Es geht auch einfach

Der Weg zum USP der Apotheke


Prof. Dr. Dieter Benatzky

Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, aus welchen Gründen die unterschiedlichen Patienten sich ausgerechnet für Ihre Apotheke entscheiden sollten? Was auch die Gründe sein mögen – sehr oft wird es sich um einen USP (= Unique Selling Proposition) handeln.

In der Sprache der Verkaufspsychologen und Werbefachleute bedeutet ein Unique Selling Proposition ein einzigartiges Verkaufsversprechen oder Verkaufsangebot. Dahinter stehen ein Alleinstellungsmerkmal (oder mehrere) Ihrer Apotheke und damit die Unterschiede zu anderen Apotheken. Diese sind eben nicht alle gleich. Kennen Sie Ihre Alleinstellungsmerkmale? Für Ihre Apotheke müssen Sie natürlich die Antwort sorgfältig selbst herausarbeiten. Einige ruhige Tage oder unangenehme, aber insoweit heilsame Anstöße wie das EuGH-Urteil zu den Rx-Boni können Motivation sein, sich dieser Frage verstärkt zu widmen.

Es gibt Apotheken mit Alleinstellungsmerkmalen, die sofort offensichtlich sind. Wir brauchen nur an eine Homöopathie-Apotheke zu denken oder eine Apotheke, welche sich zusätzlich auf Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) spezialisiert hat. Dies ist jedoch nicht die Mehrheit. Und es müssen auch nicht unbedingt mit großem Aufwand und ungewissem Ausgang zwanghaft (neue) Alleinstellungsmerkmale geschaffen werden. Vielmehr sollte man den eigenen Betrieb einmal ganz genau anschauen und herausfinden, wo möglicherweise bereits USP verborgen sind, die lediglich aktiviert und in Richtung der Patienten eingesetzt werden können.

Nur vier Schritte gehen ...

Wir brauchen nicht unbedingt etwas Neues zu erfinden. Schauen wir, was vorhanden ist, und entwickeln wir das weiter. Dann wird alles ziemlich einfach. Sie kommen dann ganz logisch in vier Schritten zu Ihrem Alleinstellungsmerkmal.

Der erste und wichtigste Schritt ist, diese Merkmale Ihrer Apotheke aufzuspüren. Es geht um das Erkennen. Beim zweiten Schritt werden die gefundenen Merkmale bewertet. Wir müssen uns da auf das wichtigste oder die beiden wichtigsten Merkmale fokussieren. Außerdem sollten diese Merkmale möglichst kundenrelevant und auch stark ausgeprägt sein. Schließlich müssen wir darauf achten, dass diese Merkmale dauerhaft sind und vor allem von anderen Apotheken nicht imitiert werden können. Es gibt also einiges zu bedenken.

Die beiden weiteren Schritte betreffen die Umsetzungsphase. In Schritt drei werden wir versuchen, das gefundene Merkmal auszubauen und zu entwickeln. Dann können Sie im vierten Schritt alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Ihren USP bekannt zu machen. Kommunikation ist angesagt. Hierfür nutzen Sie alle Kommunikationsmittel, mit denen Sie in Ihrer Apotheke arbeiten: Schaufenster, Handzettel, Kittel, Homepage, Hinweisschilder, Telefonansage etc. Beachten Sie hierbei sorgfältig die gesetzlichen Einschränkungen, insbesondere wenn es sich um Beratungsleistungen handelt.

Wir werden uns jetzt mit dem ersten entscheidenden Schritt, dem Erkennen von Alleinstellungsmerkmalen befassen. Zunächst soll geklärt werden, worum es sich beim USP der Apotheke handelt und warum er so wichtig ist.

Was ist der USP der Apotheke?

Ein USP ist ein Alleinstellungsmerkmal, welches die eigene Apotheke vom relevanten Wettbewerb unterscheidet. Bei den relevanten Wettbewerbern handelt es sich um alle jene Apotheken und Einkaufsstätten für Gesundheitsprodukte in der direkten Nachbarschaft und solche Bezugsmöglichkeiten, welche aus Sicht der Patienten bzw. Kunden eine Alternative zur eigenen Apotheke darstellen. Damit sind insbesondere auch die Versender adressiert.

