Karin Wahl
Apotheken haben solch ein Leitbild im Rahmen des QMS zu erstellen. Jeder sollte sich dem verpflichtet fühlen und es leben. Damit das nicht leere Worthülsen sind oder die abgekupferte Version eines anderen Unternehmens, empfiehlt es sich, dass sich der Inhaber und das ganze Team in einer Teamsitzung dafür Zeit nehmen und gemeinsam eine Erklärung formulieren, die wie ein Zertifikat ausgedruckt und in der Apotheke ausgehängt wird.
Bei der Befragung vieler Mitarbeiter und auch Chefs konnten sich die wenigsten daran erinnern, überhaupt so etwas in der Apotheke zu haben, geschweige denn zu wissen, was darin stehen könnte. Somit darf man sich auch nicht wundern, wenn jeder in der Apotheke eine andere – eigene – Philosophie hat. Dabei hilft es sehr, wenn so ein Leitbild existiert, an dem man sich orientieren kann und damit auch weiß, wofür das Unternehmen, in dem man arbeitet, steht.
In einem Leitbild sollte nicht mehr versprochen werden, als man halten kann! Nichts ist peinlicher, als hehre Versprechungen zu machen, die keiner einhält, ganz aktuell in dem verheerenden VW-Abgasskandal zu besichtigen. Wer weiß, wie viele andere Unternehmen dazu noch enttarnt werden. Das Vertrauen ist verspielt, und wären diese Konzerne nicht „too big to fail“, wären sie schon vom Markt verschwunden.
Bestrebt sein, immer besser zu werden
Somit sollte, ob großes oder kleines Unternehmen, ein Leitbild gezeichnet werden, das ehrlich und erfüllbar ist, aber auch impliziert, dass man jeden Tag sein Bestes geben will und bestrebt ist, immer besser zu werden.
Im untentehenden Kasten ist ein Beispiel einer existierenden Apotheke, nennen wir sie Markt-Apotheke. Dieses Leitbild ist das Ergebnis leidenschaftlicher Diskussionen im Team, in die viele praktische Erfahrungen aus dem Apothekenalltag einflossen. Es ist kurz und knackig und verliert sich nicht in einem Viel-Punkte-Plan, der Seiten füllt und den niemand mehr lesen würde.

Ziel war, dass das Leitbild praktisch umsetzbar sein sollte und Dinge aus der Praxis thematisiert, die immer wieder zu Dissens geführt hatten, wie zum Beispiel das Reklamationsmanagement, das in der Vergangenheit sehr unterschiedlich gehandhabt wurde und bis zum Kundenverlust geführt hatte. Ebenso wichtig war einzelnen Mitarbeitern die Formulierung „im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften“, denn es lassen sich nicht immer alle Kundenwünsche erfüllen. Auch die Betonung des „gegenseitigen Respekts“ erwuchs aus nicht so positiven Erfahrungen im Alltag.
Das Apothekenleitbild soll wirklich gelebt und auch auf seine Tragfähigkeit geprüft werden. Zu viele Firmen erstellen solche Leitbilder, nennen sie gerne „Firmenphilosophie“, um Eindruck zu machen. Aber sie kommunizieren sie oft nicht von der Chefetage bis zur Basis, geschweige denn, dass sie das Gelebtwerden dieser hehren Aussagen überprüfen oder ahnden, wenn sie nicht eingehalten werden. Dabei gibt es kaum eine Firmenhomepage ohne Betonung dieser Elaborate.
Im Team war man sich einig, dass man sich in einem Jahr zum gleichen Thema wieder zusammensetzen wird, um – falls nötig – Änderungen einzufügen bzw. Sachverhalte bei geänderten Rahmenbedingungen zu aktualisieren. Als lebendes Leitbild soll es immer aktuell und damit nicht für alle Zeiten „in Stein gemeißelt“ sein.
Das Team war von dieser Erarbeitung begeistert, da alle Mitarbeiter zu Wort kamen und nur Aussagen übernommen wurden, hinter denen jeder stehen konnte. Nachdem das Leitbild von allen abgesegnet war und jeder einen persönlichen Ausdruck erhalten hatte, wurde es grafisch schön gestaltet und gerahmt in der Offizinan einem zentralen Punkt aufgehängt. Die Kunden waren beeindruckt, weil das von einer Apotheke nicht unbedingt erwartet wurde.
