren und auch eine Regelung zu der Dauer des jeweiligen täglichen Einsatzes zu treffen. Bei der wöchentlichen Arbeitszeit kann es sich um eine Mindestarbeitszeit handeln. Diese Mindestarbeitszeit darf nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts um bis zu 25 % erhöht beziehungsweise um bis zu 20 % verringert werden. Wird zum Beispiel eine Mindestarbeitszeit von 20 Wochenstunden vereinbart, so kann der Arbeitgeber in einer Woche zwischen 16 und 25 Wochenstunden abrufen und die Tätigkeit des Arbeitnehmers arbeitszeitabhängig vergüten.

Konkrete Angaben im Arbeitsvertrag erforderlich

Diese Vereinbarung muss klar und deutlich aus dem Arbeitsvertrag hervorgehen. Es muss also im Vertrag klargestellt werden, dass es sich bei der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit um eine Mindestarbeitszeit handelt, die vom Arbeitgeber um 25 % erhöht beziehungsweise um 20 % verringert werden kann, die Vergütung sich nach dem Umfang der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung richtet und der Arbeitgeber befugt ist, die konkrete Arbeitszeit abzurufen. Weiterhin muss sich in dem Arbeitsvertrag eine Regelung dazu befinden, an wie vielen Stunden arbeitstäglich der Arbeitnehmer eingesetzt werden kann.

Fehlt es an diesen konkreten Vereinbarungen im Arbeitsvertrag, so gilt nach § 12 Absatz 1 TzBfG eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart, ebenso ein jeweiliger Einsatz an mindestens drei aufeinanderfolgenden Stunden. Hierbei handelt es sich nur um eine Regelung, die etwaige Lücken im Arbeitsvertrag füllen soll. Im Arbeitsvertrag kann also auch eine geringere Mindestarbeitszeit als zehn Wochenstunden vereinbart werden.

Arbeitseinsatz vier Tage vorher ankündigen

Der konkrete Arbeitseinsatz des Mitarbeiters ist vom Arbeitgeber anzukündigen. Zwischen der Ankündigung und dem Einsatz müssen mindestens vier Tage liegen. Soll also ein Mitarbeiter an einem Montag zur Arbeit erscheinen, so muss der Arbeitgeber ihm dies spätestens am Mittwoch der Vorwoche mitteilen. Soll er an einem Samstag eingesetzt werden, so muss er das spätestens am Montag derselben Woche wissen.

Eine Ankündigung darf aber weder an einem Samstag noch an einem Sonntag erfolgen, sondern ist auf den vorhergehenden Freitag vorzuziehen. Ein Einsatz an einem Freitag ist daher bereits am Freitag der Vorwoche anzukündigen.

Diese Ankündigungsfrist kann vertraglich nicht abgekürzt werden, was im Interesse des Arbeitnehmers auch nachvollziehbar ist. Er muss in der Lage sein, sich auf seine Arbeitseinsätze einzustellen und etwaige andere Verpflichtungen entsprechend zu organisieren.

Ohne diese Ankündigungsfrist würde der Arbeitnehmer sich in einer Art ständiger Rufbereitschaft befinden, was nicht zumutbar wäre. Schließlich unterscheidet sich die Abrufarbeit von der Rufbereitschaft oder einem Bereitschaftsdienst auch dadurch, dass nur die Zeiten der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung zu vergüten sind.

Jahresarbeitszeitkonto

Von der kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeit ist das tariflich vorgesehene flexible Arbeitszeitmodell zu unterscheiden. Der Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter befasst sich in § 4 ausführlich mit der Vereinbarung und Umsetzung einer variablen Arbeitszeit. Danach ist die Regelung möglich, dass die wöchentliche Arbeitszeit schwanken kann, im Ausgleichszeitraum von einem Jahr aber die vereinbarte Arbeitszeit einzuhalten ist. Bei Vollzeitbeschäftigten kann also eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart werden, der tatsächliche Arbeitseinsatz muss dann zwischen 29 und 48 Stunden wöchentlich liegen. Die monatliche Vergütung bleibt dabei stets gleich, es erfolgt ein Ausgleich der Arbeitszeit über ein zu führendes Arbeitszeitkonto. Die konkrete Arbeitszeit muss mit einem Vorlauf von zwei Wochen angekündigt werden, es sei denn, es handelt sich um einen Ausnahmefall wie die plötzliche Erkrankung eines Mitarbeiters. Nur dann gilt eine verkürzte Ankündigungsfrist von 24 Stunden.

Dieses Modell gibt dem Apothekenleiter weniger Gestaltungsspielraum und ermöglicht vor allem keine kurzfristigen Planungen. Für den Arbeitnehmer ist das Modell jedoch attraktiver, da er mit einem gleichbleibenden Monatsgehalt kalkulieren kann.

Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin, Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater, 40212 Düsseldorf, E-Mail: theuringer@bellinger.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(13):14-14