Fit im modernen Marketing

Frequenzmarketing in der Apotheke (Teil 1)


Emanuel Winklhofer

Früher haben wir uns im Marketing gefragt: „Kann ich es mir leisten, dieses oder jenes Konzept zu machen?“ Heute sollten Sie umgekehrt fragen: „Kann ich es mir leisten, dieses oder jenes Konzept nicht zu machen?“ Das Angebot an Konzepten ist groß – nicht alles macht Sinn.

Würden Sie sich als „aktive Apotheke“ heute noch getrauen, keinen Lieferdienst anzubieten, keine Kundenzeitschrift zu verteilen, keine Kundenbindungsinstrumente wie Taler oder Treuepunkte zu nutzen oder keine OTC-Angebote zu machen? Das bedeutet erst einmal Kosten und Aufwand; da stellen sich die Fragen nach den Aufgaben des (Preis-)Marketings, was soll erreicht werden und wie muss ein entsprechendes Marketing durchgeführt werden, wenn es Erfolg haben soll?

Vor allem Frequenzmarketing mit Angebotspreisen auf OTC-Produkte ist heute ein hochkomplexes Thema geworden: Es beginnt mit Ihrer positiven Grundeinstellung zum Marketing, geht über die Auswahl der richtigen Produkte und die professionelle Angebotsgestaltung in einer sinnvollen Erscheinungsfrequenz und reicht bis zur exakten Einhaltung der diffizilen rechtlichen Bestimmungen und zur schlussendlich optimalen Umsetzung in der Apotheke.

Die Veränderungen im Gesundheitsmarkt und pharmazeutischen Umfeld fordern den stationären Apotheken eine stärkere Kundenorientierung ab. Wir befinden uns in einem weitgehend gesättigten Markt, dadurch steigt der (Kosten-)Druck: Mit begrenzten Ressourcen (Geld, Personal, Werbung, Distribution) müssen Sie heute möglichst gute, ja bessere Ergebnisse als Ihre zahlreiche Konkurrenz erzielen. Das erfordert viel Optimierung im Detail. Angebotsflyer zu streuen mag trivial erscheinen, tatsächlich erfordert es eine exakte Planung und fehlerfreie Durchführung, sonst verpufft die Wirkung und bringt nicht den gewünschten Effekt der Frequenzsteigerung.

Kennzahl Kundenfrequenz

Eine der wichtigsten Kennzahlen für die Apotheke stellt die Kundenfrequenz dar. Eine sinkende Kundenzahl ist heute das größte Warnsignal überhaupt. Am Bedarf des Kunden hat sich ja nichts verändert, er zeigt nur gerade die Rote Karte.

Warum hat er sich woanders hin orientiert? Haben wir uns zu wenig Gedanken über seine Wünsche und seine Bedürfnisse gemacht? Der Kunde geht dorthin, wo er für sich den größten Nutzen erkennt. Kundentreue gibt es schon lange nicht mehr. Ein Schäferhund ist treu, ein Kunde sicher nicht, er sucht Vorteile für sich. Viele Kunden sind Schnäppchenjäger! Jeder von uns nimmt doch auch gern mal ein Angebot wahr, oder? Ich habe noch nie erlebt, dass jemand im Einzelhandel gesagt hätte, er wolle lieber den Originalpreis bezahlen, auf die 20 % Nachlass verzichte er.

Wenn wir OTC-Artikel oder Freiwahlartikel zu Sonderpreisen anbieten, möchten wir damit neue Kunden werben und die Frequenz erhöhen. Die Werbung kann indes nicht allzu viel: Sie bewirkt nur, dass ein Leser zum Interessenten wird und vielleicht in die Apotheke kommt. Die große Aufgabe unserer Werbung besteht darin, die Menschen erst einmal in die Apotheke zu locken. Alles Weitere muss in der Apotheke passieren! Es kommt dann darauf an, dass sich dieser Kunde in der Apotheke wohlfühlt, dass er sehr zuvorkommend bedient wird, dass er die richtigen Produkte zum attraktiven Preis erhält und dass er beim Verlassen der Apotheke ein positives Gefühl hat. Bewusst oder unbewusst soll er denken: „Hierher komme ich gern wieder.“

Das Ziel besteht darin, dass dieser Erstkäufer zum Wiederkäufer und irgendwann zum Stammkunden wird. Noch mehr: Er soll, wenn er zufrieden ist, sogar zum persönlichen Werbeinstrument der Apotheke werden und weitere Kunden durch seine Empfehlung werben!

Auf jeden Fall soll er hier langfristig auch seine Rezepte holen. Denn diese brauchen wir dringend für den Ertrag der Apotheke. Der Rohertrag pro Rezept beläuft sich je nach Ärzteumgebung auf ca. 10 € bis deutlich über 12 €, pro Barverkaufskorb liegt er regionsabhängig meist bei nur ca. 3 € bis 4 €.

