Prof. Dr. Dieter Benatzky
Wenn wir z.B. das Wort „Hammer“ hören, dann entstehen in unserem Gehirn nicht nur die entsprechenden Assoziationen wie Heimwerken, blauer Daumen oder Ähnliches. Unser Gehirn plant sogar automatisch entsprechende Bewegungsabläufe. Hören wir den Satz „Peter tritt den Ball“, dann werden im Gehirn die entsprechenden Fußbewegungen simultan geplant.
Wir können also davon ausgehen, dass unsere Hinweise zur Wirkungsweise von Arzneimitteln bei den Patienten ähnliche unterbewusste Aktivitäten hervorrufen. Die Aussage „Dieses Medikament mobilisiert die Kräfte Ihres Körpers und sorgt dafür, dass die Schmerzen verschwinden …“, wird tatsächlich die schmerzlindernde Wirkung der Arznei verstärken. Dies beruht auf kognitiver Simulation. Dieser Automatismus erklärt übrigens auch die Effekte von Placebo und Nocebo.
Positiv denken und sprechen
Unser Gehirn ist so beschaffen, dass wir alle Dinge, Handlungen, Empfindungen und Vorgänge positiv und negativ beschreiben können. Wenn Krankheiten im Spiel sind, liegt es nahe, dass über deren negative Folgen gesprochen wird. Das ist aber gerade nicht im Sinne der Patienten. Denn die Beschreibung von Schmerzen oder sonstigen negativen Krankheitsfolgen verstärkt genau diese unliebsamen Zustände.
Negative Äußerungen kann niemand einfach abschütteln. Sie sind wie giftige Pfeile. Sie können körperliche Schmerzen zufügen. Das wurde von Psychologen der Uni Jena nachgewiesen. Im Rahmen einer Studie wurden die Probanden mit Worten wie „quälen“, „zermürben“ oder „plagen“ konfrontiert. Es wurde klar nachgewiesen, dass diese verbalen Reize in den entsprechenden Hirnarealen zu einer Aktivierung genau solcher Schmerzen führten.
Wir sollten also in der Apotheke gegenüber Patienten unter allen Umständen negative Äußerungen vermeiden und alles Negative positiv ausdrücken. Wir sprechen nicht darüber, wie Kopfschmerzen quälen können, sondern wie durch die Wirkung des Medikaments der Kopf wieder eine wunderbare Ruhe erhält und der Patient angenehm entspannen kann. Wir sprechen über Heilungsprozesse, über die Wiederherstellung der Gesundheit und die positiven Möglichkeiten und Wirkungen von Arzneimitteln.
Das Bewusstsein steuern
Das richtige Wort zur richtigen Zeit kann Realitäten verändern. Wir denken mit Worten, und mit diesen Worten können wir das Bewusstsein in bestimmte Richtungen lenken, ja es sogar gestalten. Das Bewusstsein wiederum schafft Realitäten. Daher ist die richtige Wortwahl so wichtig. Mit der Wortwahl können wir das Bewusstsein des Angesprochenen prägen, und diese Tatsache sollten wir unbedingt für die Gespräche mit unseren Kunden nutzen.
Das typische Beispiel für die Steuerung des Bewusstseins ist das zu 50 % gefüllte Wasserglas. Es ist eine Frage unserer Einstellung, ob wir dies halb voll oder halb leer nennen. Die objektive Tatsache ist völlig gleichgültig. Entscheidend für die Realität ist das Bewusstsein, welches wir durch die Wortwahl schaffen.
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Die Semantik erzeugt mit der Wortwahl in jedem Menschen einen Bedeutungsrahmen, der für die weitere Verarbeitung der Information beim Angesprochenen einerseits Perspektiven schaffen oder eben andererseits Grenzen setzen kann. Mit einem halb vollen Wasserglas fallen einem ganz andere Dinge ein als mit einem halb leeren. Den bewussten Einsatz der Semantik zur Schaffung bestimmter Bewusstseinszustände nennt man „Framing“. Dieses Phänomen wird insbesondere von der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) genutzt. In den USA handelt man Framing spätestens seit Barack Obamas Wahlkampf 2008 als Geheimrezept für gelungene Kampagnenführung. Vielen Experten wurde bewusst, wie die Worte das Bewusstsein und damit die Realität verändern können.