Nicht jedes Alleinstellungsmerkmal ist im engeren Sinn ein USP. Es muss sich nämlich um Merkmale handeln, welche die Apotheke in den Augen der Patienten wirklich attraktiver machen. In diesem Sinn ist ein USP ein Alleinstellungsmerkmal, welches für die Auswahl der Apotheke seitens der Kunden relevant ist.

Diese Kundenentscheidung erfolgt aufgrund einer Abwägung der infrage kommenden Alternativen, dem sogenannten Evoked Set, ein Begriff aus der Kaufverhaltensforschung. Damit wird das Berücksichtigungsfeld bzw. der relevante Markt aus Kundensicht bezeichnet. Hier wird der Patient überlegen, wo er den größten Nutzen erzielen kann und welches der hierfür erforderliche Aufwand für ihn ist. Schließlich wird er sich für die Einkaufsstätte entscheiden, von der er den größten Nutzen erwartet und die dafür einen bestimmten Aufwand rechtfertigt.

Nehmen wir an, dass ein Berufstätiger Linderung für seinen akuten Schnupfen sucht. Beim Vergleich zwischen Internet-Apotheke und den beiden öffentlichen Apotheken in seiner Nähe wird er sich wahrscheinlich gegen die Internet-Apotheke entscheiden. Er braucht persönliche Beratung und vor allem eine sofortige Medikation. Diese beiden Punkte sind die einzigartigen Vorteile – also USP – von öffentlichen Apotheken. Das kann ein möglicherweise niedrigerer Preis bei Internet-Apotheken nicht ausgleichen.

Jetzt kommt die Entscheidung zwischen den beiden öffentlichen Apotheken. Sind sie beide gleich und hat keine von beiden eine besondere Eigenschaft, welche für ihn wichtig wäre, dann geht es nur um die Minimierung des Aufwandes. Also entscheidet sich der erkältete Berufstätige für die am nächsten liegende Apotheke.

Nun unterscheiden sich aber die beiden Apotheken. Eine der beiden ist bekannt wegen ihrer homöopathischen Zusatzqualifikation. Das interessiert unseren Patienten; denn er hat irgendwann einmal gehört, dass man mit Homöopathie eventuell auch akuten Schnupfen behandeln kann. Er ist neugierig und entscheidet sich trotz des weiteren Weges für diese Apotheke. Ihr Unique Selling Proposition ist in diesem Fall die Bekanntheit und Profilbildung mit Homöopathie.

Übrigens hat der Patient seinen Schnupfen nach eingehender Beratung mit den üblichen Schnupfenmitteln erfolgreich behandelt. Bei der anderen Apotheke hätte er die gleichen Mittel erhalten. Aber darum geht es nicht. Der USP hat funktioniert. Er ist immer ein Merkmal, welches den Wünschen der Kunden entspricht und welches von anderen Wettbewerbern nicht geboten wird. Dabei ist klar geworden, welche Auswirkungen solche Alleinstellungsmerkmale haben können: Sie erweitern den Einzugsbereich der Apotheke und erhöhen das eigene Patientenpotenzial.

Die USP-Analyse

Wenn Sie nun beginnen, die kundenrelevanten Eigenschaften Ihrer Apotheke aufzuspüren, welche Sie vom Wettbewerb abheben, dann machen Sie sinnvollerweise eine einfache systematische USP-Analyse. Später können Sie noch zur Ergänzung und Verfeinerung Ihr Apothekenteam hinzuziehen und Ihre Patienten befragen. Es liegt ganz bei Ihnen, wie viel Zeit und Aufwand Sie investieren möchten.

Sie beginnen mit der Definition der Suchfelder. Das sind die möglichen Kundenwünsche, hinter denen immer auch die Kundenbedürfnisse stecken. Diese Suchfelder können z.B. lauten: Beratung, Zuwendung, Gesundheits-Check, Öffnungszeiten, Zugaben, eigene Rezepturen, Auswahl, Atmosphäre, Gesundheitsvorträge, Hauslieferung, sofortige Verfügbarkeit, Chroniker-Betreuung, besondere medizinische Ausrichtung bzw. besonderes Profil und anderes mehr.

