Kundenbedürfnisse erkennen

Big Data im Marketing


Andreas Kinzel

Die Kunst ist nicht, viele Daten zu sammeln, sondern sie gewinnbringend zu interpretieren. Ziel ist vorrangig, die Bedürfnisse der Kunden zu erkennen, sowohl die aktuellen als auch die zukünftigen. Entscheidend ist dabei, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Weniger ist oft mehr.

Manche Onlinehändler haben schon erraten, was man kaufen möchte, bevor überhaupt ein Bedarf entstanden ist. Das ist nur durch die Verarbeitung vieler Daten möglich. Fraglich ist, ob dies in der Apotheke machbar und nötig ist. Hier bieten sich zwar vielfältige Möglichkeiten mit internen und externen Daten, doch wie lassen sich diese sinnvoll nutzen? Welche sind für einen gewinnbringenden Einsatz nötig?

Auf wenige Zahlen konzentrieren

Grundsätzlich darf der Apotheker nicht vergessen, dass seine Kernkompetenz der Umgang mit Arzneimitteln und Kunden ist. Deshalb sollte man sich auf einige wenige Daten und deren Auswertung konzentrieren. Manchmal führen auch Emotionen eher zum Erfolg als die harten Zahlen allein, denn oft hilft die Sensibilität für Stimmungen und Strömungen mehr als eine große Datenmenge. Aussagekräftig sind Daten nur bei einer entsprechenden Interpretation und einer daraus entstehenden Strategie. Was sagt ein Umsatz pro Regalmeter aus? Oder was bedeutet der Korbumsatz für den konkreten Gesamtgewinn?

Warum Umsätze und Gewinne steigen oder sinken, kann man selten aus Daten erkennen. Dennoch können sie Vermutungen und Einschätzungen unterstreichen. Verändert sich beispielsweise die Kundenstruktur (Alter, Einkommen und Familienstand), wird sich auch das Kaufverhalten ändern. Damit muss dann der Apotheker sein Sortiment überdenken, sowohl die Schwerpunkte als auch einzelne Produkte. Besonders hier ist es wichtig, bei der Bearbeitung und Interpretation nicht nur auf vergangene Daten zurückzugreifen, sondern auch prospektiv auf eine zukünftige Entwicklung zu schauen. Maßgeschneiderte Lösungen für Fragen und Probleme, die im Idealfall noch gar nicht entstanden sind, schärfen das Profil der Apotheke und heben sie von den Mitbewerbern ab.

Grundsätzlich ist es wichtig, fünf bis sechs Schwerpunkte bei der Datensammlung und deren Auswertung zu setzen. Sicherlich lassen sich diese dann nochmals unterteilen, jedoch bergen zu viele Daten die Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Setzt der Apotheker beispielsweise an den Lagerkennzahlen an, bietet sich an, die Struktur genauer zu betrachten. Dabei kann man nach Einkaufspreisen (Mitnahmeartikel, unter und über 100€, Hochpreiser), aber auch nach Produktgruppen wie Freiwahl, OTC und Rx oder nach Indikation (ATC-Code) sortieren. Alle diese Daten lassen sich leicht mit der Warenwirtschaft ermitteln und nach einem entsprechenden Zeitraum gut interpretieren.

Intern bieten sich beim Sammeln von Daten vorrangig die Ein- und Abverkäufe der Warenwirtschaft und die Auswertung von Kundenkarten an. Daran lassen sich Möglichkeiten für Cross Selling ablesen, aber auch Bedürfnisveränderungen bei den Kunden erkennen und damit Strategien für das Sortiment entwickeln.

Die Apotheke sollte möglichst übersichtliche Daten zur Auswertung heranziehen. Diese sind einfach sowie zeit- und ressourcensparend zu ermitteln, aber auch auszuwerten. Zudem neigt man bei überschaubaren Zahlen weniger zur Fehlinterpretation. Sagt der einzelne Korbumsatz etwas über das Engagement eines Angestellten aus? Ist ein erwirtschafteter Gesamtgewinn besser interpretierbar? Wie sind Arbeiten im Backoffice berücksichtigt?

