Nicht stolpern beim Apothekenverkauf

Die sieben größten Fallstricke


Bernd Schubert

Das Lebenswerk in fremde Hände übergeben – mit dieser Aufgabe werden sich in den kommenden Jahren viele Apothekenleiter beschäftigen, da sie dem Rentenalter unaufhaltsam näherrücken. Beim Verkauf der Apotheke gilt es, etliche Stolperfallen zu vermeiden.

Zum emotionalen Aspekt – die über viele Jahre hinweg mit Liebe und Engagement aufgebaute Apotheke, das eigene „Baby“, einfach jemand anderem zu überlassen, fällt vielen nicht leicht – kommt die Tatsache, dass ein Apothekenverkauf kein einfaches Unterfangen ist. Wer die Übergabe unterschätzt, könnte sich beim Stolpern über die zahlreichen Fallstricke leicht das Bein brechen.

Mehr als ein Drittel aller Apothekeninhaber sind derzeit bereits über 55 Jahre alt; der verdiente Ruhestand rückt allmählich in Sichtweite. Zeit also, sich langsam mit dem Gedanken an die Übergabe anzufreunden! Ein Vorlauf von fünf Jahren ist für den erfolgreichen Verkauf durchaus realistisch. Nicht zuletzt deshalb, weil es sowohl auf Verkäufer- als auch auf Interessentenseite etliches zu beachten gilt.

1. Auf das richtige Timing kommt es an

Die Gebrechen des Alters machen es unmöglich, den täglichen Herausforderungen im erforderlichen Maße nachzukommen? Finanzielle Engpässe zwingen zum Verkauf? Eigentlich ist es dann bereits zu spät, um die Apothekenübergabe zufriedenstellend abzuwickeln. Ein zu geringer zeitlicher Vorlauf bringt nämlich vor allem eines mit sich: extrem wenig Handlungsspielraum! Apotheker, die ihr Unternehmen in letzter Minute veräußern, haben eine deutlich schlechtere Verhandlungsposition und müssen ihr Lebenswerk im schlimmsten Fall zu einem Schleuderpreis an den erstbesten Interessenten abgeben. Die Übergabe sollte daher gut überlegt und rechtzeitig in Angriff genommen werden.

2. Wir brauchen einen Arzt!

Garant für ausreichende Kundenzahlen sind nach wie vor die in der Nähe gelegenen Arztpraxen – bietet es sich doch in den meisten Fällen an, das Rezept direkt nach der Diagnose gegen das verordnete Medikament einzutauschen. Beim Verkauf der Apotheke ist daher zwingend die Situation vor Ort zu analysieren und dabei auch der Blick in die Zukunft nicht zu scheuen: Welche Praxen liegen im Umkreis? Wie alt sind die Ärzte? Gibt es ggf. bereits einen Nachfolger? Oder muss in absehbarer Zeit mit Schließungen gerechnet werden?

Ist die Ärzteversorgung rund um die Apotheke unzureichend – insbesondere in ländlichen Gegenden keine Seltenheit –, kann das zum Verhängnis werden und letztlich das Aus für das Unternehmen bedeuten. Vielfach haben gerade Ärzte auf dem Land Schwierigkeiten, einen Nachfolger zu finden, da viele junge Mediziner eine Tätigkeit in der Stadt vorziehen. Hilfreich ist es, mit den bereits älteren Medizinern in der Umgebung frühzeitig in Kontakt zu treten. Möglicherweise gibt es Ansätze, den „Praxisverlust“ gemeinsam zu verhindern, z.B. indem der Apotheker den Arzt bei der Nachfolgesuche aktiv unterstützt.

3. Der Mietvertrag: Das Zünglein an der Waage

Ein nicht zu unterschätzender Faktor beim Apothekenverkauf ist der Mietvertrag – leider vielfach übersehen oder infolge von sorgloser Naivität auf die leichte Schulter genommen. Denn: Für den Käufer ergibt sich durch eine nicht ausreichende Laufzeit ein existenzbedrohendes Risiko. Mieterhöhungen und der erbarmungslose Konkurrenzkampf mit branchenfremden Interessenten um die zu vermietenden Flächen können die Freude an der übernommenen Apotheke schnell trüben. Der Vorteil vom krisensicheren Mieter, als der Apotheker und Ärzte lange Zeit galten, ist für viele Vermieter leider zur Nebensache geworden. Weil außerdem die Finanzierung der Apotheke von der Bank unweigerlich an den Mietvertrag gekoppelt wird, sind Verkäufer im Vorteil, die entsprechend lange Laufzeiten vorweisen können und deren Vermieter einer Weitervermietung an den Nachfolger positiv gegenüberstehen.

