Nachwuchsrekrutierung

In der Schule die Mitarbeiter von morgen suchen


Karin Wahl

Das Thema Personal brennt vielen Chefs unter den Nägeln: Gute Mitarbeiter zu finden wird immer schwieriger. Sinnvoll ist daher, frühzeitig in die Nachwuchsrekrutierung zu investieren. Eine Möglichkeit, junge Menschen für Apothekenberufe zu begeistern, sind Schülerpraktika.

Der Arbeitsmarkt im Apothekenbereich ist seit einiger Zeit sehr angespannt. Es fehlen bundesweit Mitarbeiter. Dabei setzen die meisten Chefs auf Inserate und Job-Internetbörsen, da sie am liebsten Mitarbeiter mit einigen Jahren Berufserfahrung einstellen würden. Leider wird es immer schwieriger, hierbei erfolgreich zu sein. In Zukunft wird man als Arbeitgeber mehr Kreativität an den Tag legen, unkonventioneller „rangehen“ und sich manchmal den Mitarbeiternachwuchs erst selbst aufbauen müssen.

Bewerber durchleuchten den zukünftigen Arbeitgeber

So wie sich bei der Apothekenübergabe das Blatt vom Verkäufer- zum Käufermarkt gewandelt hat, so haben wir auch nicht mehr die Situation, dass nur der Arbeitgeber Bedingungen stellen kann. Vielmehr durchleuchten die potenziellen Mitarbeiter den möglichen zukünftigen Arbeitsplatz nach Öffnungszeiten, Erreichbarkeit, stimmiger Honorierung, Betriebsklima und beruflicher Förderung. Da sich Bewerber häufig ihren zukünftigen Job unter fünf und mehr Offerten aussuchen können, müssen sich die Arbeitgeber sehr ins Zeug legen, den gewünschten Kandidaten zu bekommen.

Sollen Bewerbungsgespräche erfolgreich sein, müssen sie mehr auf Augenhöhe geführt werden und es darf nicht allein über die Bedingungen des Chefs gesprochen werden. Es fällt vielen Apothekern schwer, vermeintlich ihre Dominanz und Hausmacht aufzugeben – doch ansonsten bekommen sie immer weniger die begehrten „High Potentials“, sondern müssen das nehmen, was „übrig“ bleibt.

Das Team ist der Schlüssel zum Erfolg der Apotheke

Da ein gut funktionierendes, fachlich hoch qualifiziertes Team mit großer sozialer Kompetenz auch in Zukunft der Schlüssel zum Erfolg einer Apotheke sein dürfte, hat man sich als strategisch aufgestellter Chef darauf einzustellen. Solange wir noch nicht den empathisch programmierten Roboter-Kollegen als Unterstützung haben, wird der Faktor Mensch weiterhin zwischen Erfolg und Misserfolg entscheiden. Womöglich müssen auch einige alte lieb gewonnene Gewohnheiten über Bord geworfen werden: weg vom Schubladendenken, hin zu mehr Flexibilität.

Dabei ist die Mülleimerstrategie anzuwenden: Was hat sich bewährt und was hat sich überholt, ist nicht mehr zeitgemäß und gehört in den Papierkorb? Wie bei allem in der Apotheke kommt

  • zuerst die gründliche Analyse der letzten Jahre und der Ist-Situation,
  • die Bedarfsprüfung,
  • das Einkalkulieren von Schwangerschaften bei überwiegend weiblichen Teams,
  • dabei ist Flexibilität angesagt, da man selten eine genaue Ansage zu Schwangerschaften oder auch partnerbedingten Ortswechseln bekommen wird.

Man braucht zum einen eine Kernmannschaft, auf die man zählen kann und bei der Überraschungen seltener zu erwarten sind. Diese Kerngruppe betrachtet man als gesetzt und sie bildet das Herzstück des Teams. Zum anderen muss der kurz-, mittel- und langfristige, möglicherweise zusätzliche Bedarf im PKA-, PTA- und Approbiertenbereich ermittelt werden.

Nun kommen die Schülerpraktika ins Spiel. Um – bei schwachem Angebot vom Arbeitsmarkt – den Bedarf an Nachwuchs decken zu können, ist es durchaus sinnvoll, „Eigengewächse“ zu produzieren. Ein sehr früher, aber gleichwohl geeigneter Zeitpunkt für erste Kontakte sind hier die Betriebspraktika während der Schulzeit. Seit etlichen Jahren gibt es Bemühungen, die Schüler aller Schultypen schon frühzeitig bei der Berufswahl zu unterstützen. Diese unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland und umfassen beispielsweise Beratungen durch die Arbeitsagenturen oder Übungen im Schreiben von Bewerbungen, aber auch Praktika in Betrieben. Daneben kommen freiwillige Ferienpraktika infrage, die interessierte Schüler ableisten, um eine Vorstellung von der Arbeitswelt zu erhalten.