Und deshalb werfen wir mit der Wurst nach dem Schinken, weil wir Kunden durch die Preisangebote zum Kommen motivieren, letztlich aber den ertragreicheren Rezeptumsatz brauchen. Die Kunden dürfen gern wegen der guten Preise zum Erstkauf kommen, wiederkommen sollten sie dann wegen der Kompetenz, die eine Apotheke hat.

Oft werden Berechnungen angestellt, wie viel man mehr verkaufen muss, wenn man Kunden bei einem Produkt 10 %, 20 % oder 25 % Rabatt einräumt. Rechnet man noch die Produktions- und Verteilungskosten für die Angebotsflyer mit ein, führt das gern zur Schlussfolgerung: „Angebote können nicht rentabel sein.“

Oder es werden Killerphrasen angeführt, dass es ja schließlich nichts bringe, wenn plötzlich alle Apotheken OTC-Produkte zu Sonderpreisen anbieten. Würden alle Apotheken dies machen, wäre diese These richtig. Die Praxis sieht allerdings ganz anders aus. Nur etwa 20 % der Apotheken arbeiten mit Preisangeboten! Ein kleiner Denkanstoß: Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Apotheke in einer Stadt mit noch neun weiteren Mitbewerbern. Zwei dieser Konkurrenten beginnen ein Preismarketingkonzept. Was wird passieren? Diese beiden Apotheken werden mit Sicherheit Marktanteile von allen anderen zu sich holen, da der Markt ja gedeckelt ist und nicht plötzlich ein höheres Kaufvolumen besteht. Sicherlich werden nicht alle anderen Kollegen plötzlich mit Angebotspreisen beginnen.

Nun stellt sich für Sie die Frage: Wollen sie das Feld kampflos den beiden Konkurrenten überlassen und somit Marktanteile verlieren? Oder werden Sie sich mit einem geeigneten Marketingkonzept (das wohl ein Preismarketing mit einschließt) so positionieren, dass Sie wenigstens Ihr Betriebsergebnis halten können, indem Sie von allen anderen, nicht aktiven Apotheken Umsatzanteile abziehen? Die abschließende Frage lautet somit: Können Sie sich in dieser Situation erlauben, immer noch kein Preismarketing anzubieten?

Dieses Spiel ist natürlich nur ein Verdrängungswettbewerb. Was Sie mehr verkaufen, wird ein anderer weniger verkaufen, und umgekehrt! So funktioniert eben Marketing, und solange man mit legalen Mitteln spielt, ist das in Ordnung. Selbstverständlich lässt sich Marketing nicht ausschließlich über Angebote definieren, das Preismarketing ist nur ein Teil des gesamten Konzeptes.

Wichtig für den Gesamterfolg der Apotheke ist eine konsequente Leistungsorientierung, dazu gehören:

  • eine gute Sortimentsbreite und -tiefe,
  • eine emotional ansprechende Präsentation,
  • überdurchschnittlicher Service,
  • motivierte und kompetente Mitarbeiter(innen),
  • optimale Beratung zu allen Themen, die für den Kunden relevant sind,
  • und eben auch eine attraktive Preispolitik!

Diese Punkte seien hier nur noch einmal der Vollständigkeit halber genannt. In dieser Serie beschäftigen wir uns mit den sieben wichtigen Erfolgsbausteinen, die Sie für Ihr Frequenzmarketing beherrschen sollten. Fangen wir mit der Nummer eins an.

1. Schritt: Die positive Grundeinstellung

Oft sind Sätze zu hören wie „Flyer rechnen sich nicht“, „Meine Kunden fragen nicht nach Sonderpreisen“ usw. Natürlich fragen Kunden nicht, sie gehen dorthin, wo sie sehen, dass Angebote gemacht werden. Woran misst jemand, ob sich ein Flyer rechnet? Sicherlich rechnet sich der Flyer nicht, wenn jemand glaubt, die Kosten der gesamten Aktion nur über die angebotenen Produkte decken zu können.

Der Flyer kann sich erst rechnen, wenn man über Jahre hinweg die Kundenzahlen, die verkauften Packungen und ganz besonders die Veränderungen im Rx-Bereich misst. Nebenbei: Wie rechnet sich eigentlich Ihr neues Apothekenschild am Eingang oder Ihr neues Logo?

Früher wurde um Waren gefeilscht. Wenn ein Kunde geschickt verhandelte und Waren „günstig“ kaufte, stellte sich bei ihm ein gutes Gefühl ein.