4. Mit Personal punkten

Die Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Gute Beratung, Fachwissen und Einfühlungsvermögen haben entscheidenden Einfluss darauf, ob der Besuch in der Apotheke eine einmalige Sache bleibt oder in eine nachhaltige Kundenbindung mündet – ein Aspekt, der auch angesichts der wachsenden Konkurrenz aus dem Internet nicht zu verachten ist! Dass der Faktor „Human Capital“ deshalb auch beim Verkauf der Apotheke eine Rolle spielt, steht außer Frage.

Dabei ist Folgendes zu beachten: Einerseits ist es natürlich schön für den Käufer, wenn er eine personell gut bestückte Apotheke übernimmt, deren Personal mit den Stammkunden bestens vertraut ist. Andererseits muss bekanntlich der Käufer das vorhandene Personal der Apotheke übernehmen. Daher können allzu hohe Personalkosten, die möglicherweise durch Mitarbeiter entstehen, die der neue Inhaber selbst nie eingestellt hätte, auch ein Kaufhindernis sein. Es gilt also, einen guten Mittelweg zu finden bei der Dicke der Personaldecke und den anfallenden Kosten.

5. Wer kauft schon die Katze im Sack?

Auch wenn es angesichts eventueller „Betriebsblindheit“ schwer fällt: Für den Übergabeprozess müssen sich Verkäufer unbedingt in einem unvoreingenommenen Blick üben. Vor allem dann, wenn es um die Einrichtung der Apotheke geht, ist eine realistische Einschätzung gefragt. Ist die vorhandene Technik noch zeitgemäß? Wirkt das Inventar ansprechend? Fühlt sich der Kunde wohl, wenn er die Räumlichkeiten betritt?

Auch der potenzielle Käufer wird sich vor Ort ein Bild machen, bevor er ernsthaftes Interesse ausspricht. Dieser erste Eindruck ist später kaum mehr zu revidieren. Wer nun vorhat, kurz vor dem Verkauf noch mal kräftig in Einrichtung und Gerätschaften zu investieren, irrt. Oft hat der Interessent ganz andere Vorstellungen und weiß das Engagement des Abgebers nicht zu schätzen. Das bedeutet aber nicht, gar nichts zu machen. Eine in die Jahre gekommene Apotheke mit frischer Farbe oder notwendigen Reparaturen „aufzuhübschen“, schadet sicher nicht.

6. Die rosarote Brille absetzen

Die als Beigabe zum Nasenspray vielfach an Kunden verschenkte Packung Taschentücher werden viele Apotheker selbst zu schätzen lernen, wenn sie erstmals mit den am Markt erzielbaren Preisen konfrontiert sind. Denn subjektiv betrachtet, treiben die gängigen Kaufpreise, die mit den noch vor 20 Jahren ausbezahlten Summen nichts mehr gemein haben, schnell Tränen in die Augen. Schließlich ist doch so viel Herzblut, Leidenschaft und kostbare Lebenszeit in das Unternehmen geflossen. Eine objektive, nüchterne Einschätzung und ein unverklärter Blick auf die Tatsachen tun hier not! Schließlich spielen beim Kaufpreis lediglich die knallharten Fakten, die genau zu analysieren sind, eine Rolle, z.B. der Zustand von Räumlichkeiten und Inventar, die Zusammensetzung des Umsatzes, die Kostenstruktur und das Betriebsergebnis, das Warensortiment, die Wettbewerbssituation oder auch die perspektivische Entwicklung. Der Stolz, den der Apotheker für sein Lebenswerk empfindet, muss leider außer Acht gelassen werden.

7. Rücksicht gehört zum guten Ton

Käufer und Verkäufer haben alle Details geklärt. Man kennt sich inzwischen, hat gute Gespräche geführt, Unterlagen ausgetauscht und den Vertrag zur Unterschriftsreife gebracht. Ein letzter Termin, bei dem der Kauf besiegelt werden soll, steht kurz bevor – und auf einmal bekommt der Käufer kalte Füße: Zweifel plagen ihn, Existenzängste drängen sich in den Vordergrund. „Ist es wirklich der richtige Schritt?“, fragt sich plötzlich auch der Verkäufer. Vielleicht ist die vereinbarte Summe doch zu gering? Steht das eigene Lebenswerk vor Veränderungen, die man selbst so nie gewollt hätte? Unsicherheit in letzter Minute ist völlig normal. Gegenseitige Rücksichtnahme, Fingerspitzengefühl und Verständnis für die Ängste des Gegenübers sind jetzt wichtig. Dann ist auch diese letzte Hürde schnell zu überwinden.

Bernd Schubert, Mitinhaber der Firma s.s.p. Wirtschaftsberatung für medizinische Heilberufe GmbH & Co. KG., E-Mail: bernd.schubert@ssp-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(11):7-7