Unterschiedliche Entwicklungen

Ladenmieten 2016/2017


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Jahr für Jahr analysieren wir die Ladenmieten in wichtigen Städten und Metropolregionen. Welche Preise werden aktuell bezahlt, welche Mieten sind für Apotheken lageabhängig vertretbar? Macht der allgemeine Immobilienboom attraktive Ladenlokale unerschwinglich?

Am Ende dieses Beitrages finden Sie wie gewohnt eine Städtetabelle mit den aktuellen Mietpreisen in verschiedenen Geschäftslagen. Die Daten wurden freundlicherweise vom IVD – Immobilienverband Deutschland e.V. (www.ivd.net) zur Verfügung gestellt. Eine ausführliche Publikation, die selbst kleinere Gemeinden bis auf Kreisstadtebene umfasst, ist dort ebenfalls erhältlich (Stichwort IVD Gewerbe-Preisspiegel 2016/2017).

Typischerweise werden in diesen Preisspiegeln verschiedene Geschäftslagen unterschieden. Eine 1A-Spitzenlage markiert – nomen est omen – herausragend gelegene Objekte an höchstfrequentierten Orten („mitten auf der Düsseldorfer Kö“) mit in der Spitze um oder gar etwas über 10.000 Passanten je Stunde zu Haupteinkaufszeiten. 1A-Lagen sind immer noch sehr gute Lagen auf den Haupt-Einkaufsmeilen, in größeren Städten bedeutet das immer noch Passantenströme von etlichen Tausend pro Stunde tagsüber zu Einkaufszeiten. Darunter nimmt der Menschenstrom zunehmend ab, so wird bisweilen noch die 1A-„Edellage“ (gerne für hoch- und höchstwertige Mode- und Schmuckläden) unterschieden. Immerhin bewegen sich dort je Hauptverkehrsstunde noch Personen im unteren vierstelligen Bereich.

In 1B-Lagen sind es meist nur noch einige Hundert Passanten je Stunde. Eine Apotheke kann aus der reinen Passantenfrequenz heraus in der Regel mit etwa 1 % bis allenfalls 2 % „Abschöpfungsquote“ profitieren. Reicht das nicht – wie in den meisten Lagen –, sind es die „apothekenfreundlichen“ Kundenbringer wie Arztpraxen oder Läden des täglichen Bedarfs sowie schlicht die umliegende Wohnbevölkerung (zunehmend auch in der Innenstadt), die den Standort dennoch tragfähig machen können.

1A- und 1B-Lagen gibt es sowohl in den Geschäftskernen („Köln Mitte“) als auch in den in der Regel weit günstigeren Nebenkernen entsprechend einer mehr oder weniger zentralen Lage in einem größeren Stadtteil. In manchen Metropolen haben allerdings bereits einzelne Stadtteile die Dimension einer Großstadt.

Bestimmende Faktoren

In den typischen Frequenzlagen wird die Passantenzahl bezahlt – und deren „Wert“, welcher durch soziodemografische Faktoren bestimmt wird. Das sind vor allem:

  • Kaufkraft, abhängig von (wie hoch bezahlten?) Arbeitsplätzen, Bevölkerungsstruktur und Vermögenslage vor Ort: „Wo viel ist, wird viel bezahlt!“
  • Zentralität des Ortes: Zieht der Ort Menschen zum Einkaufen an, oder gehen die Leute in andere Orte? Eine Zentralität von 100% markiert Ausgeglichenheit, über 100% werden Kunden von außen angezogen.
  • Die allgemeine Attraktivität des Ortes und demografische Faktoren: Gewinner- oder Verlierer-Gemeinde?
  • Lokale Angebots- und Nachfrage-Situation, auch mit der Gefahr eines drohenden Angebotsüberhangs und der Verschiebung von Standortwertigkeiten. In einigen Städten wurden bzw. werden Center und Ladenflächen wie wild „entwickelt“, mit Gewinnern und Verlierern. Wohlgemerkt: Wir reden von Ladenflächen, nicht von Wohnungen!

Explodierende Mieten?

