Filialleiter und Chefvertretungen

Führen ohne Vorgesetztenfunktion


Karin Wahl

Die klassischen Hierarchieebenen haben sich in den Apotheken in den letzten zehn Jahren stark verändert. In Filialstrukturen gibt es zwar immer noch den Inhaber als „Oberchef“, aber in den Filialen sind Filialleiter die „Unterchefs“ – mit allerlei praktischen Herausforderungen.

„Chefvertretungen“ fallen ebenfalls unter die Spezialkategorie „Unterchefs“. Stets bleibt jedoch der Inhaber in der Gesamtverantwortung für seine Apotheke(n):

  • Im Handelsregister firmiert er als eingetragene(r) Kaufmann bzw. Kauffrau und Inhaber,
  • die Betriebserlaubnis läuft auf seinen Namen,
  • er ist Mieter oder Besitzer der Apothekenräume,
  • alle Apothekenkonten, Versicherungen etc. laufen auf ihn,
  • er ist der Vertragspartner gegenüber allen Lieferanten und Dienstleistern wie Reinigungsfirmen etc.,
  • er ist Arbeitgeber und unterschreibt die Arbeitsverträge,
  • er ist uneingeschränkt weisungsbefugt und
  • er kann alleine einstellen oder entlassen (Ausnahme OHG, hier müssen alle OHG-Partner gemeinsam entscheiden).

Somit können weder ein Filialleiter noch eine Chefvertretung auf die gleiche Stufe mit dem Apothekeninhaber gestellt werden.

Temporäre Chefvertretungen

Häufig werden hier nur mündliche Absprachen getroffen und das vorhandene Personal bekommt vom Inhaber für diese Zeit Aufgaben im Bank- und Finanzbereich übertragen oder das Öffnen der Post. Befristete Vertretungen sollen in den Augen der meisten Chefs nicht zu viel Einblick in die Finanzen bekommen. Festangestellte PKAs und PTAs werden somit die vom Chef übertragenen Spezialaufträge wie Bankeinzahlungen und das abendliche „Kasse machen“ vertraulich und loyal ausführen. Die Urlaubsvertretung stellt ihre Approbation zur Verfügung, samt Übernahme der Verantwortung.

Die Suche nach Vertretungen gerade im ländlichen Bereich wird immer schwieriger. Über ihr Beratungswissen hinaus beherrschen nur wenige Allrounder alle EDV-Systeme oder Kommissionierautomaten. Jeder Apotheker ist somit froh um eine Zusage. Dabei wird das Personal in die Auswahl selten einbezogen. Die Urlaubsvertretung kennt in der Regel auch nicht die Praktiken und Gepflogenheiten der jeweiligen Apotheke. Deshalb empfiehlt es sich, im Vertrag mit der Vertretung zu regeln, welche Befugnisse der Inhaber ihr in der Vertretungszeit überträgt. Probleme können sich ergeben, wenn

  • die Vertretung mit den Mitarbeitern nicht zurechtkommt,
  • Mitarbeiter Aufgaben ausführen, die nicht ihrem Berufsbild entsprechen (PKA im Handverkauf), oder „Spezialkunden“ Rx-Arzneimittel ohne Rezept bekommen,
  • Mitarbeiter sich Weisungen der Vertretung widersetzen,
  • das Team die Vertretung nicht unterstützt oder sie ins „Messer laufen lässt“,
  • sich Mitarbeiter aus Protest gegen eine Anweisung krankschreiben lassen,
  • Arbeitszeiten nicht eingehalten werden.

Solche Themen sollten vorab aktiv angesprochen werden!

Eine Chefvertretung wird sich in der Regel bemühen, mit dem Team und allen Kunden zurechtzukommen. Hat man erst einmal das Vertrauen des Teams gewonnen und entlastet die Mitarbeiter durch laufende Präsenz im Handverkauf, sind diese erfahrungsgemäß sehr dankbar, weil sie dann auch zu ihren Zusatzaufgaben wie Rezeptur, Warenannahme, Auffüllen und Laborarbeiten kommen.

Vertrauen und Respekt muss sich die Vertretung durch Kompetenz und Führungseigenschaften auf der Basis eines „Primus inter Pares“ erarbeiten. Die Vertretung ist angestellt wie alle anderen Mitarbeiter, trägt aber als Approbierte(r) die Verantwortung für einen ordnungsgemäßen Betrieb. Fördert sie noch die Mitarbeiter durch Wissensweitergabe, werden diese womöglich für das nächste Jahr ausdrücklich jene Person wieder als Urlaubsvertretung haben wollen.