Da die Apothekenberufe sich in der Länge der Ausbildung sowie in der Ausbildungsmodalität (duale Ausbildung versus PTA-Schule und Universitätsstudium) unterscheiden, müssen ganz unterschiedliche Zeitfenster angesetzt werden. PKA-Azubis werden primär inhouse ausgebildet und kommen so möglicherweise schon ein bis zwei Jahre nach dem Praktikum in die Apotheke. Bei PTA und vor allem bei Approbierten dauert dies wesentlich länger, doch hat man diese eventuell in den Ferien als Jobber zur Verfügung oder später dann als reguläre Praktikanten.

Langfristige strategische Personalplanung

Man darf das ruhig als eine firmeninterne, langfristige strategische Personalplanung betrachten, sowohl für Einzelapotheken und noch mehr für Apotheken mit Filialen. Außer dem Chef sollte eine erfahrene Approbierte oder PTA diesen Bereich betreuen. Ist ein Praktikant sowohl geeignet als auch interessiert, sollte dieser Betreuer regelmäßig Kontakt zu ihm halten und schon rechtzeitig den nächsten Einsatz – beispielsweise nach dem Schulpraktikum ein weiteres Praktikum in den Sommerferien – vereinbaren. Je nach Einsatzmöglichkeiten kann dies durch ein Entgelt schmackhaft gemacht werden.

Bei Schulen vorstellig werden

Viele Firmen und Industriebetriebe bieten auf ihrer Homepage solche Praktikumsplätze an. Das kann die Apotheke auch! Zudem sollte man den Schulen vor Ort mitteilen, dass man Praktikanten aufnimmt; es werden oft entsprechende Listen geführt.

Dabei ist der Anfang wie bei so vielen Dingen im Leben etwas arbeitsintensiver, da die Routine noch fehlt. Hat man aber erst einmal die Kontinuität geschaffen, braucht man sich um Nachwuchs in den Apothekenberufen weniger Sorgen zu machen. Roulierend lassen sich dann jährlich die verschiedenen Praktikanten einsetzen. Da sich trotzdem nicht jeder Bewerber als geeignet erweist, muss man auch eine Reserve haben.

Somit haben Apothekenleiter für alle pharmazeutischen Berufe die Möglichkeit, durch das Anbieten von Praktikumsplätzen langfristig und unverbindlich nach geeigneten Kandidaten Ausschau zu halten und diese durch weitere Angebote für Praktika und Ferienjobs an sich zu binden. Kollegen, die das seit Jahren anbieten und inzwischen ein System für die geeigneten Bewerber jahrgangsmäßig aufgebaut haben, finden in diesem Pool bei Bedarf immer einen Kandidaten, der zudem schon mit der Apothekensituation vertraut ist. Damit muss nicht stets wieder bei null angefangen werden. Sowohl der Aufwand für den Betrieb wird kleiner als auch der Lernerfolg des Praktikanten größer.

Auch die Kinderstube zählt

Durch Empfehlung der Schüler untereinander werden sich bald ganz gezielt Praktikanten auf einen Platz bewerben. Zu beachten ist ein ausreichend großer zeitlicher Vorlauf. Dabei sollten in einer so sensiblen Unternehmensstruktur wie einer Apotheke die Bewerber vorher durchaus auf Herz und Nieren geprüft werden. Nicht nur die Schulnoten, sondern auch das soziale Umfeld, das Verhalten und die Sprache spielen dabei eine Rolle. Der junge Kandidat sollte auch absolut ehrlich sein und eine „gute Kinderstube“ haben. Selbst wenn er zunächst nicht direkt mit Kunden Kontakte hat, sollte sein Benehmen einwandfrei und korrekt sein.

Auch wenn die Schüler für das im Rahmen des Schulunterrichts abgeleistete Praktikum keine finanzielle Entlohnung erhalten, so hat der Arbeitgeber doch die Verpflichtung, sich um den Praktikanten zu kümmern und ihm Einblicke in den Betrieb zu vermitteln. Das bedeutet:

  • Jeder Praktikant erhält einen festen Ansprechpartner (Tutor) aus der Kernmannschaft sowie
  • eine klare Zeiteinteilung: So dürfen unter 15-jährige Schüler maximal 7 Stunden am Tag und 35 Stunden die Woche arbeiten, erst ab 16 Jahren darf eine Arbeitszeit von 8 Stunden/Tag und 40 Stunden/Woche mit Pausen vereinbart werden.
  • Praktikanten dürfen keine Aufgaben übertragen bekommen, die gefährlich oder gefährdend sind.
  • Die Aufgaben sollen dem Praktikanten Einblick in die unterschiedlichen Bereiche einer Apotheke geben.
  • Praktikanten sollen sinnhafte Aufgaben erhalten und keine Reinigungs- und Aufräumteams ersetzen.
  • Motivierend ist, wenn der Tutor die Aufgabe am Anfang mit ausführt und den Praktikanten, sobald dieser sicher ist, die Aufgabe erledigen lässt.
  • Wenn man mit dem Praktikanten zufrieden war, darf man das auch in einem kleinen Geschenk ausdrücken.

