Ute Jürgens
Ausgerechnet in Apotheken mit dem Fokus auf Kundenfreundlichkeit und Zuvorkommenheit soll schlechte Führung des Öfteren vorkommen? Leider lehrt unsere Seminarpraxis genau das. Doch was genau heißt destruktive Führung eigentlich?
Es beginnt damit, dass die Chefin oder der Chef schon die grundlegenden Umgangsformen missachtet. Gegrüßt wird z.B. gar nicht oder unaufmerksam. Man ist ständig auf der Suche nach Fehlern und putzt die Verursacher auf beleidigende Weise vor allen herunter oder bevorzugt Lieblinge in unangebrachtem Maß. Weitere typische Verhaltensweisen zeigt der Kasten.
Leider bekommen die Kunden viel mehr mit, als wir meinen, sie tauschen sich darüber aus oder sprechen Mitarbeiter außerhalb der Apotheke auf Missstände an. Für diese ist es dann schwer, loyal zu ihrem Betrieb bzw. zu ihrem Chef zu stehen.
Wo liegen die Ursachen?
Nach Prof.Frank Walter von der Universität Gießen handelt es sich bei solchen Chefs um Persönlichkeiten, die entweder zu undiszipliniertem und nachlässigem Verhalten neigen oder kaum widerstandsfähig sind. Sie sind eher unsicher, furchtsam oder gar depressiv und geben das unterschwellig an entsprechende Teammitglieder weiter. Ein weiterer Typus weist bereits pathologische Züge und ein beachtliches, unberechenbares Aggressionspotenzial auf.
Führungskräfte lassen sich bisweilen von Angestellten zur Aggressivität „provozieren“. Mitarbeiter mit unsicherem, unterwürfigem und ängstlichem Verhalten, die zudem von den Kollegen oft eher abgelehnt werden, wecken dann ein „Jagdverhalten“ beim Chef. Auch Mitarbeiter mit deutlich anderen Werten, als sie der Chef oder konfliktgeneigte Kollegen pflegen, sind gern der Keim eines „destruktiven“ Führungsverhaltens.
Eine letzte Ursache für destruktive Führung liegt in dauernder Überforderung, Stress und überzogenen Erwartungen an sich selbst. Daraus im Sinne der sich selbst erfüllenden Prophezeiung resultierende Misserfolge treiben das Rad zusätzlich an.
Nur in Ausnahmefällen mobben Chefs übrigens absichtlich. Das passiert am ehesten, wenn ein Konkurrenzdruck empfunden wird. In der Mehrheit der Fälle entsteht destruktive Führung jedoch unabsichtlich und eher aus einer Not heraus. Gleichwohl leidet jeder zehnte Beschäftigte dauerhaft unter den genannten Führungsfehlern.
Die Resultate
Die Folgen beeinträchtigen die Mitarbeiter, die Kunden und den Betrieb als solchen – und am Ende den Inhaber selbst:
„Wer sich selbst schlecht behandelt, behandelt auch andere schlecht. Das gilt für Führungskräfte ebenso wie für Mitarbeitende!“ (Anne Katrin Matyssek)
Dem Chef mangelt es in vielen Fällen an Selbstwertschätzung, er erkennt die eigene Leistung und das eigene So-Sein nicht an. Das gelingt ihm dann auch nicht bei den Mitarbeitern. So entsteht manch Teufelskreis aus Führungsfehlern und den jeweiligen Reaktionen (siehe Abb).
Bei den Mitarbeitern sinken Selbstwertgefühl, Wohlbefinden, Arbeitszufriedenheit und Bindung an die Apotheke zunehmend. Der Stresspegel dagegen steigt genauso wie offener oder verdeckter Widerstand gegen den Vorgesetzten und kontraproduktives Arbeitsverhalten. Die Einstellung zum Arbeitsplatz wird negativ, das Engagement lässt nach. Die Fluktuation steigt, und das in Zeiten, wo es sowieso schwierig ist, neue Angestellte zu finden.