In der Diskussion im Team kamen auch sehr schnell Fragen auf, wie Dinge zukünftig gemacht werden sollen bzw. welche Ziele man verfolgen will, um den Aussagen gerecht zu werden. Das Team stellte selbst fest, was die Betriebswirtschaft postuliert: „Unternehmens- und Marketingziele sind aus Unternehmensleitbildern und -philosophien abzuleiten, denn sie müssen sich decken.“ Was nützt das schönste und edelste Leitbild, wenn Firmen- und Marketingziele damit nicht übereinstimmen?
Für die nachfolgenden QMS-Sitzungen wurden genau diese Punkte auf die Agenda gesetzt. Der Inhaber hatte dabei das große Glück, dass sich einzelne Mitarbeiter im Rahmen von betriebswirtschaftlichen Fortbildungen mit diesen Themen befasst hatten. Schulbuchmäßig wurden dann in den folgenden Teamsitzungen
- der Unternehmenszweck (Business Mission),
- Unternehmensziele und
- Marketingziele bearbeitet.
Der Inhaber war über das Engagement des Teams begeistert, weil er merkte, dass so sein Ziel – unternehmerisch denkende Mitarbeiter zu bekommen – fast spielerisch erreicht wurde. Die Frage nach dem Unternehmenszweck lautet: „Was ist unser Geschäft?“ bzw. „Was sollte unser Geschäft sein?“.
Was sind die Kernkompetenzen einer Apotheke? Was gehört noch alles zum Geschäft einer Apotheke und wo hört es auf? Man denke dabei nur an den Verkauf von Postkarten, Badeartikeln, Kinderspielzeug etc., der in ausländischen Apotheken oft üblich ist, weil diese von ihrer Kernkompetenz, der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, nicht mehr leben können.
Nachdem das im Teamgespräch analysiert war – wobei jeder Erfahrungen aus dem Urlaub beisteuern konnte –, fiel es leicht, die „Noch-Stärken“ der deutschen Apotheke herauszuarbeiten und zu definieren, was man zukünftig aktiv betreiben will und was nicht!
Ein eigenes Thema war dann das Unternehmensziel. Zunächst ist es Aufgabe des Chefs, das Unternehmensziel aus seiner Sicht zu definieren. Dabei gehören zu den klassischen Unternehmenszielen Wachstum und Rentabilität, denn jeder Unternehmer, der Geld in die Hand nimmt und sich damit langfristig an ein Objekt bindet, will ja „nicht nur Geld wechseln“. Weitere mögliche Unternehmensziele sind
- Marktführerschaft,
- Liquiditätssicherung, besonders bei Kreditfinanzierung,
- Gewinnmaximierung,
um nur ein paar Beispiele zu nennen. Bei diesen Zielen kann das gut geschulte und informierte Team dem Chef helfen, sie zu erreichen.
Die Crux dabei kann sein, dass sich Ziele in die Quere kommen. Denn bei der Beachtung der Liquidität wegen hoher Tilgungsraten oder Steuerzahlungen muss manchmal die Rentabilität hintanstehen. Was nützt der tollste Rabatt oder Nachlass, wenn ich ihn nur durch Überziehung des Kontos realisieren kann? Solche Zusammenhänge müssen vor allem denjenigen Mitarbeitern vermittelt werden, die die Erlaubnis zum eigenständigen Direkteinkauf z.B. bei Kosmetikdepots haben. Schnell wird ein vermeintliches Schnäppchen zu einer teuren Angelegenheit, wenn die interne Kommunikation nicht stimmt!
Ein weiteres großes Thema im Team waren dann die Marketingziele, die in einem späteren Artikel separat behandelt werden sollen. Meine Anregung ist, das beschriebene Beispiel zu durchdenken und gemeinsam mit dem Team als Investition in die Zukunft zu sehen! Es geht immer weiter und jeder hat es in der Hand, ob es ein Erfolg wird oder nicht!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(15):12-12