Dr. Andreas Nagel
Wenn im Apothekenalltag Probleme auftauchen, so ist ein Ignorieren derselben in der Regel die schlechteste Reaktion. Auch die Hoffnung, dass sich das Problem vielleicht von selber lösen wird, bewahrheitet sich nur selten. In der Mehrzahl der Fälle wird sich das ungelöste Problem bei Untätigkeit eher weiter verschärfen. Ein aktiver Umgang mit diesen Schwierigkeiten und eine zeitnahe Lösung ist daher meist die richtige Verhaltensweise. Mit den folgenden Schritten haben Sie beste Aussichten auf eine schnelle und nachhaltige Problemlösung.
Schritt 1: Problem beschreiben
Benennen und beschreiben Sie das Problem zunächst so genau wie möglich mit allen Details und allen Einflussfaktoren. Je genauer die Problemstellung beschrieben wird, desto mehr Ansatzpunkte ergeben sich für die anschließende Lösung. Eine ergänzende Frage mit viel Potenzial kann dabei die „Wunderfrage“ sein. Sie lautet: „Stellen Sie sich vor, es geschieht ein Wunder und Ihr Problem ist gelöst. Woran erkennen Sie dann, dass es gelöst ist?“ Die detaillierte Beschreibung der Wunschsituation liefert in vielen Fällen zusätzliche Erkenntnisse über derzeitige Defizite.
Schritt 2: Ursachen analysieren
Fragen Sie sich dann, wie und wann das Problem entstanden ist. Was war früher anders, als die Schwierigkeit noch nicht bestand? Beschreiben und analysieren Sie alle denkbaren Ursachen so genau wie möglich. Oft entstehen bereits bei der detaillierten Analyse der Problemursachen die ersten Verbesserungsideen.
Schritt 3: Lösungen erarbeiten
Zur Lösung können Sie bewährte Problemlösungs- und Kreativitätstechniken nutzen. Die nachfolgend beschriebenen Techniken haben sich in der Praxis besonders bewährt, weil sie leicht anzuwenden sind und mit überschaubarem Zeitaufwand durchgeführt werden können.
Die bekannteste Methode ist sicherlich das Brainstorming, das Sie alleine oder mit mehreren Personen durchführen können. Dazu wird das Problem zunächst als Frage formuliert. Wenn „rückläufige Umsätze“ die Herausforderung sind, würde die Frage daher lauten: „Wie können wir den Umsatz steigern?“ Dann werden alle geeigneten Ideen zusammengetragen. Bei der Ideensammlung erfolgt zunächst noch keine Bewertung der einzelnen Vorschläge, um den Ideenfluss nicht zu unterbrechen. Auch Ideen, die auf den ersten Blick fraglich erscheinen, werden erst einmal notiert. Eine Bewertung erfolgt erst dann, wenn keine neuen Ideen mehr genannt werden.
Für die Problemlösung mit mehreren Personen eignet sich auch das Brainwriting mit der Methode 6-3-5. Dabei erhalten sechs Personen zunächst ein Blatt mit der Problembeschreibung. Jeder Teilnehmer formuliert innerhalb von fünf Minuten drei Lösungsvorschläge und gibt sein Blatt dann im Uhrzeigersinn an den nächsten Teilnehmer weiter.
Auf diese Weise erhält jeder Teilnehmer ein Blatt, auf dem bereits drei Lösungsvorschläge stehen. Darunter schreibt er in den nächsten fünf Minuten drei weitere Ideen, wobei ein Anknüpfen an die bereits vorhandenen Ideen durchaus erwünscht ist. Dann werden die Blätter erneut weitergereicht.
Die Übung ist beendet, wenn jeder Teilnehmer jedes Blatt beschrieben hat. Auf diese Weise entstehen im Idealfall innerhalb von 30 Minuten sechs Blätter mit je 18 Ideen und damit 108 Lösungsvorschläge. Selbstverständlich können die Teilnehmerzahl, die Anzahl der Vorschläge und die Bearbeitungszeit beliebig verändert werden.