Ihnen fallen somit sicher noch weitere Punkte ein, welche für Patienten attraktiv sind. Das können natürlich auch Tradition, fremdsprachige Bedienung oder architektonische Gestaltung sein. Je mehr Punkte Ihnen einfallen, umso besser. Es ist vorteilhaft, wenn Sie diese Suchfelder nach der Bedeutung für Ihre Kunden einschätzen und sie in einer Rangfolge von „sehr wichtig“ bis „nicht wichtig“ aufführen. Sie können dann gleich sehen, wie wichtig die von Ihnen festgestellten Alleinstellungsmerkmale sind.

Zu jedem einzelnen Punkt notieren Sie nun, was Ihre Apotheke hierzu zu bieten hat. Gleichzeitig halten Sie fest, was Ihre direkten Wettbewerber dazu anbieten. Es versteht sich von selbst, dass Sie dabei so objektiv wie möglich vorgehen.

Hierzu nun ein Beispiel: Menschen mit Migrationshintergrund freuen sich, wenn sie in ihrer Muttersprache angeredet werden. Das Suchfeld heißt „Fremdsprachen“. Wie wird dieser Punkt erfüllt? Ihre Apotheke hat z.B. eine türkisch sprechende PTA und eine arabisch sprechende Helferin – alle Wettbewerbsapotheken haben hier nichts zu bieten. Die Fremdsprachenkenntnisse sind also ein klarer USP für Ihre Apotheke – sofern diese Mitarbeiter der Apotheke dauerhaft erhalten bleiben. Sie gehen nun Punkt für Punkt durch. Anschließend markieren Sie alle Merkmale, welche Ihre Apotheke vom Wettbewerb unterscheiden. Gleichzeitig sollten Sie auch die Defizite Ihrer Apotheke gegenüber dem Wettbewerb im Auge haben.

Vielleicht hat sich beim Punkt „Chroniker-Betreuung“ herausgestellt, dass Sie zwar wie Ihre Wettbewerbsapotheke Diabetiker betreuen, zusätzlich aber auch Asthmatiker. Hier haben Sie ein Alleinstellungsmerkmal, das Sie nutzen, ausbauen und kommunizieren sollten.

Vorteilhaft ist es, wenn USP in Ihrer Person liegen. Vielleicht haben Sie einen TCM-Kurs in China absolviert oder Sie waren als Bord-Apotheker in den Tropen. Sie sollten einfach an alles denken.

Wenn Sie diese Analyse durchgeführt haben, kann Ihnen Ihr Apotheken-Team weiterhelfen. Gehen Sie einfach einige für Sie wichtige Punkte mit allen gemeinsam durch. Stellen Sie die Frage, worauf wir als Apotheken-Team stolz sein können. Sie werden über die Antworten positiv überrascht sein.

Nachdem Sie jetzt schon eine kleine Liste potenzieller Alleinstellungsmerkmale angefertigt haben, sollten Sie abschließend Ihre Kunden befragen. Auf Ihrer Liste stehen vielleicht die folgenden Dinge, welche Ihre Wettbewerber nicht vorweisen können:

  • Beratung: Asthmatiker
  • Person des Apothekenleiters: Tropenerfahrungen
  • Fremdsprachen: türkisch, arabisch
  • Tradition: ehemalige Hof- Apotheke von 1723

Jetzt wäre es interessant zu wissen, was Ihre Kunden sagen. Im Grunde brauchen Sie nur eine einzige Frage zu stellen. Sie lautet bei Erstkunden „Aus welchem Grund haben Sie unsere Apotheke gewählt?“ und bei Stammkunden „Was veranlasst Sie, unserer Apotheke treu zu bleiben?“

Nun wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach Ihren verborgenen Schätzen, den Alleinstellungsmerkmalen. Sie können nur gewinnen. Ich bin sehr gespannt, was für Erfahrungen Sie machen. Für Ihre Rückmeldungen sage ich jetzt schon vielen Dank.

Prof. Dr. Dieter Benatzky, Institut für Gesundheitswirtschaft, 83093 Bad Endorf, E-Mail: prof.benatzky@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(03):9-9