Fit im modernen Marketing

„Habe ich immer so bekommen“


Emanuel Winklhofer

Eine schwierige Situation in der Apotheke: Ein Kunde verlangt ein Medikament ohne Rezept. Sie müssen erklären, dass Sie es ihm nicht geben können, da verschreibungspflichtig. Darauf folgt erbost oder vollkommen verwundert der Satz: „Was, das habe ich immer so bekommen.“

Warum reagieren Kunden erstaunt oder sogar sauer, wenn von uns ein „Nein“ zu ihrem Produktwunsch kommt? Ein Kunde will etwas kaufen, das Produkt ist vorrätig und dennoch erhält er es nicht – im Einzelhandel völlig unüblich! Dort wird heute Überfluss verteilt und nicht Mangel verwaltet.

Wir brauchen also eine sehr geschickte Kommunikation, um den Kunden nicht zu verärgern. Hier geht es nur um diese Kommunikation sowie die Art und Weise, wie wir mit solchen Kunden umgehen, und nicht um die pharmazeutische Entscheidung, ob Sie das Mittel abgeben, beim Arzt anrufen u.a.m.

Ein Fall aus meinen Anfangstagen: Ein mir unbekannter Kunde verlangte in sehr forderndem Ton ein verschreibungspflichtiges Medikament. Ich erwiderte, seinem Wunsch nicht nachkommen zu können, da für dieses stark wirksame Produkt ein Rezept erforderlich wäre. Es folgten einige Belehrungen des Kunden, er wurde bei jedem Satz lauter und unverschämter. Ich stand da wie ein begossener Pudel. Plötzlich hielt er inne, griff erbost in seine Sakkotasche, warf das Rezept auf den HV-Tisch und sprach: „Junger Mann, jetzt machen Sie gefälligst keinen solchen Aufstand.“

Ups! Wie sollte ich nun künftig mit solchen Fällen umgehen?

Die 3-Stufen-Regel

  • Stufe 1: Der positive Gesprächseinstieg. Der Kunde hört von einem Verkäufer ungern ein „Nein“, wenn er Geld für ein Produkt ausgeben möchte. Schon beim Gesprächseinstieg soll der Kunde merken, dass er bei Ihnen willkommen ist und Sie bereit sind, etwas für ihn zu tun. Verlangt ein Kunde ohne Rezept etwas Verschreibungspflichtiges, antworten Sie betont freundlich: „Ja gern, haben Sie denn Ihr Rezept mit?“ So signalisieren Sie, dass Sie für den Kunden etwas tun möchten, allerdings auch etwas von ihm erwarten. Die Beziehungsebene im Gespräch bleibt intakt! Meist folgt daraufhin eine vollkommen erstaunte Reaktion: „Was, das habe ich doch immer so bekommen?!“
  • Stufe 2: Der Unterschied „ich kann – ich darf“. Ohne lange nachzudenken sagt man oft: „Das kann ich Ihnen nicht geben, weil ...“ Schon haben Sie den Kunden angelogen! Natürlich können Sie. Umdrehen, Schublade auf, Produkt ergreifen und verkaufen. Also, am „können“ liegt es nicht. Sie dürfen es nicht! Das ist der springende Punkt, das Unterbewusstsein des Kunden registriert diesen Unterschied sehr wohl. Sagen Sie lieber: „Sehen Sie, ich darf es Ihnen nicht geben, weil es verschreibungspflichtig ist.“ Die Kommunikation läuft so besser ab. Übrigens, der Kunde interessiert sich nicht dafür, dass Sie z. B. mit einem Fuß im Gefängnis stehen. Das sind billige Rechtfertigungen oder trotzige Belehrungen, die nur die Beziehungsebene zerstören und nicht zu einer konstruktiven Lösung beitragen.
  • Stufe 3: Anbieten einer Alternative. Jetzt entscheidet das Einfühlungsvermögen über den Erfolg. Empathie zeigen Sie durch Interesse, sprich Fragen. Der Kunde will zuerst Verständnis. Auf: „Das habe ich immer so bekommen“ können Sie verständnisvoll antworten: „Ja, das verstehe ich“, dann die wichtige Frage: „Welche Beschwerden haben Sie denn?“ So fühlt sich der Kunde angenommen. Stellen Sie weitere Fragen, z. B. „Wo und seit wann treten denn die Schmerzen auf?“ oder „Welche Medikamente haben Sie denn schon ausprobiert?“ Die letzte Frage ist wichtig, damit Sie nicht bereits erfolglos angewendete Produkte anbieten!

Apotheker Emanuel Winklhofer, 93197 Zeitlarn, E-Mail: coaching@winklho.de

3-Minuten-Video

Ein kostenfreies 3-Minuten-Video zu diesem Thema finden Sie auf der Homepage des Autors unter:

www.winklho.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(13):13-13