„Sandwichposition“ Filialleiter

Angesichts der immer noch steigenden Filialzahlen (siehe Abbildung unten) sind gute Filialleiter eine rare und gefragte Spezies. Manche Filialleiter hingegen fühlen sich wie der „Käse im Sandwich“, weil sie, wenn es unglücklich läuft, sich sowohl dem Druck „von unten“ wie „von oben“ ausgesetzt sehen.

Es handelt sich oft um junge Approbierte, die einige Jahre in der „Lernfunktion“ eines Filialleiters im Vorgriff auf den Kauf der eigenen Apotheke arbeiten möchten. Sie sind häufig hoch motiviert, weil sie Erfahrung sammeln wollen, ohne noch das Risiko des Selbstständigen tragen zu müssen. Leider ist es deshalb oft nur eine Beziehung auf (eine zu kurze) Zeit.

Bei Filialleitern genügt es nicht, nur einen modifizierten Arbeitsvertrag aufzusetzen. Ein verantwortungsvoller Arbeitgeber wird mit dem Betreffenden im Vorfeld die Aufgaben, Kompetenzen und Grenzen abstecken. Dabei kommen je nach Chefstruktur ganz unterschiedliche Ergebnisse zustande. Ein Kontrollfreak, der keine Verantwortung abgeben will und möglichst alle Filialen „Top-down“ weiter „regieren“ will, wird mit der Übertragung von Kompetenzen sehr sparsam sein. Ein liberaler Chef wird sich die Bewerber zwar sehr genau ansehen, ihnen dann aber im Laufe der Zeit immer mehr Kompetenzen übertragen. Erfahrungsgemäß schließt aber selbst ein liberaler Chef das Einstellen oder Kündigen von Mitarbeitern seitens der Filialleitung aus (was den Filialleiter dann ggf. arbeitsrechtlich zu einem „leitenden Angestellten“ machen würde, mit diversen Konsequenzen).

Hierin kann dann im Laufe der Zeit viel Sprengstoff liegen, wenn sich Teammitglieder nicht mit den meistens jüngeren Filialleitern vertragen. Um eine Filiale erfolgreich zu machen, bedarf es aber nun einmal einer guten Führungskraft als „Subchef“!

In Schulungen investieren

Es kann einem Arbeitgeber nur empfohlen werden, Filialleitern entsprechende Führungskräfte-Seminare zu sponsern. So gibt es sehr günstige und hilfreiche berufsübergreifende Seminare z.B. bei den Industrie- und Handelskammern. Denn gerade in dieser Funktion genügt es nicht, nur ein qualifizierter Apotheker zu sein. Man braucht Führungsqualitäten, sonst tanzen einem die Mitarbeiter auf der Nase herum. Mitarbeiter haben ganz feine Sensoren für Schwäche und Unsicherheit und nutzen das ganz schnell in ihrem Sinne aus. Mit Kompetenz hingegen erwirbt man sich auch den erwarteten Respekt.

Bevor Sie also einem Fremden die Führung Ihrer Filialapotheke übertragen, sollten Sie den Kandidaten fit für den Job machen bzw. jemanden wählen, der Fortbildungen im kaufmännischen, ökonomischen und Management-Bereich absolviert hat. Eine positive Ausstrahlung auf Team wie Kunden sollte selbstverständlich sein.

Viel zu viele Filialen sind wegen dieses unterschätzten Themas teils mit hohen Verlusten gescheitert!

Den Rücken stärken

Grundvoraussetzung für ein gedeihliches Miteinander von Chef und Filialleiter sind die regelmäßige Kommunikation einschließlich „Briefing“ und Zielvereinbarungen. Gibt es Konflikte, muss der Chef zunächst dem Filialleiter die Chance geben, diese als Führungskraft selbst zu lösen – nach Absprache und dann mit Ihrer vollen Rückendeckung. Andererseits sollte ein Filialleiter sich weder als Pseudochef aufspielen noch in Kumpanei mit dem Team verfallen, denn beides stört den Betriebsfrieden und das Arbeitsklima.

In anderen Branchen ist die Problematik des Führens, ohne wirklich leitender Angestellter zu sein, ein Dauerbrenner, da es in Konzernen immer einen Chef über dem Chef gibt. Als Arbeitgeber sollten Sie sich mit dieser Thematik vertraut machen, denn immerhin geben Sie einen Teil Ihres Besitzes in gutem Glauben in fremde Hände und erwarten zudem noch einen Erfolg.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmens- beratung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(08):7-7