EuGH-Urteil zu Rx-Boni

QUO VADIS Apothekenwerbung?


Dr. Bettina Mecking

Das Votum des EuGH gegen die Rx-Preisbindung kam überraschend: Ausländische Versandapotheken dürfen – wenn sie nach Deutschland liefern – Rezept-Boni geben. Wie sieht es jetzt für inländische Apotheken aus? Wie können sie mit dem Druck durch das EuGH-Urteil umgehen?

Ein Päckchen Papiertaschentücher, eine Handvoll Hustenbonbons oder zum Jahresende einen Kalender – kleine Geschenke als Imagewerbung sind erlaubt, spezielle pekuniäre Vorteile bei Rezeptabgabe dürfen in deutschen Apotheken nicht gewährt werden. Mancherorts greifen Apotheken als Reaktion auf das EuGH-Urteil im Einvernehmen mit den ortsansässigen Kollegen jetzt auf das „Kompromiss-Modell“ des Bundesgerichtshofs zurück – dabei werden eher keine Barrabatte gewährt, sondern geringwertige Sachzugaben. Der BGH hatte 2010, bevor der Gesetzgeber Rezept-Rabatten endgültig einen Riegel vorschob, Rx-Boni in geringer Höhe erlaubt und 2013 diese Bagatellgrenze auf höchstens drei Euro pro Rezept konkretisiert. Eine hausgemachte „Zugaben-Deckelung“, mit der offenbar einige leben können. Darüber hängt aber das Damoklesschwert der tatsächlich weiterhin geltenden gesetzlichen „Nullrabatt“-Linie im Rx-Bereich für inländische Apotheken.

Einige niedergelassene Apotheker wollen sich von ausländischen Versandhändlern über andere Merkmale als nur über die Preisgestaltung und Zugabenschiene abgrenzen. Sie wollen stärker in der Versorgungskette der Patienten mitwirken. Dies ist etwa sinnvoll im Bereich der Versorgung multimorbider Patienten, z.B. in Verbindung mit der Überprüfung von Adhärenz und Compliance, was für teilnehmende Apotheken auch finanziell interessant sein oder werden kann.

Lenkung von Rezepten

Kunden möchten nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Wege sparen. Dieses Anliegen versucht ein Dienstleister mit der Lenkung von Patienten zu bestimmten Apotheken geschäftstüchtig zu verbinden: Ein in Arztpraxen aufgestelltes Service–Terminal soll es Patienten ermöglichen, Bestellungen von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln bei gelisteten Apotheken, Sanitätshäusern etc. zu tätigen. Das Service-Terminal bietet eine Software zur Übertragung von Telefonnummern und Bilddateien von Rezepten, Überweisungen und Bestellungen und ist in das Netzwerk der Arztpraxis eingebunden.

Der Patient erhält im Patientenbereich der Arztpraxis die Möglichkeit, eine Apotheke, mit welcher der Dienstleister zuvor eine vertragliche Vereinbarung über die Aufschaltung getroffen hat, auszuwählen und dieser über den Dienstleister sein eingescanntes Rezept sowie seine Telefonnummer zum Zwecke der späteren Kontaktaufnahme zukommen zu lassen. Die Originalverschreibung händigt der Patient der Apotheke bei Lieferung der Arzneimittel aus. Die Teilnahme an der Konzeptidee für Apotheker und für Ärzte dürfte aus berufsrechtlicher Sicht zu hinterfragen sein, denn an dem Service-Terminal findet eine Zuweisung der Patienten an die dort gelisteten Apotheken statt. Ein entsprechendes Zuweisungsverbot ist u.a. im Apothekengesetz und im ärztlichen Berufsrecht verankert.

Eine andere Plattform wirbt seit der EuGH-Entscheidung massiv bei Ärztenetzwerken, Kliniken, Pflegediensten und Apotheken. Über die Plattform sollen Patienten ihren Medikationsplan verwalten, Arzttermine vereinbaren und Überweisungen anfordern können – zugunsten der Apotheken sollen so langfristig „Rezept-Abos“ gesichert werden, und zwar an der Quelle. Heilberufler und Patient sollen vernetzt werden, wobei hier ebenfalls die rechtlichen Grenzen des Erlaubten überschritten sein dürften.

Wie auch immer Apotheken sich in der jetzigen Übergangszeit positionieren: Es ist ratsam, sich an der für inländische Apotheken nach wie vor geltenden Rechtslage zu orientieren, es sei denn, man möchte für sich und andere eine gerichtliche Klärung herbeiführen.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(24):13-13