Mythos „Motivation durch destruktive Führung“
Hartnäckig hält sich die Meinung, das Team würde besser „spuren“, wenn die Leitung hart, streng oder unzugänglich und kompromisslos arbeitet. Dies erweist sich jedoch meist als falsch. Der Betriebswirtschaftler Prof. Walter hierzu: „Deutlich ist jedoch, dass es keinerlei Hinweise auf eine instrumentelle, leistungssteigernde Wirkung destruktiver Führung gibt. Zusammen mit den bereits diskutierten schädlichen Konsequenzen für eine Reihe wichtiger mitarbeiter-, arbeits-, unternehmens- und führungskräftebezogener Aspekte erscheint solche Führung damit als klar kontraproduktiv.“
Was ist zu tun?
Beobachten Sie sich und die Reaktion Ihrer Mitarbeiter auf Ihr Tun. Welche Ursachen gibt es für Ihr Verhalten? Handeln Sie absichtlich und aus Überzeugung so, oder „aus Versehen“? Gibt es innere Zwänge?
Wenn Sie in einem Teufelskreis festhängen, liegt es an Ihnen, auszubrechen. Ihren Mitarbeitern ist das Geschehen mit ziemlicher Sicherheit nicht bewusst! Einige Tipps:
- Erlernen Sie selbst einen besseren Umgang mit Stress.
- Fragen Sie Ihr Team, wodurch es sich belastet fühlt und welche Situationen im Alltag man in welcher Weise verbessern kann.
- „Was macht uns stark?“ ist ein Thema für die Teamsitzung. Die Ergebnisse geben Ihnen wertvolle Hinweise.
- Freundlichkeit zeugt von Wertschätzung – wo wären Sie ohne Ihr Team? Mit einem deutlichen, klaren und herzlichen Gruß zeigen Sie bereits Führung!
- Holen Sie sich Verstärkung von außen, wenn Sie sich erschöpft und antriebslos fühlen. Seien Sie ehrlich zu sich und machen Sie sich bewusst, dass sich nur etwas ändert, wenn Sie es in die Hand nehmen. Oder wollen Sie so weitermachen wie bisher – und wie lange noch?
- Fehler fördern Erkenntnisse. Gehen Sie positiv mit Mitarbeitern um, die ihre Fehler offen eingestehen anstatt sie zu vertuschen. Geben Sie auch selbst zu, wenn Ihnen mal ein Lapsus passiert, anstatt ihn anderen unterzuschieben. Fragen Sie Ihr Team: Wo haben Fehler uns am Ende etwas Gutes eingebracht?
- Halten Sie Kontakt zu erkrankten Mitarbeitern. Fragen Sie, was benötigt wird, schicken Sie z.B. Blumen, und bitten Sie Ihr Team um eine Aufmunterung für den Erkrankten.
- Pflegen Sie Ihre gute Laune im Dienste aller!
Susanne Schumann (Life-Coach) macht im „Business-Book“ auf Muster und Fallen aufmerksam, die wir alle in uns tragen. Kennen Sie Ihre? Lassen Sie sich zum Beispiel schnell überreden und können nicht Nein sagen, lassen Sie sich stets von Vertretern einlullen und zu ungünstigen Einkäufen verführen? Sind Sie manchmal zu geduldig und lassen sich von Kunden in endlose Gespräche verwickeln?
Kommen Sie Ihren inneren Fallen auf die Spur, damit Sie nicht immer wieder hineintappen und sich überfordern, ärgern oder unter Nachteilen leiden, die dann die Mitarbeiter und der Betrieb als solches ausbaden müssen. Hinter solchen Mustern stehen letztlich tiefere Bedürfnisse. Doch diese lassen sich auf andere als auf selbst- und fremdschädigende Weise befriedigen!
Lese-Tipps
Nicole Frenken, Susanne Pillokat-Tangen: Mein bestes Jahr – Business-Book für selbständige Frauen 2017, www.meinbestesjahr.de
Dr. Anne Katrin Matyssek: Gesund Führen – Der Kalender Jahresbegleiter 2017, www.do-care.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(24):14-14