Schon der bewusste Gebrauch von Verbindungswörtern demonstriert, wie die Stimmung des Angesprochenen gesteuert werden kann. Das folgende Beispiel geht von der Tatsache aus, dass heute die Sonne scheint und es morgen regnen wird. Wie kommunizieren wir diese Tatsache? Wenn wir ein eher pessimistisches Bewusstsein erreichen möchten, dann benutzen wir das Verbindungswort „aber“, und der Satz lautet: „Heute scheint die Sonne, aber morgen wird es regnen.“
Halten wir uns eher im neutralen Bereich, dann lautet unsere Aussage: „Heute scheint die Sonne, und morgen wird es regnen.“ Möchten wir allerdings ein positives Bild vermitteln, dann sagen wir: „Heute scheint die Sonne, obwohl es morgen regnen wird.“
Dieses kleine Beispiel zeigt, wie nuanciert und vorsichtig wir mit der Sprache umgehen sollten. Sie hat enorme bewusstseinsgestaltende Kraft. Wir können z.B. das Bewusstsein von unseren Kunden auf die Schmerzfreiheit lenken, indem wir folgende Formulierung wählen: „Morgen können Sie den Frühlingstag wieder entspannt genießen, obwohl Sie heute der Schmerz plagt.“
Positive Bedeutungsrahmen
Vor allem aber sind es Substantive, welche Frames aktivieren. Wir erleben das täglich. In einer von Wachstum geprägten Wirtschaft möchten wir keine negativen Meldungen hören. Wenn das Wachstum nicht eingetreten ist, sprechen wir nicht von „Stagnation“, sondern von „Nullwachstum“. Die Abtreibung wird zum Schwangerschaftsabbruch und der Selbstmord zum Freitod.
Insbesondere die Gesundheitspolitik verwendet Frames, um eine ideologische Bewertung einer Tatsache vorzunehmen. Die Befürworter eines staatlichen Gesundheitswesens nennen ihr Modell eigenartigerweise „Bürgerversicherung“, während andere, liberal gesonnene Bürger eine kostenorientierte Versicherung bevorzugen, die als „Kopfpauschale“ verunglimpft wird.
Die unzähligen Gesundheitsreformgesetze sind Lehrbeispiele dafür, wie den Tatsachen durch entsprechende Semantik positive Bedeutungsrahmen verliehen werden. Das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) ist so ein Frame-Ungeheuer, welches keineswegs für höhere Wirtschaftlichkeit sorgt, sondern der Pharmaindustrie die Gewinne beschneidet.
Das Bewusstsein der Patienten sollte in der Apotheke auf Heilung, Befreiung von Krankheiten und neue Lebensfreude gerichtet werden. Wir sprechen daher von der Heilkraft der Medikamente bei der Befreiung von Schmerzen und von der Kraft der Wirkstoffe der Arzneimittel.
Die Worte wirken. Mit Worten können Sie das Gesundheitserlebnis in Ihrer Apotheke verstärken und den Apothekenbesuch noch attraktiver machen.
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Praktizieren Sie bewusst diese Möglichkeiten der Kommunikation mit Ihren Patienten. Sie werden erstaunt sein. Und dann trainieren Sie dies mit Ihrem Team –möglichst in Form von Rollenspielen. So können Sie eine „Corporate Communication“ für Ihre Apotheke entwickeln. Ihre Patienten werden eine bessere Compliance erhalten, und Sie können sicher sein, dass der Kreis Ihrer Stammkunden immer größer wird. Die Apotheke ist eben mehr als nur Einrichtung und Warenpräsentation. Sie ist vor allem ein Ort der Gesundheit und der Kommunikation!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(13):10-10