Karin Wahl
Die so wichtige kaufmännische Seite wurde von pharmazeutischen Meinungsführern stets eher stiefmütterlich behandelt aus der Sorge, dass die Rolle des Heilberuflers dahinter zu stark verblassen und womöglich langfristig gar das Pharmaziestudium auf die Fachhochschule herabgestuft werden könnte. Trotzdem verstummte die Forderung nach betriebswirtschaftlicher Ausbildung der Pharmazeuten nicht; berufsbegleitende Zusatzqualifikationen folgten (s. Kasten).

Gerade jungen Existenzgründern ist eine derartige Zusatzqualifikation anzuraten! Sie sollten danach auf Augenhöhe mit Banken, Steuerberatern, Großhandlungen, Vermietern, Einrichtern etc. verhandeln können. Man lernt zudem, die richtigen Fragen zu stellen, Berechnungen nachzuvollziehen sowie Risiken zu erkennen und in ihrer Tragweite abzuschätzen.
Nicht jeder hat jedoch die Zeit und Lust, eine solche durchaus aufwendige Weiterbildung selbst zu durchlaufen. Dann gilt es, sich entsprechendes Know-how einzukaufen oder mittels Mitarbeitern aufzubauen.
Variante 1: PTA mit Zusatz-Qualifikation Pharmazieökonom(in) suchen, die auch im Tagesgeschäft aushelfen kann. Das muss dann allerdings vertraglich gut geregelt werden, vom (höheren) Gehalt bis zu den zu erfüllenden Aufgaben.
Variante 2: Eine bewährte, zuverlässige Kraft („High Potential“), approbiert oder PTA, zu einer der erwähnten Weiterbildungen ermuntern, dies aktiv fördern und bezuschussen und den Betreffenden im Betrieb „aufbauen“ (bei Approbierten womöglich gar zum Nachfolger).
Variante 3: Einen Betriebswirt oder ehemaligen Leiter von fachverwandten Betrieben wie z.B. Drogeriemärkten fest einstellen.
Es gibt genügend Betriebswirte, die über lange Berufserfahrung im Bereich Einkauf, Vertrieb und Marketing verfügen. Die Arbeitstage im Einzelhandel sind meist lang und stressig. Will sich so ein Kandidat mit Ende 40 noch einmal verändern, ist eine größere Apotheke für ihn eine attraktive Alternative.
Praxisbeispiel
Eine starke, beratungsintensive Stadt-Apotheke (3,6 Mio. € Nettoumsatz, 16 Voll- und Teilzeitmitarbeiter, 70 Stunden Öffnungszeit pro Woche) mit einem engagierten Chef, der seinen Beruf über alles liebt, dem aber so langsam alles über den Kopf wächst. Schon wieder musste er sich von PKAs trennen, die in der Warenwirtschaft viel verbockten. Was im HV gut hereingearbeitet wurde, wurde im Backoffice durch Inkompetenz und auch eine Portion Lustlosigkeit wieder zunichtegemacht. Der Kollege war verzweifelt. Was tun?
Im HV wurde höchster Wert auf Qualifikation, Kompetenz und unternehmerisches Denken gelegt, aber im Backoffice gingen Millionen Euro durch die Hände von zwei netten, aber für die hohen und speziellen Anforderungen des Betriebs nicht qualifizierten Kräften.
Per Zufall kam der entscheidende Tipp vom IT-Fachmann des Softwarehauses: Geben Sie doch einfach mal eine Stellenanzeige in der Jobbörse der Arbeitsagentur auf: „Betriebswirt/kaufmännische Unterstützung einer Apotheke, gute Entwicklungsperspektiven“.
