Helmut Lehr
Wegen der niedrigen Zinsen und vergleichsweise hohen Kosten ist der Neuabschluss einer klassischen Kapitallebensversicherung momentan nur bedingt empfehlenswert. Weil diese Anlageform aber bis vor wenigen Jahren zu den beliebtesten „Zusatzversorgungen“ der Deutschen fürs Rentenalter gehörte, werden Schätzungen zufolge derzeit noch ca. 90 Mio.Verträge bespart oder sind beitragsfrei gestellt.
Da im Laufe der Zeit zahlreiche steuerliche Änderungen eingetreten sind, muss man sehr genau prüfen, welche Besteuerung bei Auszahlung der Beträge greift bzw. welche Voraussetzungen für eine (teilweise) steuerfreie Auszahlung einzuhalten sind. Die nachfolgenden Ausführungen bringen etwas Licht ins Dunkel.
Vertragsabschluss vor 2005
Besonders privilegiert sind Verträge, die bis zum 31.Dezember 2004 abgeschlossen wurden und in einer Summe ausgezahlt werden. Die Auszahlung bleibt vollständig steuerfrei, wenn
- die Mindestlaufzeit 12 Jahre betrug und
- mindestens 5 Jahre Beiträge eingezahlt wurden.
Hinweis: Wurde der Vertrag nach dem 31.März 1996 abgeschlossen, muss der Todesfallschutz mindestens 60% der Beitragssumme über die gesamte Laufzeit betragen haben. Für Direktversicherungen über den Arbeitgeber gilt hier das Datum 31.Dezember 1996.
Steuerschädliche Verwendung beachten
Nicht selten gerät in Vergessenheit, dass die besondere steuerliche Privilegierung von alten Kapitallebensversicherungen nur dann erhalten bleibt, wenn die Versicherung nicht „schädlich verwendet“ wird. Soll heißen: Wird die Police zu Sicherungszwecken eingesetzt bzw. beliehen, muss der Steuerpflichtige genau hinschauen.
Zu beachten ist hier:
- Werden alte Kapitallebensversicherungen zur Tilgung oder Sicherung eines Darlehens verwendet, dessen Finanzierungskosten (Zinsen) Betriebsausga-ben oder Werbungskosten sind, geht die Steuerfreiheit grundsätzlich verloren.
- Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn die Verträge unmittelbar und ausschließlich zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts genutzt werden, das dauernd zur Erzielung von Einkünften dient und keine Forderung ist. Außerdem dürfen die zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteigen.
- Folglich kann die Lebensversicherung zur Sicherung der Finanzierung eines Geschäftsgebäudes oder Mietobjekts dem Grunde nach verwendet werden, ohne dass die Steuerfreiheit der Auszahlungssumme in Gefahr ist.
Hinweis: Vor einer Beleihung/Besicherung sollte Rücksprache mit dem steuerlichen Berater genommen werden, da die praktische Durchführung fehlerbehaftet ist und damit zur Steuerpflicht der Erträge führen kann1).
Auszahlung einer Rente
Erfolgt die Auszahlung einer Altpolice auf Rentenbasis, müssen die monatlichen Zahlungen mit dem sogenannten Ertragsanteil versteuert werden, dessen Höhe sich nach dem Alter bei Beginn der Rentenzahlung richtet.
Hinweis: Die Auszahlung der Rente ist in der Einkommensteuererklärung mit der Anlage „R“ zu deklarieren.
Vertragsabschluss ab 2005
Die Erträge aus „neueren“ Verträgen unterliegen bei Auszahlung grundsätzlich der 25%igen Abgeltungssteuer zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Maßgebend ist der Unterschiedsbetrag zwischen Versicherungsleistung und Summe der entrichteten Beiträge. Unter folgenden Voraussetzungen wird nur die Hälfte der Erträge besteuert:
Die Auszahlung erfolgt nach Vollendung des 60.Lebensjahres (bei Vertragsabschluss ab 2012 erst ab dem 62.Lebensjahr) und
der Vertrag hat eine Mindestlaufzeit von 12 Jahren.
Nach dem 31.März 2009 abgeschlossene Verträge müssen einen Mindesttodesfallschutz von 50% der Beitragssumme vorsehen. Steuerbegünstigte Auszahlungen sind deshalb bei „Neuverträgen“ frühestens ab 2017 möglich.
Weil die Versicherungsgesellschaften die Abgeltungssteuer grundsätzlich auf die gesamten Erträge abführen, müssen Steuerpflichtige, für die eine ermäßigte Besteuerung in Betracht kommt, die Auszahlung im Rahmen der Einkommensteuererklärung aktiv deklarieren (Anlage KAP) und die Steuerbescheinigung der Versicherungsgesellschaft im Original beifügen. Die maximale Steuerbelastung beträgt dann (vereinfacht dargestellt) bei Berücksichtigung des 45%igen Spitzensteuersatzes 22,5% (45% x 50%) des Gesamtertrags.
Sieht der Vertrag eine Rentenzahlung vor, greift ebenfalls die Besteuerung mit dem Ertragsanteil, der sich nach dem Alter bei Renteneintritt bestimmt.
Hinweis: Bei ab 2005 abgeschlossenen Verträgen können durch eine Übertragung der Police auf nahe Angehörige (insbesondere Kinder) womöglich Steuerersparnisse erzielt werden. Dies sollte immer dann möglich sein, wenn das Kind mangels eigener Einkünfte einer deutlich niedrigeren Steuerbelastung unterliegt als der frühere Versicherungsnehmer. Änderungen des Versicherungsnehmers führen nämlich grundsätzlich nicht dazu, dass die Mindestvertragslaufzeit neu beginnt2).
1) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 19 vom 1. Oktober 2014, Seite 17.
2) Vgl. Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 1.10.2009, IV C 1 - S 2252/07/0001, Randziffer 67.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(24):18-18