Vertrauen Sie sich selbst!

Intuition als Führungsinstrument


Ute Jürgens

„Einfach mal eben so“ nach Bauchgefühl handeln? Nein, das ist nicht gemeint und kann ins Auge gehen. Intuition ist schon da und darf gleichzeitig gelernt werden. Gezielt eingesetzt hilft sie, die immer komplexer werdende Arbeitswelt besser zu bewältigen.

Nicht jeder versteht das Gleiche unter dem Begriff Intuition, die Definitionen reichen von „unmittelbarem, ganzheitlichem Erkennen“ über das „Erfassen von Zusammenhängen ohne wissenschaftliche Erkenntnis“ bis zu „übersinnlicher Eingebung“. Vom lateinischen Wort „intueri = erkennen, betrachten“ her fasse ich es als das Anerkennen dessen auf, was aus dem Unterbewussten auftaucht, z.B. eine Idee, Handlung oder Wissen. Dem folgen wir spontan – oder auch nicht. Bei der Betriebsführung nutzen wir die Intuition als wertvolle Quelle, unser Verstand filtriert das Brauchbare heraus.

Der Unternehmensberater Marcus Sassenrath beschreibt, dass unsere Entscheidungen im Wesentlichen intuitiv entstehen. Das ergibt Sinn, da das Unterbewusste auf bedeutend mehr Informationen zurückgreift als der Verstand, vergleichbar mit einem Eisberg unter und über Wasser. Insofern handelt klug, wer seine inneren Eingebungen als Ratgeber ernst nimmt und damit seiner Gesamtpersönlichkeit gerecht wird. Sassenrath: „Das Bewusstsein ist letztlich nur eine Art Sahnehäubchen der Evolution, mit dem sie das Tier Mensch ausgestattet hat.“

Das Autorenteam Kurt Nagel, Udo Rothacker und Ronald F. M. Schrumpf beschreibt, dass reine Verstandesanalytik in den Unternehmen der Zukunft absolut unzureichend ist. Es zitiert die Managementlehrer Tom Peters mit „Häufig sind neun von zehn Entscheidungen schon deshalb falsch, weil sie zu spät getroffen werden“ und Michael Porter mit: „Wer heute nicht agiert, wird künftig gezwungen sein, einen Wandel hinzunehmen, den andere eingeleitet haben.“

Immer mehr benötigen Führungskräfte statt bloßer Fachkompetenz auch unternehmerische, soziale und innovative, intuitive sowie Wertekompetenz. In Zukunft ist weniger Einzelkämpfertum als Netzwerken angesagt, dafür braucht es Klarheit und übergeordnete gemeinsame Ziele, die sich auch aus kollektiven Werten speisen.

Intuition im Umgang mit Mitarbeitern

Sie spüren bereits oder lernen es noch, welchen Mitarbeiter Sie wie motivieren. Bei Teamsitzungen hilft Intuition als situationsgerechte Sozialkompetenz bei der Moderation. Wann agieren Sie kooperativ und wann ganz klar direktiv? In Kritikgesprächen nehmen Sie die Stimmung des Gegenübers wahr: Ist dort eher Befangenheit, Aggression, Unverständnis oder unbedingter Lernwille an der Oberfläche? Wie formulieren Sie entsprechende Anregungen und Wünsche Ihrerseits? Oder bei Zusatzaufgaben: Wen können Sie – gerade an hektischen Tagen – wann und wie darauf ansprechen? Nach Sassenrath ist Intuition auch die Kompetenz zur Herstellung von Stimmigkeit. Ist diese nicht gegeben, geht das zulasten der Energie und der Unternehmensziele.

Intuition im Umgang mit Kunden

Nicht jeder Kunde ist fähig, genau zu sagen, was er möchte. Auch hier hilft Ihr Unterbewusstsein. Ein Beispiel: Ein Kunde klagt über durchwachte Nächte und verlangt ein Schlafmittel. Gelegentlich schießt uns durch den Kopf: Eigentlich braucht dieser Mensch kein reines Schlafmittel, sondern etwas zur Beruhigung oder etwas Angstlösendes. Gehen Sie auf diesen Kunden ein und schlagen Sie ein entsprechendes Arzneimittel vor; wenn Sie die unterschiedliche Wirkweise beschreiben, sucht er selbst das Richtige aus.

In anderen Fällen erspüren Sie Kaufmotive oder Kaufwiderstände, gehen Sie dem nach und beraten Sie entsprechend. Ein Beispiel: Immer wieder erlebe ich Kundinnen, die für jemanden Kosmetik einkaufen, meist recht gezielt. Oft genug fragen sie dann noch weiter, nun für sich selbst. Schließlich entpuppt sich das Motiv: „Ich möchte mir selbst etwas schenken, gestehe es mir aber nicht zu.“ Hier rennen wir mit etwas Ermutigung offene Türen ein, wir erfüllen Wünsche und die ursprünglich Zaghafte eilt glücklich von dannen. Haben Sie Vertrauen: Wer etwas nicht tatsächlich will, kauft es auch nicht, und Sie sind durchaus in der Lage, dank Ihrer Intuition bei jedem Kunden zwischen Ermutigung und Überredung das richtige Maß zu finden!