Tatsächlich meldeten sich in kürzester Zeit 10 Bewerber aus den unterschiedlichsten Bereichen. Fünf kamen in die nähere Auswahl. Viele Gehaltsvorstellungen lagen überraschend moderat auf gehobenem PTA-Niveau. Der Kollege skizzierte den Bewerbern ihre Aufgaben als Vollzeitmitarbeiter mit 40 Wochenstunden und Fünf-Tage-Woche, nämlich:
- direkt dem Chef unterstellt,
- „Dienstleister“ zusammen mit den PKAs für den HV-Bereich („Frontoffice“),
- damit Vorgesetztenfunktion für PKAs, Boten, Putzfrauen etc.,
- Erlernen der angewandten Warenbewirtschaftung mit allen Besonderheiten der Apotheke wie Großhandelsbestellungen und Warenannahme, um kraft eigener Kompetenz andere Mitarbeiter anleiten zu können,
- Einkaufsverhandlungen (GH, direkt) mit oder ohne Chef, je nach Thema und in Absprache,
- Kalkulation der Frei- und Sichtwahlpreise,
- wöchentliche grafische Aufbereitung der wirtschaftlichen Situation mit Segmentumsätzen und -erträgen, Erkennen von Besonderheiten,
- Jour fixe wöchentlich mit dem Chef zur strategischen Planung,
- „Bericht zur Lage“ bei den regelmäßigen Teamsitzungen, extra aufbereitet für das Team,
- Schulung der Backoffice-Mitarbeiter in unternehmerischem Denken, Preisbildung, Service, Aktionen etc.,
- Schulung der für die Kosmetik zuständigen PTAs im richtigen Verhandeln mit dem Außendienst; größere Einkäufe müssen von ihm zwecks Sicherung der Liquidität abgezeichnet werden,
- Übernahme der Bank-Überweisungen,
- Überwachung der Apothekenkonten.
Offenkundig also ein verantwortungsvoller Job, der einige besondere persönliche Eigenschaften erfordert:
- Vertraulichkeit,
- Kompetenz,
- Führungsqualitäten,
- Verhandlungsgeschick und Diplomatie,
- Erfolgsorientierung (u.a. Rohertragssteigerung),
- gute Umgangsformen und Telefonkompetenz,
- Teamfähigkeit und Kollegialität,
- Bereitschaft, Neues zu lernen.
Interessante Lebensläufe
Der Kollege entschied sich für einen Familienvater um die 50 Jahre, der vorher bei einem Drogeriemarkt tätig war. Sie vereinbarten anfänglich ein etwas niedrigeres Gehalt mit erfolgsabhängigen Steigerungen im Laufe der Zeit.
Der Kollege wählte diesen Kandidaten, weil er davon ausging, dass er bei guter Integration bis zur Rente für die Apotheke arbeiten würde, er über reichlich menschliche und berufliche Erfahrung verfügte und gut ins Team passen würde. Die Chemie zwischen beiden stimmte. Der neue Mitarbeiter arbeitete sich schnell in die Besonderheiten der Apotheke ein, kam sehr gut mit den Kollegen und Kolleginnen des ganzen Teams klar, wurde in seiner Kompetenz anerkannt und war ein gefragter Berater in allen wirtschaftlichen Belangen. Er war seinem Chef gegenüber sehr loyal und warnte ihn vor manchen Fehlentscheidungen. Außendienstler waren zuerst verdutzt. Da ihnen aber vom Inhaber klar gemacht wurde, dass Herr Maier künftig zuständig sein würde, arrangierten sie sich. Herr Maier war Profi und hart in der Sache, aber verbindlich im Umgang. Der Chef konnte sich in der Tat bald über sichtlich bessere Betriebsergebnisse freuen.
Herr Maier machte einen erstklassigen Job und war bald die „rechte Hand“ in Wirtschaftsdingen. Die leitenden Approbierten kamen ebenfalls sehr gut mit dem zunächst ungewohnten „Leiter Backoffice“ klar, da jeder klare Kompetenzen hatte.
Wichtige Ziele erreicht
Endlich konnte sich der Chef wieder seinem geliebten Beruf widmen, Kunden persönlich beraten, sich mit Ärzten und Selbsthilfegruppen austauschen, Vorträge halten. Der Zugewinn an Freizeit und Zeit zum strategischen Denken war enorm. Er blühte förmlich auf, was wiederum ansteckend für seine Mitarbeiter war!
Der „Leiter Backoffice/Wirtschaft“ blieb dann tatsächlich bis zu seiner Pensionierung und betreute die Hauptapotheke sowie die drei später hinzugekommenen Filialen sehr erfolgreich.
Mission accomplished!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(03):14-14