Die Analyse der Mieten unserer Städteauswahl (siehe Tabelle am Ende) zeigt im letzten Jahr einen Anstieg von im Schnitt 2,6 % bei den 1A-Lagen im Zentrum und etwa 2 % bei den 1B-Geschäftskern- sowie 1A-Nebenkernlagen. 1B-Stadtteillagen stagnieren. Anders als bei Wohnimmobilien, wo die Mieten und noch viel mehr die Kaufpreise teils förmlich in die Höhe schießen und die Nachfrage das Angebot in den attraktiven Regionen teils erheblich übersteigt (mit wachsender Tendenz), entwickeln sich die Ladenmieten auf einem überschaubareren Niveau, allerdings gerade in Spitzenlagen von einem sehr hohen Ausgangslevel ausgehend. In nicht wenigen Stadtrand- und Stadtteilzentren, an denen der Zahn der Zeit nagt bzw. wo sich die Sozialstruktur zunehmend schwierig gestaltet, nehmen dagegen die Ladenleerstände zu und finden selbst passable Flächen längere Zeit keine Mieter, und das durchaus in ansonsten prosperierenden Städten.

Andererseits steigen die Baukosten spürbar, wird die Entwicklung neuer Projekte immer aufwendiger. Selbst bei im Zuge der Niedrigzinsen reduzierten Renditeerwartungen versuchen daher die Vermieter von Ladenflächen, aus halbwegs attraktiven Ladenlokalen herauszuholen, was geht. So sind z.B. die Mietpreisvorstellungen bei Center-Neuvermietungen teils spürbar gestiegen.

Ballungsgebiete

Die Haushaltsnettoeinkommen in den Ballungsräumen sind, bei niedrigerer Arbeitslosigkeit, oft deutlich höher als im Bundesdurchschnitt, wobei die einzelnen Regionen in einer Schwankungsbreite von 15 % bis 20 % differieren. Insoweit findet sich das meiste Geld in den Großräumen Stuttgart, München und Bodenseekreis, am wenigsten in Münster/Osnabrück sowie Berlin/Potsdam. Die restlichen Metropolregionen liegen mit Werten von gut 40.000 € bis 45.000 € pro Jahr relativ eng beieinander. In den letzten 15 Jahren kam zudem ein erhebliches Bevölkerungswachstum hinzu, in der Spitze gut 370.000 in der Region München. Aber auch andere Metropolregionen wuchsen um den Betrag einer Großstadt. Das ebnet den Weg für neue Apotheken (bzw. beflügelt bestehende), während andernorts die Einwohner schwinden. Strukturwandel nennt man so etwas, an welchem viele Existenzen hängen.

Tragbare Apothekenmieten

Hört man 50 €, 60 € oder gar dreistellige Mietpreise je Monat und Quadratmeter, fällt den meisten Apothekern das Herz in die Hose – vielfach berechtigt, aber eben nicht immer. In Hochfrequenzlagen liegen Chance und Risiko dicht beieinander. Wer sich für überwiegende Frequenzstandorte interessiert, muss zuerst einmal analysieren:

  • Wie viele Menschen gehen tatsächlich an der Apotheke vorbei (und nicht auf der gegenüberliegenden Seite, an der Kreuzung 20 Meter weiter usw.)?
  • Wie hoch ist die Abschöpfung? Die reine Straßenabschöpfung (ohne Praxen rechts und links oder einen angrenzenden Lebensmittler, ähnlich auch in Pendler-Bahnhöfen) liegt bei 1 % bis 2 % der Passanten, in schlechter Lage in einem Center bzw. einige Meter vom Haupteingang entfernt bei 4 % bis 6 % der dortigen Bonkunden. Innerhalb eines Centers werden in optimaler, kassennaher Lage 8 % bis 10 %, in Einzelfällen sogar darüber, bezogen auf die dortigen tatsächlichen Bonkunden erreicht (Bonkunden sind diejenigen, die etwas kaufen, also ohne Begleitpersonen, Spaziergänger usw.; bei Straßenzählungen werden hingegen nur „Köpfe“ gezählt).
  • Wie viele Kunden könnten also pro Tag bzw. pro Jahr in die Apotheke kommen?
  • Wie hoch ist der Bonwert bzw. Bonertrag einzuschätzen? Ohne Ärzte in der Nähe erzielen Sie gern um 20 € Umsatz bzw. um 6 € Ertrag je Kunde, in kaufkraftschwachen Lagen teils darunter, in „hochwertigen“ Lagen teils weit darüber. Dennoch wird der Bonertrag in Frequenzapotheken i.d.R. deutlich hinter den mittlerweile rund 10 € der „klassischen“ Apotheken zurückbleiben.

