Mit der Zeit gehen!

Der mobile Kunde


Andreas Kinzel

Moderne Zeiten, moderne Kunden: Kunden vernetzen sich, kaufen und bestellen per Mobiltelefon von unterwegs. Durch die strategische Ausrichtung auf diese wachsende Kundengruppe kann sich die Apotheke ein modernes Image, Kundennähe und Mehrumsätze erarbeiten.

Sind Sie selbst eigentlich stets erreichbar? Was im Privaten immer stärker zur Bedrohung der inneren Ruhe wird, kann für die Apotheke gute Umsätze bedeuten. Sowohl die Arbeits- als auch die Privatwelt vernetzt sich immer stärker. Das Zusammenspiel von Smartphone, Tablet und multimedialer Werbung gibt dem Kunden laufend die Möglichkeiten, Bedürfnisse zu entwickeln, sie zu konkretisieren und dann (auch, aber nicht nur online) zu kaufen.

Dabei ist es für die Apotheke bedeutsam, den Kunden vor dem Einkauf im Internet abzufangen. Oft genügt nur ein einziger Klick. Also muss die Apotheke ihm das Vorbestellen und Einkaufen erleichtern. Aber wie?

Sicherlich verfügt jede Apotheke über Internet, Telefon und Anrufbeantworter, doch wird das alles auch effektiv genutzt? Der Anrufbeantworter nützt nichts, wenn er nicht laufend abgehört wird, Ihre Internetaktivitäten verpuffen, wenn Bestellungen auf diesen Kanälen (E-Mail, WhatsApp, Webshop-Bestellung etc.) nicht ständig abgefragt werden oder gar in Spamfilter oder Ablage verschwinden.

Hohe Erwartungshaltung

Der mobile Kunde erwartet dabei nicht nur das Angebot an sich, sondern auch eine rasche Bearbeitung seiner Bedürfnisse. Ein schneller Anruf aus dem Bus auf dem Weg zur Arbeit, das Abholen in der Mittagspause oder auf dem Weg in die Kita – der mobile Kunde ist meist in Eile und benötigt volle Aufmerksamkeit.

Ist die Apotheke ebenso wie der mobile Kunde multitaskingfähig? Jeder kennt sicherlich die Situation von Anrufen bei Ärzten, Handwerkern oder Behörden. Die freundliche Dame begrüßt einen mit einem netten „Einen Moment bitte…“, legt den Hörer zur Seite und es beginnt das Warten mit dem Versprechen, dass der nächste freie Platz schon reserviert ist. Beim mobilen Kunden drängt die Zeit, ein zu langes Warten oder Nachfragen provoziert einen Kaufabbruch. Also muss die Apotheke schnell, kompetent, aber auch empathisch reagieren. Versucht der Apotheker, dem Kunden das System der Rabattverträge in der Kürze der Zeit zu erklären, provoziert das rasch Unverständnis. Zur Klärung von Missverständnissen lohnt hier ein Vertagen auf die Abholung.

Besonders wenn der Handyempfang schlecht ist, kann ein Nachfragen nach dem Artikel oder dem Namen schnell zu beiderseitigem Stress führen. Im Idealfall handelt es sich um Stammkunden, die man dann an der Stimme erkennt, sodass der Apotheker deren Wünsche und Bedürfnisse deuten kann. Was will der Kunde? Empathisches Mitdenken und ein paralleles Sichten der Kundenkarte oder Abverkaufsstatistik führen hier zum Ziel.

Trotz dieser „mentalen Rushhour“ und der herausragenden Bedeutung des Faktors Zeit ist neben der unverzichtbaren Zuverlässigkeit eine gute Portion Spontanität wichtig. So werden eine schnelle Verfügbarkeit und die rasche und flexible Abwicklung des Verkaufs von dieser Kundengruppe geschätzt. Und trotzdem mögen diese Kunden oft eine gute Beratung, ein wichtiger Grund, eben nicht im Internet zu kaufen!

Dazu gehört ein entsprechend breites Sortiment. Der mobile Kunde bestellt gerne vor, sei es über Internet, Fax oder Telefon. Doch manchmal benötigt er auch Artikel spontan, egal ob vergessen zu bestellen oder als Impulskauf. Besonders diese bieten dem Apotheker die Möglichkeit, durch Mitnahmeartikel den Umsatz zu steigern.

Zeitmangel = Umsatzchance!

