Helmut Lehr
Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer werden Grundstücke in einem pauschalierten Verfahren gesondert bewertet. Bei unbebauten Objekten kommt regelmäßig der „Bodenrichtwert“ zum Ansatz. Die Werte sollen nach dem Willen des Gesetzgebers zumindest annähernd den jeweiligen tatsächlichen Grundstückswert wiedergeben.
Hinweis: Natürlich steckt es im Wesen eines pauschalierten, massentauglichen Bewertungsverfahrens, dass im Einzelfall womöglich nicht der tatsächliche Wert des Objekts „getroffen“ wird.
Gutachten oder aktueller Kaufpreis
Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, dass Steuerpflichtige einen tatsächlich niedrigeren gemeinen Wert nachweisen können, der dann der Besteuerung zugrunde gelegt wird. Bei größeren Abweichungen lassen sich dadurch schnell mehrere Tausend Euro Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer sparen.
Als Nachweis ist regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken vorzulegen. Stattdessen berücksichtigt die Finanzverwaltung auch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommenen Kaufpreis über das Grundstück als Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts. Soll heißen: Wird das Grundstück kurz nach dem Erwerb (Schenkung/Erbschaft) veräußert und dabei ein vergleichsweise niedriger Kaufpreis erzielt, kann allein dadurch die Steuerlast eventuell gesenkt werden. Entsprechendes gilt, wenn der Erblasser/Schenker das Objekt erst „günstig“ erworben hatte.
Hinweis: Ist ein Kaufpreis für das Objekt mehr als ein Jahr vor bzw. nach dem Besteuerungszeitpunkt erzielt worden, kann dieser ausnahmsweise als Nachweis für den gemeinen Wert dienen, sofern sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht wesentlich geändert haben.
Liegt kein Vergleichskaufpreis vor, müssen Steuerpflichtige einen Gutachter bemühen, wenn sie den „Finanzamtswert“ anzweifeln – die Beweislast liegt insoweit nämlich beim Erben/Beschenkten.
Dass es sich hierbei nicht um ein „Nullachtfünfzehn-Gutachten“ handeln darf, hat die Oberfinanzdirektion Karlsruhe kürzlich in ihrem „Merkblatt für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts (Verkehrswerts)“ bestätigt1). Danach müssen entsprechende Gutachten besondere formelle und inhaltliche Anforderungen erfüllen, damit sie überhaupt von der Finanzverwaltung berücksichtigt werden (siehe untenstehende Checkliste).
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Fiktive Miete reicht nicht
Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist im Ertragswertverfahren die Benennung der tatsächlichen Mietverhältnisse entscheidend, da ein Ansatz einer rein fiktiven Miete wenig aussagekräftig sein soll. Außerdem sind Ansätze einer Mehr- bzw. Mindermiete im Detail zu begründen. Die Darstellung einer Mindermietsituation ist danach schwer begründbar, wenn sich die tatsächlichen Mieten innerhalb der marktüblichen Mieten bewegen.
Objektspezifische Merkmale
Häufiger Diskussionspunkt ist die Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale. Im Rahmen der Beurteilung der notwendigen Investitionskosten sollen die Finanzbeamten beachten, dass die anfallenden Kosten nicht immer mit dem vollen Wert ansetzbar sind. Außerdem darf ein wertrelevanter Umstand nur ein einziges Mal im Gutachten berücksichtigt werden (Doppelberücksichtigungsverbot). Beispielsweise ist eine unterlassene Instandhaltung nicht durch Verkürzung der Restnutzungsdauer und anschließend bei den besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen wie Baumängeln oder wirtschaftlicher Überalterung zu berücksichtigen. Bei dieser Vorgehensweise kann laut Finanzverwaltung nicht mehr nachvollzogen werden, in welchem Umfang sich dieser Umstand auf das Ergebnis auswirkt.
Hinweis: Die Anforderungen der Finanzverwaltung sollten vorab mit dem Gutachter besprochen werden, da ansonsten die Gefahr besteht, dass das Gutachten außen vor bleibt und die Kosten für den Gutachter damit vergebens waren. Allgemein ist davon auszugehen, dass ein Gutachten für ein durchschnittliches Ein- oder Zweifamilienhaus zwischen 1.000 € und 2.000 € kostet. Bei höheren Verkehrswerten bzw. schwierigen Ermittlungen sind größere Summen denkbar2).
1) Vgl. ofd-karlsruhe.de, unter „Aktuelles“.
2) Vgl. auch AWA-Ausgabe Nr. 17 vom 1. September 2013, Seite 18.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(15):18-18