Helmut Lehr
Für volljährige Kinder werden Kindergeld und Kinderfreibeträge gewährt, wenn sie sich in (ggf. erstmaliger) Berufsausbildung befinden und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Nach Abschluss der Berufsausbildung entfällt die Förderung in aller Regel.
Die Dienstanweisung zum Kindergeld stellt klar, dass das Ausbildungsverhältnis bereits dann endet, wenn die vorgeschriebene Abschlussprüfung vor Ablauf der vertragsmäßigen Ausbildungszeit bestanden wurde1).
Auf dem Arbeitsmarkt verfügbar?
Nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg2) besteht der Kindergeldanspruch allerdings weiter, sofern das Kind nach Ablegung der Prüfung aufgrund des Ausbildungsvertrages noch nicht dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.
Im Streitfall hatte die Tochter der Klägerin eine dreijährige Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin absolviert. Der Schul- und Praxisvertrag begann zum 1. September 2012 und endete am 31. August 2015. Weil die Tochter ihre Abschlussprüfung bereits am 20. Juli 2015 bestanden hatte, verweigerte die Familienkasse das Kindergeld für den Monat August 2015 und verwies auf die bereits beendete Ausbildung.
Die Klage hatte Erfolg, weil die Tochter gemäß dem abgeschlossenen Ausbildungsvertrag ihrer Ausbildungsstelle – gegen Gewährung einer entsprechenden Ausbildungsvergütung – bis Ende August 2015 zur Verfügung zu stehen hatte. Sie stand somit im August 2015 noch nicht dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung und war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht berechtigt, ihre Berufsbezeichnung zu führen.
Hinweis: Im Streitfall war offenbar auch entscheidend, dass das Berufsausbildungsgesetz gemäß dem abgeschlossenen Ausbildungsvertrag ausdrücklich nicht zur Anwendung kam. Nach § 21 Absatz 2 Berufsausbildungsgesetz endet die Berufsausbildung nämlich bereits mit Bekanntgabe der Ergebnisse der Abschlussprüfung durch den Prüfungsausschuss.
Praktikum in einem Tattoo-Studio
In der Praxis wird nicht selten darüber gestritten, ob überhaupt eine Berufsausbildung im Sinne des Steuerrechts vorliegt, die zur Inanspruchnahme der kindbedingten Vergünstigungen führt. So auch in einem Fall, über den das Finanzgericht Düsseldorf kürzlich zu entscheiden hatte3).
Der Sohn des Klägers hatte ein mehr als 16 Monate dauerndes Praktikum in einem Tattoo-Studio absolviert mit einer wöchentlichen „Arbeitszeit“ von 15 Stunden. Die Familienkasse wertete die Tätigkeit nicht als Berufsausbildung und verweigerte das Kindergeld.
Auch in diesem Fall war die Klage erfolgreich. Das Finanzgericht gelangte zu der Überzeugung, dass der Sohn im Rahmen des Praktikums Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hatte, die er für den Beruf „Tätowierer“ benötigte. Gerade weil die Ausbildung zum Tätowierer gesetzlich nicht geregelt ist, sind laut Finanzgericht (natürlich) mehrere Wege denkbar, die benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben.
Hinweis: Dass die Ausbildung erfolgreich war, zeigte letztlich auch die Tatsache, dass der Sohn danach eine Tätigkeit als Tätowierer aufgenommen hat.
Kinderbetreuung in einem Internat
Kinderbetreuungskosten können in Höhe von zwei Dritteln, maximal 4.000 €/Jahr als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Nach offizieller Verwaltungsauffassung ist unter Betreuung die behütende oder beaufsichtigende Betreuung zu verstehen, das heißt, die persönliche Fürsorge für das Kind muss der Dienstleistung erkennbar zugrunde liegen4). Berücksichtigt werden können danach beispielsweise Aufwendungen für die Unterbringung von Kindern in Kindergärten, Kindertagesstätten, Kinderhorten, Kinderheimen und Kinderkrippen sowie bei Tagesmüttern.
Vor diesem Hintergrund hatte ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für die Ganztagsschule seiner Tochter geltend gemacht. Während der Schulwochen war das Kind in dem der Schule angegliederten und in der Trägerschaft des Landkreises stehenden Internat untergebracht. Nach der Erziehungsvereinbarung hat das Internat neben der Unterbringung und Verpflegung auch für die Erziehung, gesundheitliche Betreuung und Freizeitgestaltung Sorge zu tragen.
Das Finanzamt ließ die „Unterkunftskosten“ unberücksichtigt, weil keine klare Trennung zwischen den Aufwendungen für die Unterkunft und für die Betreuung möglich sei.
Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht verwies auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach der vom Gesetz nicht definierte Begriff der Kinderbetreuung weit zu fassen sei. Er umfasse grundsätzlich auch die Personensorge im Sinne des § 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und auch Elemente der Pflege und Erziehung, also die Sorge für das geistige, seelische und körperliche Wohl des Kindes, mithin die pädagogisch sinnvolle Beaufsichtigung. Das Gericht sah auch nicht recht ein, worin der Unterschied zwischen einem selbst laut Bundesfinanzministerium begünstigten Kinderheim und einem Internat bestehen soll.
Hinweis: Gestritten wurde vorliegend nicht über die Verpflegungskosten, da der Kläger diesen Teil der Aufwendungen (zu Recht) gar nicht erst geltend gemacht hatte.
1) Vgl. Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz vom 22. August 2016, Bundessteuerblatt 2016 Teil I, Seite 826.
2) Vgl. Urteil vom 19. Oktober 2016, Aktenzeichen 7 K 407/16.
3) Vgl. Urteil vom 4. Oktober 2016, Aktenzeichen 10 K 1416/16 AO.
4) Vgl. Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 14. März 2012, Aktenzeichen IV C 4 – S 2221/07/ 0012 :012.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(07):18-18