Bei externen Daten muss sich der Apotheker überlegen, ob sie für ihn relevant und verwertbar sind, insbesondere wenn sie bereits ausgewertet wurden. Sie bergen einige Risiken. Oft beruhen sie auf Zahlen aus größeren Regionen oder ganz Deutschland, beziehen sich also nicht auf den konkreten Ort und die konkrete Lage (City, Stadtrand oder Land). Zudem spiegeln sie weder die eigene Corporate Identity (Firmenphilosophie und Image) noch individuelle Präferenzen wider, z.B. aufgrund von Konditionen beim Einkauf.

Für das eigene Marketing bieten sich bei der Datenauswertung die Kundenstruktur, das Kaufverhalten und die Finanzen an.

  • Bei der Kundenstruktur lohnen sich Alter und Lebensverhältnisse. So muss die Apotheke ihr Sortiment und dementsprechend auch die Preise nach den sozialen Verhältnissen ausrichten. Zudem ist die persönliche Ansprache von jungen Familien ganz anders als von Senioren. Letztere benötigen sicherlich keine Spielecke, dafür aber eine deutlich sichtbare Regalbestückung und Übersichtlichkeit, um sich gut zurechtzufinden.
  • Das Kaufverhalten lässt sich ebenfalls durch Daten leicht bewerten. Kaufen Kunden bevorzugt aus Aufstellern? Stehen traditionelle Produkte im Vordergrund oder Innovationen?
  • Meist lohnt es sich sowohl fürs Image als Premiumanbieter als auch für den Gewinn, Markenprodukte in die Sichtwahlzu stellen, aber nicht immer. Der Kundenwunsch sollte im Vordergrund stehen und damit die Nachfrage. Zu beachten ist auch, dass der Gewinn bei Markenprodukten nicht immer besser als bei Generika sein muss. So ist die Auswertung der Finanzen sowohl für den Gewinn als auch für die Kundenzufriedenheit wichtig.

Empathie entscheidet

Entscheidend ist jedoch immer die Beratung und dabei die Empathie. Erkennt der Mitarbeiter die Bedürfnisse des Kunden? Aus der Erinnerung oder auch den Daten der Kundenkarte ersieht er schnell eine Einkaufsstruktur, doch er muss erkennen, was der Kunde aktuell benötigt, welche Bedürfnisse er gerade jetzt hat. Dazu muss man neben den Daten auch feinfühlig die Körpersprache und Wortwahl des Kunden beachten. Nur in der Kombination lassen sich ein erfolgreiches Cross-Selling und ein Kundenausbau bewerkstelligen.

Wichtig bei der Datenauswertung ist neben der Frage, für was das Geld ausgegeben wird, auch woher es kommt. Aus welchen Arztpraxen und aufgrund welcher Empfehlungen kommen Kunden?

Entwicklungen früh erkennen

Insgesamt müssen Zahlen zeitnah, aber auch über eine längere Periode betrachtet und ausgewertet werden. Einzelne Zahlen zeigen kein repräsentatives Bild. Reagiert man jedoch zu spät, ist der Trend oder die Chance oft schon verpasst. Besonders in der Sortimentsplanung, aber auch im betriebswirtschaftlichen Bereich ist es für die Apotheke wichtig, mithilfe von Daten und Zahlen möglichst einer Entwicklung voranzustehen und nicht hinterherzuhinken. Startet z.B. eine Fernsehwerbung für Präparat XY, lohnt eine rechtzeitige Bevorratung. Dazu muss die Apotheke anhand ihrer Daten entscheiden, ob die Kundenstruktur und die ökonomischen Rahmenbedingungen (Einkaufskonditionen, Rohgewinn etc.) stimmen.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass es heutzutage für das Marketing der Apotheken sehr wichtig ist, Daten auszuwerten. Dabei sollte man sich nicht zu sehr in Details verlieren. Nur aussagekräftige Zahlen helfen, Umsatz und Gewinn langfristig zu beflügeln. Sie müssen gewinnbringend interpretiert und die Erkenntnisse konkret umgesetzt werden.

Wichtig ist immer, authentisch zu sein, im Sinne der Corporate Identity der Apotheke, aber auch der eigenen Ansichten. Letztlich entscheidet ein gutes Beratungsgespräch über den ökonomischen Erfolg, nicht die Zahlen alleine. Fragen Sie immer nach dem Mehrwert, den man mit Daten erreichen kann, und das mit möglichst wenig Aufwand. Verlieren Sie sich nicht in einem „Big Data“-Gewust, sonst leidet die Konzentration auf den Kunden und Sie verlieren ihn.

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(24):9-9