Intuition stärken

Grundsätzlich sollten Sie Gedanken und innere Gewissheiten zulassen und ernst nehmen. Anstatt etwas als „dumme Idee“ abzuqualifizieren, lohnt sich zumindest eine Prüfung: „Was ist dran?“ Inwiefern steckt ein wahrer Kern in einem Gedanken, den Sie zunächst ablehnen? Wenn er warnend ist, prüfen Sie, was dahintersteckt. Schauen Sie etwas nur deshalb mit Vorsicht an, weil es neu ist, oder haben Sie Vorurteile? Noch einmal: Intuition ist im Prinzip wertvoll, das heißt aber nicht, dass wir ihr blindlings folgen sollten. Der Verstand entscheidet über die Brauchbarkeit.

Manches kommt uns ganz plötzlich zu Bewusstsein, beim Duschen, im Halbschlaf oder beim Spazierengehen, vielleicht auch mitten im Kundengespräch. Wenn Sie „Mehr vom Mehr“ wollen, Ihren „Unterwasseranteil“ anschauen möchten, schaffen Sie Gelegenheiten dazu. Dabei hilft es, entspannt zu sein und sich Zeit zu nehmen, in der Sie geistig nicht angestrengt mit etwas beschäftigt sind. Diese Zeit kann von einem Minimoment wie dem Blick auf ein Bild bis zu einer echten Auszeit von mehreren Wochen reichen, in der wir uns in eine ganz andere Umgebung begeben, wandern, in ein Kloster gehen oder segeln, was auch immer einem richtig erscheint.

Das kann Ihnen auch dann Perspektiven eröffnen, wenn Sie sich schon länger gewiss sind, dass es so wie gehabt nicht bis zum Ende Ihres Berufslebens weitergehen soll. Trotz einschlägiger Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung ist eine längere Auszeit auch als Apothekenleiter möglich, und sie hat ihren Preis und ihren Wert.

Ein gewisser Abstand vom Alltagsgeschäft ist ebenfalls sinnvoll für das Wahrnehmen von Intuitionen: Solange Sie sich noch über etwas ärgern oder brüten, sind Sie nicht frei. Wie Sie sich entspannen, ist letztlich egal: Yoga, Meditation, Reiki, Spazierengehen oder Joggen. Gut ist es auch, wenn Sie alleine sind und nicht von jemand anderem abgelenkt werden. Schaffen Sie sowohl tägliche kleine Momente wie eine Tasse Kaffee mitten am Vormittag, ohne in der Zeit etwas anderes zu tun, als auch längere Phasen innerhalb der Woche.

Fahren Sie zu Fortbildungen an Orte ohne ein städtisch-wildes Leben? Dann bleiben Sie ein paar Tage länger oder schieben Sie einen zweitägigen Stopp auf dem Weg ein, in denen Sie NICHTS anfassen, was mit dem Beruf zu tun hat. Können Sie das? Wenn nicht, ab ins Training!

Eine weitere Quelle für Intuitionen ergibt sich bei kreativem Tun: Zeichnen oder Malen, Holzarbeiten, Musizieren – alles, was für Sie so einfach ist, dass Sie nicht die ganze Zeit überlegen müssen, wie „es“ zu tun ist, sondern einfach „vor sich hin“ werkeln und handeln.

Selbstverständlich schalten Sie bei all dem alles, was die Intuition stört, im Vorhinein aus. Telefon, Smartphone, Ansprache durch die Kollegen oder Familienmitglieder – es ist Ihre Zeit!

Die Zufriedenheit wächst

Nicht nur die berufliche Tätigkeit, sondern das ganze Leben verläuft stimmiger, wenn wir unserer Persönlichkeit entsprechend handeln. Die Einbeziehung der Intuition macht uns zufriedener und ausgeglichener, und wir vertrauen uns selbst mehr!

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed, 28865 Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de

Buch-Tipp

Kurt Nagel, Udo Rothacker, Ronald F. M. Schrumpf: Intuition – Innovation – Werteorientierung. Die drei Kardinaltugenden für Führungskräfte von heute. Verlag Wissenschaft & Praxis (2015). 19,80 €

Marcus Sassenrath: Intuition führt – Vertrau Dir selbst und folge Deiner Intuition. Manicma Verlag (2011). 24,90 €

gern zu bestellen beim Deutschen Apotheker Verlag Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E‑Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(02):8-8