Das angebotene Aufgabengebiet wird sich je nach Zielberuf sehr unterscheiden. Bei der PKA wird die Einführung in die Warenbewirtschaftung und das Category Management das angepeilte Ziel sein. Bei PTA-interessierten Schülern wird man mehr Wert legen auf Erklärung von Arbeiten in der Rezeptur und im Labor. Zudem sollte der Bereich rund um den HV beleuchtet werden, natürlich ohne ein aktives Eingreifen in den Verkauf.

Gymnasiasten mit Ambitionen, Pharmazie zu studieren, wird man – neben dem HV – Labor und Rezeptur vorstellen und sie Aufgaben unter Aufsicht erledigen lassen. Zentral sind auch die Arzneimittelkunde mit den Tücken des Generalalphabets sowie der Sichtwahl, um frühzeitig den Sinn für die feinen Unterschiede der Inhaltsstoffe zu schärfen.

Die weitere Betreuung von Schülern und jungen Studenten später dann beim Jobben in den Ferien erfordert zunächst Geduld und ein Gefühl für junge Leute. Im Laufe der Zeit profitiert auch der Ausbilder oder Tutor, weil er sich immer wieder mit den Fakten und Gegebenheiten auseinandersetzen und viele, manchmal sogar herausfordernde „Warum-Fragen“ beantworten muss. Vorteil am Rande: Man bleibt dabei selbst fit!

Schüler, die ein obligates Praktikum machen, werden eventuell in der Praktikumszeit von einer Lehrkraft der Schule im Betrieb besucht. Hierbei wird u.a. geprüft,

  • welche Tätigkeiten dem Praktikanten übertragen werden,
  • ob es Probleme gibt,
  • ob die Zeitvorgaben eingehalten werden,
  • ob der geforderte Praktikumsbericht mithilfe des Tutors erstellt wird,
  • ob sich der Schüler gut ins Team einfügt, was sich bei Teenagern manchmal schwierig gestalten kann,
  • was dem Schüler gefällt und was nicht und
  • wie zufrieden der Arbeitgeber mit dem Praktikanten war.

Dabei muss man sich möglicherweise als Anbieter von Praktikumsplätzen auch der Kritik stellen. Die Standards sind in den letzten Dekaden ebenso wie die arbeitsrechtlichen Vorgaben konkretisiert worden. Schüler, Lehrer und Eltern erwarten, dass ihr Sprössling im Praktikum etwas lernt und mitnimmt. Einfach einmal jemanden eine Woche „mitlaufen“ zu lassen, wird heute nicht mehr toleriert. Wenn man aus Mitleid einen Platz anbietet und sich dann nicht um den Schüler kümmert, kann das schnell zu einem Imageschaden für die Apotheke führen.

Schülerpraktikanten in Apotheken müssen besonders gut auf die neue Materie vorbereitet werden, da man hier mit sensiblen Arzneimitteln umgeht, also mit „Waren besonderer Art“, bei denen es auf jedes Detail ankommt – von der korrekten Lagerung bis zur korrekten Abgabe. Zudem ist der Umgang mit Registrierkassen klar zu regeln. Kein Zugang für Unbefugte!

Ethisch-moralisches Arbeiten mit Verschwiegenheitspflicht sollte bereits im Schüler-Praktikum vorgelebt werden, um zu zeigen, dass die Apotheke ein besonders verantwortungsvoller Arbeitsplatz sein wird.

Manche Inhaber haben vor Jahren als Schülerpraktikant die erste Apothekenluft geschnuppert und wirklich „Apotheke von der Pike auf“ gelernt. In der Regel sind das sehr verständnisvolle, erfolgreiche Chefs und Apothekenleiter geworden.

Als besonderes Fazit kann man sagen, dass „selbst gezogener Nachwuchs“ meist sehr loyal ist und den Apothekenbetrieb als ganze Einheit versteht und vertritt. Da man sich im zeitlichen Verlauf in den Jahren immer besser kennenlernen konnte, ist das gegenseitige Vertrauen und die Treue zum Betrieb besonders groß!

Ein zusätzliches Plus: Bei dieser Methode entfällt es, neuen Mitarbeitern Dinge abzugewöhnen, die nicht zur eigenen Apotheke passen, aber bei einem anderen Ausbilder so gelernt wurden.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmens- beratung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(19):13-13