Doris Zur Mühlen
Im Rahmen der Unternehmensführung nimmt das Frühwarnsystem eine zentrale Rolle ein. Um dies zu verdeutlichen, schauen wir uns Apotheker A an, der für seine Apotheke ein solches aufbauen möchte. Die Versorgungsaufgabe seiner Apotheke ist durch einen hohen Rezeptumsatzanteil gekennzeichnet.
Apotheker A hat 2016 trotz Umsatzanstiegs einen Rohertragsrückgang in Höhe von 10.000 € zu verzeichnen. Im ersten Schritt beginnt Apotheker A damit, die Ursachen des Rohertragsverlustes zu klären. Außerdem ist es für ihn wichtig, künftig solche Entwicklungen zeitiger zu erkennen, um gegensteuern zu können. Deshalb will Apotheker A ab 2017 ein Frühwarnsystem in seiner Apotheke etablieren.
Ärzte und Roherträge
Um die Entwicklung und den Stellenwert seiner Ärzte richtig einordnen zu können, erstellt er eine Übersicht mit den wichtigsten Kennzahlen für den GKV-Bereich. Daszentrale Kriterium ist hierbei der Rohertrag. Dies führt er für seine Top-10-Hauptverschreiber und für sein komplettes GKV-Verordnungssegment durch. Bei einem seiner Hauptverordner, dem Allgemeinmediziner Dr. B, der seine Praxis im Haus der Apotheke führt, lassen sich zum Beispiel diverse Auffälligkeiten feststellen (siehe Tabelle).
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Sinkende Packungszahl
Dr. B weist im Analysezeitraum einen nahezu identischen GKV-Rezeptumsatz auf. Zu beachten ist allerdings, dass sich das Verordnungsverhalten von Dr. B 2016 spürbar geändert hat. Lag „sein“ Packungsdurchschnittswert 2014 und 2015 noch auf fast gleichem Niveau, so stieg er 2016 um rund 4 €.
Hinzu kommt, dass er im Jahr 2016 rund 10% weniger Packungen als 2015 verordnete (–650 Stück). Bekanntermaßen ist die Packungszahl seit der Umstellung durch das GMG im Jahr 2004 auf das Kombimodell ein wichtiger Erfolgsindikator für die Apotheke. Im Ergebnis ergibt sich bei Dr. B 2016 ein um 4.100 € niedrigerer Rohertrag bei fast gleichem GKV-Rezeptumsatz.
Entscheidungen zur Standortsicherung treffen
Das Verordnungsverhalten seiner Ärzte kann der Apotheker natürlich nicht beeinflussen. Für ihn ist es aber wichtig, den wirtschaftlichen Stellenwert seiner Hauptverordner zu kennen, um z.B. Entscheidungen zur Standortsicherung (ggf. Mietkostenzuschüsse oder Ähnliches) treffen zu können. Reduzieren sich die Roherträge der Apotheke im Zeitverlauf generell, ist gegebenenfalls auch eine Verlagerung des eigenen Standortes zu prüfen.
Die Kennzahlen für den kompletten GKV-Verordnungsbereich der Apotheke A werden in der Tabelle (am Ende dieses Absatzes) dargestellt. Auch in der Gesamtbetrachtung des GKV-Verordnungsbereiches der Apotheke A ist 2016 im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg des Packungsdurchschnittswerts um 5,40 € und ein Rückgang der Packungszahlen (–1.050 Stück) zu verzeichnen. Allerdings ergibt sich durch den gestiegenen Rezeptumsatz im GKV-Bereich ein nahezu identischer Rohertrag. Das heißt, die Ursachen des Rohertragsrückgangs bei Apotheke A im Jahr 2016 liegen nicht im GKV-Bereich. Weitere Kennzahlen und Analysen sind erforderlich.
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Umsatzstruktur und Kennzahlen
Im Zuge der Jahresplanung für 2016 hatte Apotheker A neben den Kennzahlen zu seinen Ärzten bereits weitere Kennzahlen (Planwerte) für die einzelnen Umsatzbereiche seiner Apotheke festgelegt. Das kommt ihm nun bei der Klärung der Ursachen für den Rohertragsverlust zugute. Apotheker A hatte die Umsatzbereiche seiner Apotheke wie in der Tabelle unten dargestellt geplant.
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Die Auswertung der Umsatzerlöse insgesamt stellt sich zunächst positiv dar. Die Umsatzsteigerung im Vergleich zum Vorjahr bewegt sich mit 4,8 % im branchenüblichen Rahmen. Außerdem liegen die 2016 erreichten Gesamtumsatzerlöse sogar mit 35.000 € (+1,8 %) über dem von Apotheker A geplanten Wert. Aber trotz der guten Umsatzentwicklung ist der Rohertrag gesunken, im Vergleich zum Vorjahr um 10.000 € Euro (– 2,3 %) und zur Planung 2016 sogar um 20.000 € (– 4,5 %).
Da die Analyse aller Ärzte bereits ergeben hat, dass der Rohertragsverlust nicht im GKV-Bereich zu finden ist, müssen demnach die Ursachen in den anderen Umsatzbereichen liegen. Im PKV-Bereich stellt sich die Entwicklung der Umsatzerlöse ähnlich wie im GKV-Bereich dar. Die Planwerte wurden zwar nicht übertroffen, aber zumindest erreicht.