In Eile oder auf der „Durchreise“ greift der Kunde schneller und unüberlegter zu. Unter Zeitdruck ist es dem mobilen Kunden meist egal, von welchem Hersteller das Produkt ist oder wie es heißt, Hauptsache, es wirkt gut und schnell – gerne auch zu einem etwas höheren Betrag. So achtet der mobile Kunde in seiner Eile zumindest in unserem „Healthcare-Segment“ nicht unbedingt primär auf den Preis, doch er muss wertgerecht sein. Daher stehen hochwertige Markenprodukte mit starken Namen und Wirkversprechen im Vordergrund, unter Erläuterung des Mehrwertes im Beratungsgespräch. Bei diesen mobilen Kunden muss der Apotheker nicht über den Preis argumentieren, sondern über den Mehrwert und den Faktor Zeit („wirkt schnell und zuverlässig“). Qualität statt billig!

Der mobile Kunde ist nicht nur physisch auf der Reise zum Produkt, sondern auch im Kopf. Für die Apotheke bedeutet dies, ihn zuerst vor dem Einkauf im Internet abzufangen und ihn dann auf der „Reise zum Produkt“ zu begleiten. Bei den so wichtigen Stammkunden kommt es vor allem darauf an, spezielle Wünsche frühzeitig zu erkennen, besonders wenn sie wiederkehrend sind. Die vielen medialen Reize auf Plakaten, im Internet oder im Fernsehen rufen Wünsche und Bedürfnisse hervor. Im Grunde sind das auf ihre Art auch mobile Kunden, mobil in der Medienwelt. Hat sich ein solcher Kunde auf seiner „mobilen Reise“ physisch und technisch entschieden, ist die Apotheke gefragt:

  • Wird der Kunde auf einer übersichtlichen, wirklich ansprechenden Internetseite empfangen? Weckt das gezeigte Team Sympathie (Teamfoto und/oder Einzel-Porträts)?
  • Ist eine Bestellung über das „Netz“ aus Kundensicht unkompliziert und zuverlässig?
  • Immer noch wichtig gerade in einer Zeit anonymer Internetformulare: telefonischer Bestellservice, wenn auch zeitaufwendig.

Am Telefon sind Stimme und Wortwahl entscheidend, beginnend bei der Begrüßung: weder zu kurz und forsch noch zu lang, wie man das von vielen Callcentern kennt. Bis dann der Kunde seine Wünsche äußern kann, sind Bus oder U-Bahn angekommen, der Kunde in diesem Moment verloren. Durch die Stimmlage (freundlich, kompetent, nicht zu hoch, nicht gehetzt und dennoch auf den Punkt kommend) bringen Sie Ruhe und Souveränität in das Gespräch mit den oft in Eile befindlichen Kunden.

Wer genervt ist, drückt das schnell in der Stimme aus, was der mobile Kunde merkt. Kommt dieser dann in die Apotheke, entspannt sich die Zeitachse etwas, er orientiert sich und nimmt sich unterschiedlich viel Zeit für Kaufanregungen. Dennoch schätzt er, besonders unter Zeitdruck, eine effiziente und rasche Bearbeitung seiner Wünsche auf dem Weg ins Büro oder zur Kita. Hier sind allzu lange Beratungen und Produktüberflutungen kontraproduktiv. Oft noch ein „blinder Fleck“: die nicht zu aufdringliche, aber durchaus bestimmte Betreuung nach dem Kauf („After-Sales-Betreuung“).

Die Apotheke soll den Kunden frühzeitig auf dem Weg zum Produktwunsch „abholen“, unter Berücksichtigung der knapp bemessenen Zeit und der äußeren Umstände, wie z. B. Hintergrundgeräusche. Mobile Kunden sind, wie erwähnt, oft gehetzt. Trotzdem oder gerade deshalb brauchen sie Zuwendung, möglichst jedoch ohne Zeitverlust, was ein wenig an die Quadratur des Kreises erinnert.

Vergessen Sie nicht, dass diese Kunden auch geistig „mobil“ sind, häufig schlicht abgelenkt oder reizüberflutet durch die vielen multimedialen Angebote. Hier kann der Apotheker den Kunden mit Kompetenz durch fachliche, empathische und sympathische Fragen abholen. Dies unterscheidet ihn neben der raschen Verfügbarkeit der Waren elementar vom Internet: Persönlichkeit! So sind dann Preise nicht immer das entscheidende Kaufargument, sondern die Zufriedenheit.

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(15):10-10