Als nächstes kommt die Frage: Was bezahlen Sie schlussendlich an Raumkosten je Kunde? Wie hoch wird der Anteil am Bonertrag sein? Rechnen Sie grundsätzlich mit den gesamten zu erwartenden Raumkosten „warm“ inklusive aller Nebenkosten. Hier gibt es oft nochmals Überraschungen im Vergleich zu den in den Preisspiegeln ausgewiesenen Kaltmieten.

Rohertrag je Kunde als Basis

Dieser Rohertragskuchen je Kunde muss nun aufgeschnitten werden. Wer z.B. mit 7,00 € Bonertrag rechnet, kann nicht 4 € bis 4,50 € für Personal aufwenden wie der Durchschnitt. Es muss mit 3 € oder weniger wie in Centerlagen gehen, ansonsten bekommen Sie bereits an dieser Stelle Probleme. Wenn Sie jedem Kunden 0,40 € bis 0,50 € für Marketing und Kundenbindung gönnen, 1 € je Kunde sonstige Betriebs- und Kapitalkosten haben, und mindestens 1,50 € je Kunde verdienen wollen, bleiben für die Raumkosten etwa 1 € je Kunde. Wenn z.B. 120.000 € Raumkosten jährlich zu Buche stehen, brauchen Sie unter 120.000 Apothekenkunden p.a. gar nicht erst nachzudenken. Das müssen eben wiederum die Frequenz, der Abschöpfungsgrad und sonstige Umsatzbringer wie benachbarte Ärzte hergeben.

Als Faustregel können Sie von einer auf Dauer schon riskanten Obergrenze von 20 % Raumkosten vom Rohertrag ausgehen, „gesund“ sind Werte deutlich unter 15 %. Das ist der gedankliche Angang im Telegrammstil. Im Detail muss man das weit intensiver betrachten, ggf. sollten Sie erfahrene Fachleute zu Rate ziehen.

Zu guter Letzt sind Hochfrequenzstandorte heute erheblichen Schwankungen ausgesetzt, grundbedarfsorientierte Center am wenigsten, „Shopping-Meilen“ in der Innenstadt umso mehr. Belastende, langwierige Bauaktivitäten (ein großes Thema), die Verschiebung von Einkaufstrends, Wertigkeiten, Attraktivitäten und damit Passantenströmen, das alles überschattende Thema Online-Handel: Sie können vielfach nicht davon ausgehen, dass ein heute bestehender Kundenzustrom längerfristig garantiert ist. Das Geschäftsmodell muss auch ein Minus im Bereich von in jedem Fall ca. 20 % bis 25 % verkraften können. Das ist in Form von „Szenario-Rechnungen“ individuell herauszuarbeiten.

Schlussfolgerungen

Für reine Frequenzlagen gilt „erstklassig oder gar nicht“. Hohe Mieten relativieren sich durch die gebotenen Passantenströme, allerdings nicht für alle Einzelhandelszweige gleichermaßen! Textil- und Mobilfunkläden, Juweliere oder „Fressbuden“ kalkulieren anders als der Buchhandel, ein Spielwarengeschäft oder eben eine Apotheke. Somit sind Hochfrequenzlagen einerseits extrem begehrt, andererseits finden sich dort eben nur noch bestimmte Einzelhandelssegmente, die das bezahlen können. An dieser Stelle kommen dann die viel günstigeren Stadtteil- und Nebenkernlagen mit Praxen und Wohnbevölkerung im Einzugsbereich gerade für die Apotheken ins Spiel.

Apotheker Dr. Reinhard Herzog, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(04):4-4