Angebote erzeugen ein gutes Gefühl

In Europa ist allerdings das Feilschen nicht sehr beliebt und all denen, die sich nicht zu feilschen trauen, wird das Verhandeln in dezenter Weise abgenommen – durch Angebotspreise, wie „40% gespart“. Ob verhandelt oder vom Verkäufer schon angeboten, das gute Gefühl stellt sich beim Kunden schnell ein!

Auch bei einer neu entstehenden Konkurrenzsituation kann es wichtig sein, Preismarketing zu praktizieren: Eröffnet in einem Gebiet eine neue Apotheke, so wird sie den umliegenden Apotheken Umsatz und Kunden entziehen. Die Frage lautet, wie viel Prozent wohl von den einzelnen Apotheken im Einzugsgebiet abgezogen werden. Je aktiver und attraktiver eine bestimmte Apotheke im Markt auftritt, desto weniger wird sie verlieren. Am besten scheint es, schon vor der Eröffnung der Konkurrenz-Apotheke massiv mit Preismarketing zu beginnen, dann ist dieses Marktsegment bereits besetzt und kann nicht so leicht vom Mitbewerber erobert werden. Das Ziel der Frequenzwerbung wird dann nicht auf Wachstum von Kundenzahl und Umsatz gerichtet sein, sondern auf ein Halten von Frequenz und Umsatz oder wenigstens die Minimierung des Rückgangs.

Von Coca-Cola lernen?

Coca-Cola ist mit einem Jahresumsatz (2015) von ca. 44,3 Mrd. US-$ Weltmarktführer im Bereich der coffeinhaltigen Getränke und zählt zu den bekanntesten Marken. Dennoch (oder deshalb) hat Coca-Cola einen der größten Werbe-Etats! Auch oder gerade wenn man der Marktführer ist, muss man sehr aktiv sein, um die Nr. 1 zu bleiben.

Auch ein Platzhirsch bei den Apotheken hat es nicht leicht. Die Mitbewerber lauern nur darauf, Marktanteile zu erobern. Gerade in so einer Situation heißt es, aktiv zu sein, gute Beratungsleistungen anzubieten und mit seinen Stärken offensiv in die Werbung zu gehen.

Der Unterschied von Kosten und Investition

Wenn Sie Kosten sparen wollen, dann fahren Sie langsamer mit dem Auto, drehen Sie die Heizung herunter oder schalten Sie zuhause das Licht aus. Von einer Investition erwarten wir, dass etwas zurückkommt. Flyerwerbung ist eine langfristige Investition in zukünftige Kunden und zukünftige Erträge!

Das Verteilen von Flyern oder die Preiswerbung über Anzeigen kann man mit einem Schaufenster vergleichen. Sie als Apothekenleiter haben die Möglichkeit, ein schönes und attraktives Schaufenster zu gestalten, das die Aufmerksamkeit der Menschen anzieht, indem Sie Produkte anbieten, die möglichst viele Menschen interessieren. Sie können ebenso ein unattraktives, sehr kleines Schaufenster anbieten, das kaum jemand gern betrachten wird.

Bei der Flyerwerbung zeigen Sie Ihr Schaufenster nicht nur den Passanten, die an der Apotheke vorbeikommen, sondern einem sehr großen Personenkreis. Dazu gehören Ihre Kunden und vor allem die Menschen, die noch nicht Ihre Kunden sind. Gerade sie sollen auf Ihr Unternehmen aufmerksam werden und zu Ihnen kommen.

Deshalb muss dieses Schaufenster, also Ihr Flyer, den Sie zum Kunden bringen, schön und attraktiv gestaltet sein. Dem Verbraucher soll es Spaß machen, darin zu blättern. Sie stehen mit Ihrer Werbebotschaft in Konkurrenz zu allen anderen Werbeblättern, die an diesem Tag in dieser Zeitung oder in diesem Briefkasten verteilt werden. Der Verbraucher denkt nicht nach, sondern handelt intuitiv.

Welche Prospekte werden als erste betrachtet? Klar, diejenigen, die auffallen, die schön sowie interessant gestaltet sind und die „richtigen“ Themen ansprechen! Fazit: Flyer-Werbung ist eine Investition in neue und bestehende Kundenkontakte.

In den weiteren Teilen dieser Serie „Frequenzmarketing in der Apotheke“ geht es dann vornehmlich um die praktische Umsetzung: Wie holen Sie mit einem überschaubaren Einsatz Ihrer wertvollen Ressourcen Ihr individuelles Optimum heraus?

Apotheker Emanuel Winklhofer, 93197 Zeitlarn, E-Mail: coaching@winklho.de

3-Minuten-Video

Ein kostenfreies 3-Minuten-Video zu diesem Thema finden Sie auf der Homepage des Autors unter:

www.winklho.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(20):11-11