Ursache des Rohertragsverlusts liegt im OTC-Bereich
Im OTC-Bereich allerdings verzeichnet Apotheke A einen Rückgang der Umsatzerlöse um 25.000 € (–16,7 %) zum Vorjahr und um 30.000 € (–19,4 %) gegenüber den Planwerten. Das ist die entscheidende Ursache des Rohertragsverlustes. Für Apotheker A bedeutet dies, dass sich die separate Planung und Auswertung der Umsatzerlöse mindestens nach den oben genannten Bereichen bewährt hat. Diese Kennzahlen werden deshalb auch künftig Bestandteil seines Frühwarnsystems sein.
Weiterführend analysiert Apotheker A nun die einzelnen Umsatzbereiche im Hinblick auf ihre mengenmäßige Entwicklung (Absatz) sowie bezüglich ihrer Roherträge. Hierfür verwendet er Kennzahlen, die die Versorgungsaufgabe und das Ergebnis weiter quantifizieren. Insofern sind Zeitreihen von Kunden- und Packungszahlen sowie der Rohertrag pro Kunde ebenfalls unentbehrlich für das Frühwarnsystem einer Apotheke. Apotheker A hat für seine Apotheke die in der obigen Tabelle dargestellten Werte (zusätzliche Kennzahlen) ermittelt
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Erfreulicherweise ist der Rohertrag pro Kunde im Vorjahresvergleich um 0,61 € (+ 5,4 %) gestiegen. Die positive Einschätzung relativiert sich allerdings, da die Steigerung bei höheren Umsätzen mit niedrigeren Kundenzahlen erreicht wird. Spätestens beim Rückgang der Kundenzahlen sollten im Frühwarnsystem alle Warnsignale auf Rot stehen. Ziel ist immer, die Kundenzahlen zumindest auf Vorjahresniveau zu halten.
Für den GKV-Bereich der Apotheke A wurde bereits gezeigt, dass kein Rohertragsverlust zu verzeichnen ist. Im PKV-Bereich ergibt sich aufgrund der Erhöhung des Packungsdurchschnittswerts bei gleichzeitiger Erhöhung der Umsatzerlöse ebenfalls im Wesentlichen keine Veränderung des Rohertrags (bei gleichem Packungsdurchschnittswert wie im GKV-Bereich, allerdings ohne Abführung des GKV-Abschlages).
Kritisch zu beurteilen ist die Entwicklung im OTC-Bereich. Die OTC-Packungszahlen weisen einen deutlich höheren Rückgang (–16,0 %) als im GKV-Bereich (–3,0 %) und im PKV-Bereich (– 4,5 %) auf. Das heißt, die Ursachen des 2016 entstandenen Rohertragsverlustes (im Vergleich zu 2015 rund 10.000 €) liegen bei Apotheke A im Rückgang der Kundenzahl und der übermäßigen Reduzierung der im OTC-Bereich verkauften Packungen. Wäre das Frühwarnsystem bereits 2016 in der Apotheke integriert worden, dann wäre die Fehlentwicklung leichter und deutlich früher zu erkennen gewesen.
Ursachen klären
Für das Jahr 2016 sind deshalb weiterführend unbedingt die einzelnen Ursachen zu klären. Liegen diese eventuell in einer schwächeren Verkaufsaktivität der Mitarbeiter oder haben die Wettbewerber ein intensiveres Marketing betrieben? Ist Ersteres der Fall, sollten die Mitarbeiter stärker für die Problematik sensibilisiert und z.B. ein Leistungsmodell in Betracht gezogen werden. Im zweiten Fall wäre das aktuelle Marketing zu überdenken und gegebenenfalls durch wirksamere Maßnahmen (Aktionen, Flyer, „intelligentes“ Rabattmodell etc.) auszubauen, um abgewanderte Kunden zurückzugewinnen und bestehende Kunden zu binden.
Wie auch bei der Beurteilung von Maßnahmen bezüglich einzelner Ärzte, gilt es, für die Gesamtumsatzerlöse einen Mindestrohertrag im Frühwarnsystem festzulegen. Denn aus dem Rohertrag müssen alle Aufwendungen finanziert werden. Im Gegensatz zu den Umsatzerlösen und den Wareneinsätzen sind die betrieblichen Aufwendungen weitestgehend konstant. Der notwendige Mindestrohertrag der Apotheke ergibt sich unter Berücksichtigung der betrieblichen Aufwendungen, der Steuern, der Tilgung von Darlehen, der Vorsorgeaufwendungen und der Kosten für die private Lebenshaltung des Inhabers. Hierdurch wird die komplette betriebliche und private Situation des Apothekers im Frühwarnsystem abgebildet.
Frühwarnsystem unabdingbar für erfolgreiche Apotheken
Das Beispiel von Apotheker A zeigt die Notwendigkeit eines Frühwarnsystems: Ohne wird es immer schwieriger, eine Apotheke erfolgreich zu führen. Mithilfe eines bereits integrierten Frühwarnsystems wären die Fehlentwicklungen schon früher sichtbar gewesen und der Rohertragsverlust von 10.000 € zumindest geringer ausgefallen. Die Auswahl der in das Frühwarnsystem aufzunehmenden Kennzahlen sollte allerdings mit Bedacht erfolgen, damit man nicht zum Schluss von Kennzahlen erdrückt wird und vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(03):6-6