Prof. Dr. Reinhard Herzog
Der Mindestlohn von 8,84 € bedeutet bei Annahme von 173 bezahlten Arbeitsstunden pro Monat für eine 40-Stunden-Vollzeitstelle (wie z. B. im Apothekentarifvertrag niedergelegt) einen Monatslohn von brutto 1.529 €, der zur Einhaltung des Mindestlohnerfordernisses auch nur zwölfmal im Jahr zu zahlen wäre.
Rechnet man exakt mit 365 Tagen im Jahr und 40 Wochenarbeitsstunden, sind im Monat sogar 173,81 Stunden zu bezahlen, was auf 1.536,50 € Monatslohn (bislang 1.477,39 €) hinausläuft. Selbst die niedrigste Tarifstufe für PKA liegt mit 1.710 € jedoch deutlich darüber. Hier besteht also kein Handlungsbedarf.
Anders bei der Notdienstvergütung. Hier wird die Notdienstbereitschaft in der zweiten Nachthälfte (22.00 Uhr bis 8.00 Uhr) laut Tarif mit dem Mindestlohn abgegolten, zurzeit mit 85,00 €. Das steigt dann auf 88,40 €. Darüber hinaus sind Boten und Reinigungskräfte ggf. ebenfalls anzupassen.
Großhandelstouren
Bereits nach Einführung des Mindestlohns wurde dieser als Kostentreiber bei der Apothekenbelieferung thematisiert und durch Tourenzuschläge zu kompensieren versucht. Abgesehen von der Frage, inwieweit diese Problematik angesichts der zahlreichen „Subunternehmer“, die auf formal selbstständiger Basis fahren, überhaupt greift: Wie viel würde die Erhöhung überhaupt ausmachen?
Überschlagen wir mal: Vier bis fünf Lieferungen pro Tag und Apotheke, Zeitaufwand pro Belieferung heruntergerechnet von einer Tour großzügig geschätzt 15 Minuten. 34 Cent mehr pro Stunde, selbst mit Sozialnebenkosten gerechnet gut 40 Cent, macht pro Belieferung einen Mehraufwand in der Größenordnung von 10 Cent. Pro Jahr kommen da je Apotheke vielleicht 120 € bis 150 € zusammen, selbst bei „Intensivbelieferungen“ (sechs-, siebenmal am Tag) nur um 200 €.
Krankenkasse
Schauen wir noch ein wenig tiefer. Inwieweit muss ein Niedriglöhner letztlich über die Sozialversicherungen indirekt von den Höherverdienenden bezuschusst werden? Mit Mindestlohn verdient man nächstes Jahr rund 18.400 € brutto im Jahr, worauf je nach Krankenkasse im Schnitt etwa 15,5 % Beitrag fällig werden – also rund 2.850 € im Jahr. Der durchschnittliche Versicherte dürfte hochgerechnet um die 3.200 € Gesamtkosten in der GKV verursachen. Die Referenzgruppe der erwerbsfähigen Versicherten liegt allerdings deutlich darunter. Das bedeutet: Ein Mindestlöhner trägt sich in etwa selbst mit seinen Beiträgen, zur Solidargemeinschaft (Finanzierung von kostenlos Mitversicherten oder teureren Rentnern) trägt er jedoch kaum bei.
Rentenansprüche
Welche Ansprüche an das gesetzliche Rentensystem erwirbt ein heutiger Mindestlöhner? Hier stellt sich zuerst die Frage, wie viele „Rentenpunkte“ er pro Jahr erwirbt. Einen Rentenpunkt bekommt man in 2016, wenn man 36.267 € im Jahr brutto verdient.
Die heutigen 8,50 € Stundenlohn bedeuten etwa 17.700€ im Jahr oder 0,489 Rentenpunkte. Multipliziert mit einem Rentenpunktwert von 30,45 € seit Juli 2016 in den alten und 28,66 € in den neuen Bundesländern, ergibt dies einen Monatsrentenanspruch von knapp 14,90 € bzw. etwa 14,00 € für jedes Beschäftigungsjahr. Bei stolzen 45 Beitragsjahren ergibt dies Monatsrenten von gerade mal knapp 670 € bzw. 630 €. Durch die Erhöhung verbessert sich dies im kommenden Jahr nur marginal.
Mindestlohn bedeutet also auch allenfalls Rentenansprüche auf Grundsicherungsniveau!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(15):14-14