Einen neuen Blickwinkel auf ein Problem kann die „Umkehr-Methode“ liefern. Diese Methode kehrt die angestrebte Lösung zunächst ins Gegenteil. Bei dem Problem „Umsatzrückgang“ würden Sie daher fragen: „Was müssten wir tun, damit der Umsatz noch weiter zurückgeht?“ oder „Wie würden wir möglichst viele Kunden verärgern oder verlieren?“ Die Antwort auf diese umgekehrte Fragestellung zeigt oft, was zukünftig unbedingt vermieden werden muss, um eine weitere Verschärfung der Situation zu vermeiden.
Bei der „5-W-Fragetechnik“ wird das Problem mindestens fünfmal mit dem Wort „Warum“ hinterfragt. Auf diese Weise werden insbesondere bisherige Arbeits-, Denk- und Verhaltensweisen infrage gestellt, die für die Entstehung des Problems verantwortlich sein können.
Beim Thema „Umsatzrückgang“ würde die Fragekette z. B. lauten: Der Umsatz geht zurück! Warum? Wegen des Rückgangs der Kunden, die in die Apotheke kommen! Warum? Wegen der Verschlechterung der Beratungsqualität! Warum? Wegen der hohen Fluktuation im Mitarbeiterkreis und der Unsicherheit der jungen Mitarbeiter im Kundenkontakt! Warum? Wegen des schlechten Betriebsklimas und wegen ungenügender Schulung der jungen Mitarbeiter! Warum? Wegen Überlastung und Stress bei den HV-Mitarbeitern und wegen deren Unabkömmlichkeit für Seminare aufgrund der personellen Unterbesetzung im Handverkauf!
Trotz der genannten Problemlösungstechniken wird es immer wieder Situationen geben, für deren Lösung das eigene Know-how nicht ausreicht und zu deren Lösung daher weitere Personen hinzugezogen werden müssen. Die gezielte Befragung von externen Experten wird als Delphi-Methode bezeichnet. Hier werden mehrere Experten unabhängig voneinander mit der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen beauftragt und die Rückmeldungen anschließend zu einer optimalen Lösung kombiniert.
Fragen Sie sich in diesem Zusammenhang auch, wer vermutlich vor Ihnen bereits von dem derzeitigen Problem betroffen war und es erfolgreich gelöst hat. In vielen Fällen werden Sie nicht der erste Apotheker sein, der mit dem aktuellen Problem konfrontiert wird. Vielleicht können Sie Berufskollegen oder befreundete Unternehmer aus anderen Branchen um Rat fragen und auf diese Weise neue und branchenübergreifende Sichtweisen kennenlernen.
Wenn die genannten Techniken nicht sofort zu einer Lösung führen, so legen Sie eine kreative Pause ein. Ihr Unterbewusstsein wird sich dennoch weiter mit dem Problem beschäftigen und befördert die gesuchte Lösung oft mit zeitlicher Verzögerung unerwartet ins Bewusstsein – der „Geistesblitz“! Diesen Effekt haben Sie vielleicht bereits erlebt, wenn Ihnen ein bestimmter Name einfach nicht einfällt, obwohl er Ihnen „auf der Zunge liegt“. Sobald Sie aufhören, angestrengt und intensiv zu überlegen, fällt Ihnen der Name kurze Zeit später plötzlich wieder ein.
Schritt 4: Lösungen auswählen
Wenn mehrere Lösungen denkbar sind, die aus zeitlichen oder organisatorischen Gründen nicht gleichzeitig umgesetzt werden können, so ist eine Bewertung der Vorschläge nach Priorität bzw. Erfolgsaussichten erforderlich. Ordnen Sie daher die gefundenen Ideen auf einer Prioritätenliste in der Reihenfolge, in der die Ideen umgesetzt werden sollen.

Wenn die Problemlösung im Team erfolgt, erhält jeder Teilnehmer dazu fünf Klebepunkte, die er neben die von ihm bevorzugten Vorschläge klebt. Die Vorschläge werden dann in der Reihenfolge der Punktzahl umgesetzt. Für die Umsetzung sollte möglichst ein konkreter „Aktionsplan“ erstellt werden, in dem ein Termin und eine für die Umsetzung zuständige Person festgelegt werden („Wer macht was bis wann?“).
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(13):9-9